Wenn ein Immobilien-Tycoon ein Stadtviertelgremium besucht, dann klingt das nach Bürgernähe, nach Dialog und Sorge ums Gemeinwohl. Doch ein Auftritt von Alfons Doblinger im Bezirksausschuss (BA) Feldmoching-Hasenbergl rief bei denen, die er hätte erreichen sollen, genau das Gegenteil hervor: Er hinterließ nicht nur Kopfschütteln und Fragezeichen, sondern auch den Eindruck, dass da jemand dem Gespräch aus dem Weg geht.
Dabei hatte es anfangs so ausgesehen, als wäre der Immobilienunternehmer ins Gremium der Lokalpolitiker gekommen, um ein großes Missverständnis auszuräumen: Den Vorwurf, dass er mehr als 70 Mieter aus einem Wohnhochhaus an der Paulckestraße 1-9 für eine Sanierung verdrängen wolle. Den erheben neben zahlreichen Mietern auch der Mieterbeirat München und die Bürgerinitiative "Ausspekuliert". Grund dafür ist, dass den Mietern von Wohnungen in den Hausnummern 3 und 7 im vergangenen September ein Brief zugestellt worden war, der sie wegen einer bevorstehenden Sanierung bis März 2021 zum Auszug aufforderte. Danach würden Wasser und Heizungen abgestellt und die Wohnungen seien nicht mehr bewohnbar. Bei den Anwohnern geht seither die Angst um. Denn wer aus dem Hasenbergl verdrängt wird, der hat es schwer, in München überhaupt noch eine Bleibe zu finden.
Hasenbergl:Doppelte Härte
Erst die Baustelle vor der Tür, dann die Sanierung des eigenen Hauses: Mehr als 70 Bewohner der Paulckestraße sollen ihre Wohnungen verlassen
Doblinger war in der BA-Sitzung sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht und verwies auf den maroden Zustand des 1961 erbauten Hauses. "Wenn ein Haus nicht mehr bewohnbar ist, dann muss man es herrichten. Wir können noch zehn Jahre so weiter machen. Aber es geht um Wohnkultur und Respekt vor den Menschen, die da leben", sagte er. Außerdem erinnerte er an sein soziales Engagement im Viertel. So habe er vor mehr als zwanzig Jahren eine halbe Million D-Mark an Sozialprojekte im Hasenbergl gespendet. "Wer das tut, kann doch nicht ein Gegner des Hasenbergls sein", sagte er. "Mit dem Brief wollten wir darüber informieren, was wir vorhaben. Wir haben aber nicht gedacht, dass wir damit Druck ausüben." Er wolle den Sachverhalt aufklären, "sobald Corona es zulässt". Ob damit eine Mieterversammlung gemeint war, blieb offen.
Vermieter der Wohnungen ist die Wohnungs- und Siedlungsbau Bayern (WSB), ein Tochterunternehmen der Doblinger Unternehmensgruppe. Viele WSB-Wohnungen waren früher Sozialwohnungen der Neuen Heimat, bis Alfons Doblinger sie 1990 erworben hatte. Allein in München besitzt die WSB eigenen Angaben zufolge derzeit 13 660 Wohnungen und ist damit eines der größten Wohnungsunternehmen in Bayern. Doch Ersatzwohnungen für die Dauer der etwa zehnmonatigen Sanierung hat WSB den Mietern aus der Paulckestraße nicht angeboten. "Wir haben im Einzugsgebiet nicht so viele Apartments. Alles ist vermietet", sagte Doblinger.
Ein neues Wohnhaus mit 49 Wohnungen und einem Alten- und Service-Zentrum baut die Dibag Industriebau, die ebenfalls zur Doblinger-Gruppe gehört, zurzeit am Stanigplatz - direkt vor dem Hochhaus an der Paulckestraße. Es soll Anfang nächsten Jahres bezugsfertig sein.
Rückfragen an Doblinger sollte es in der Sitzung nicht geben, darauf hatte sich der Unternehmer im Vorfeld mit dem BA-Vorsitzenden Rainer Großmann (CSU) geeinigt. Das Gespräch mit den Mietern sollte offensichtlich nicht in der Öffentlichkeit geführt werden, sondern wurde auf einen anderen Termin unter Beteiligung des Mieterbeirates vertagt. Doblinger verließ die BA-Sitzung, noch bevor die ebenfalls anwesenden Mieter zu Wort kamen.
Einer von ihnen, Sven Karadi, war sichtlich irritiert über das plötzliche Verschwinden des Unternehmers. "Schade, dass ich Herrn Doblinger anhören musste, er mich aber nicht mehr anhören will. Was passiert jetzt mit uns als Betroffene? Wir sitzen alle zu Hause und warten auf unsere Kündigungen." Dass der Brief vom September lediglich eine Aufforderung zum Auszug ist und keine rechtskräftige Kündigung, stellte die WSB erst im Nachhinein klar. Eine Unterscheidung, die den Mietern, von denen viele kein oder nur brüchiges Deutsch sprechen, nicht bewusst war. Dass es sich nicht um eine "Auszugspflicht" handele, kommunizierte die WSB gegenüber den Mietern erst Anfang Dezember, als das Unternehmen sein ursprüngliches Angebot für einen freiwilligen Auszug von 5000 auf 8000 Euro erhöhte.
Während der Weihnachtsfeiertage haben die Betroffenen eine Mietergemeinschaft gegründet und werden von Gabriele Meissner (SPD), der Vorsitzenden des Mieterbeirats München, unterstützt. Sie weist darauf hin, dass bei einer Sanierung der Vermieter die Kosten für eine Ersatzwohnung sowie Aus- und Wiedereinzug bezahlen müsse. Kosten, die Doblinger sich sparen wolle, indem er die Mieter zum Auszug bewegt.
Ebenfalls anwesend war in der BA-Sitzung der Mietrechtsaktivist Christian Schwarzenberger (Linke) von der Bürgerinitiative "Ausspekuliert". "Schade, dass Herr Doblinger nicht zehn Minuten länger geblieben ist, um die Mieter anzuhören", sagte er nach dessen Abgang. Er könne nicht glauben, dass die WSB nicht in der Lage sei, 70 Mietern eine Ersatzwohnung zu stellen. "So machen es die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und selbst die Dawonia", sagte er. Im Gespräch mit der SZ äußerte er außerdem die Befürchtung, dass hier ein Vorgehen getestet werde, das auch bei weiteren Sanierungen von WSB-Wohnhäusern angewendet werden könnte. Schließlich seien viele der früheren Neue-Heimat-Wohnungen mittlerweile in einem ähnlich schlechten Zustand. Schwarzenberger fordert: "Ersatzwohnungen, Wiedereinzug, keine Mieterhöhungen nach der Sanierung."
Auch die SPD drängte auf eine unverzügliche Positionierung des Gremiums. "Wir sollten klar machen, wo der BA in dieser Sache steht", forderte Markus Auerbach (SPD). Ein Anliegen, das CSU-Mann Großmann, der das Gremium leitet, zurückwies. Er wollte zunächst lediglich eine Liste von Fragen sammeln lassen, die Doblinger beantworten soll. Noch 2016 hatte Großmann gefordert, die Doblinger-Gruppe beim Bauvorhaben am Stanigplatz von der städtisch vorgeschriebenen Quote für Sozialwohnungen zu befreien.