Süddeutsche Zeitung

Schwanthalerstraße:Zwei Tage Straßensperre wegen Pegida-Demo

Bis zu 90 Polizisten: Mit großem Aufwand sicherte die Polizei eine kleine Pegida-Kundgebung - und die Gegendemonstration gegen diese. War das verhältnismäßig?

Von Thomas Anlauf

Es ist nur eine Handvoll rechter Demonstranten, die bewirkt, dass zwei Tage und Nächte lang eine der Hauptverkehrsstraßen in München gesperrt wird. Pegida München hatte beim Kreisverwaltungsreferat von Freitagvormittag bis Sonntagabend eine Demonstration in der Schwanthalerstraße angemeldet, um Stimmung gegen einen antifaschistischen Kongress im DGB-Haus zu machen. Nach Angaben der Polizei und Beobachtern kamen lediglich zwischen zwei und knapp einem Dutzend Demonstranten.

Aus Protest gegen den Pegida-Auftritt hatten die Gewerkschaft Verdi, der Verein "München ist bunt" und andere Organisationen deshalb zu einer zweitägigen Gegendemonstration und verschiedenen Kunstaktionen vor dem DGB-Haus in der Schwanthalerstraße aufgerufen. Die Polizei riegelte daraufhin von Freitagvormittag bis Samstagnacht die Straße zwischen Hermann-Lingg- und Paul-Heyse-Straße komplett ab. Man habe mit deutlich mehr Demonstranten gerechnet, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag.

Polizei sichert Video

Bei der Kleinst-Kundgebung von Pegida auf der Schwanthalerstraße sind am Freitagabend nach Angaben der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle Aida sowie des "Linken Bündnisses gegen Antisemitismus München" zwei antisemitische Videos gezeigt worden. Das Bündnis erhebt Vorwürfe gegen Pegida sowie gegen die Polizei, die nicht reagiert habe. Die Polizei widerspricht dem: Sie sei eingeschritten, habe das Videoband gesichert und der Staatsanwaltschaft zugeleitet.

Laut dem "Linken Bündnis" verbreiten in den Videos zwei Rabbiner die Ideologie einer jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung; einer von ihnen zitiert zustimmend aus Adolf Hitlers "Mein Kampf", Hitler habe die Juden gehasst, weil er Deutschland vor ihnen habe schützen wollen. Das "Linke Bündnis" beklagt, damit würden Juden für den Judenhass verantwortlich, Opfer also zu Tätern gemacht. Außerdem werde ein geschichtsrevisionistisches und antisemitisches Weltbild skizziert. Dass sich zwei Rabbiner äußern, ändere nichts am antisemitischen Gehalt der Aussagen. Das Bündnis, in dem unter anderem die Grüne Jugend und die Linksjugend "Solid" zusammengeschlossen sind, fordert nun, die Stadt solle Pegida künftig keine öffentlichen Auftritte mehr erlauben und die Polizei für Geschichtsklitterung und Antisemitismus sensibilisieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass Pegida während eines Antifa-Kongresses provoziert. 2017 zeigte die Gruppe den Münchner Pegida-Chef Heinz Meyer mit der Figur "Paulchen Panther", die auch von den Terroristen des NSU verwendet wurde; daneben stand: "Paulchen jagt bald Antifa". Damals ermittelte der Staatsschutz. anl, wet

Am Samstagmittag waren 29 Einsatzfahrzeuge entlang der Schwanthalerstraße postiert, 80 bis 90 Beamte seien für die Demonstration vorgesehen gewesen, sagte Polizeisprecher Oliver Timper. Wegen der Pegida-Kundgebung hatte ein breites Bündnis von Gewerkschaften, "München ist bunt" und anderen Organisationen dazu aufgerufen, gegen Pegida auf die Straße zu gehen und mit Aktionen wie den Mohnblumen, Musik und Informationsständen vor Rechtsextremismus und Rassismus zu warnen. Mehrere Hundert Menschen waren dem Aufruf gefolgt, um gegen Pegida zu demonstrieren.

Eigentlich war die Kundgebung von Pegida München bis Sonntag um 18 Uhr vom Kreisverwaltungsreferat KVR genehmigt. Doch laut Polizei wurde schließlich die Pegida-Demo, bei der außer deren Vorsitzender Heinz Meyer Beobachtern zufolge auch zeitweise der als rechtsextrem geltende Stadtrat Karl Richter in einem abgesperrten Straßenabschnitt auftrat und Mitglieder von "Wodans Erben Germanien" gesichtet wurden, am Samstag um 23 Uhr von Pegida selbst aufgelöst. Die Polizei selbst könne genehmigte Demonstrationen nur schwer auflösen, hieß es im Polizeipräsidium.

Schon am Samstag kritisierten Redner der Gegendemonstration und die Münchner antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (Aida), dass die zweitägige Straßensperrung für eine Handvoll Demonstranten völlig unverhältnismäßig sei. Gerade am Jahrestag der Novemberpogrome von 1938, als die Nazis in München die Ohel-Jakob-Synagoge anzündeten und Menschen attackierten, sei es "unmöglich, dass hier offen eine faschistische Bande" auf der Straße und noch dazu in direkter Nähe des DGB-Hauses demonstrieren dürfe, sagte eine Gewerkschaftssprecherin. Deshalb hatten die Gewerkschaft Verdi und "München ist bunt" auf der abgesperrten Straße eine Gegendemonstration angemeldet. Die Botschaft war deutlich: "Nie wieder Faschismus und Krieg. Kein Platz für Nazi-Terroristen".

Der von Sicherheitsbehörden als rechter Gefährder eingestufte und im September wegen Volksverhetzung verurteilte Heinz Meyer und seine Pegida räumte den Platz schließlich laut Polizei Samstagnacht vorzeitig.

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SZ vom 11.11.2019/bica
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