Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Erfolgreicher Widerstand

Sie haben sich mutig und hartnäckig gegen den größten Wohnungseigentümer in München, Alfons Doblinger, zur Wehr gesetzt: Jetzt können 40 Mieter im "Paulcke-Block" nach der Sanierung wieder in ihre Wohnungen zurückkehren

Von Jerzy Sobotta

Häufig hört man sie nicht: Happy-End-Geschichten von Mietern, die in München um ihre Wohnungen kämpfen. Doch genau diese Wendung zeichnet sich gerade im "Paulcke-Block" ab. Dass die Nachricht ausgerechnet aus einem Plattenbau im Hasenbergl kommt, ist doppelt erstaunlich.

Einerseits, weil die Bewohner schlechtere Voraussetzungen haben, um sich zur Wehr zu setzten, als viele ihrer Leidensgenossen in den attraktiven Wohngegenden nahe der Innenstadt. Die wenigsten von ihnen dürften etwa einen Anwalt im Freundeskreis haben. Viel gewonnen ist schon, wenn ihnen jemand den Brief in ihre Sprache übersetzt, der da vom Vermieter inmitten einer Pandemie im Briefkasten landet. Zum anderen ist es erstaunlich, weil sie ihr Recht gegen einen der größten Wohnungseigentümer in München verteidigt haben. Alfons Doblinger ist als Geschäftsmann bekannt, der 1990 als weitgehend Unbekannter 32 500 ehemalige Sozialwohnungen der "Neuen Heimat" aufgekauft hatte. Auch als großer Bauinvestor ist er tätig. Man kann also davon ausgehen, dass er die Zustände auf dem Mietmarkt bestens kennt und weiß, was er Menschen im Hasenbergl zumutet, die er zum Auszug auffordert.

Dass rund 40 Menschen ihre Wohnungen nun doch nicht verlieren, haben sie vor allem ihrem eigenen Widerstand zu verdanken. Sie sind dem Druck nicht erlegen, haben sich zusammengetan und über Alters- und Sprachgrenzen hinweg eine Mietergemeinschaft gegründet. Erst durch ihre Hartnäckigkeit, durch die Beharrlichkeit von Mietern wie Sven Karadi, ist die Angelegenheit für Doblinger zu einer öffentlichen Peinlichkeit geworden, in der die Umzugskosten, die man den Mietern erstattet, plötzlich preiswerter erscheinen als die selbst verschuldete Schädigung des eigenen Ansehens.

Andernfalls wäre das Vorgehen womöglich im Dunkeln geblieben. Und es hätte sich hundertfach im Hasenbergl und in ganz München wiederholen können. Denn viele Apartments - nicht nur WSB-Wohnungen - werden in den kommenden Jahren saniert werden müssen. Das Vorgehen hat sich im Viertel bereits herumgesprochen. Den Gesprächen am Mittwoch wollten auch Bewohner zuhören, die in anderen WSB-Wohnhäusern leben. Sie können den Fall als Handlungsanleitung nehmen. Denn er zeigt, dass Mieter, die für ihre Rechte kämpfen, mit einer breiten Unterstützung der Zivilgesellschaft rechnen können.

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Quelle:
SZ vom 05.02.2021
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