Die Stadt weitet den Kreis der Menschen aus, die Anspruch auf den "München-Pass" und somit auf Vergünstigungen im Nahverkehr, für zahlreiche soziale Angebote und Freizeitaktivitäten in der Stadt haben. Die Vollversammlung des Stadtrats stimmte am Donnerstag mit großer Mehrheit einem Dringlichkeitsantrag der grün-roten Koalition zu, die neuen, deutlich höheren Einkommensgrenzen für das so genannte "Armutsrisiko" zum Maßstab für den Zugang zum München-Pass zu machen. Die neue Regelung soll möglichst schnell, vermutlich zum 1. September, in Kraft treten.
Mitte Juli hatte das Sozialreferat zur Überraschung der Stadtpolitik neue Werte veröffentlicht, mit welchen Einkommen Alleinstehende und Familien in München von Armut bedroht sind. Eigentlich waren die Zahlen erst für Ende des Jahres mit der Veröffentlichung des neuen Armutsberichts erwartet worden. Demnach liegt die Schwelle für Ein-Personen-Haushalte nun bei einem Nettobetrag von 1540 Euro und damit um fast 200 Euro höher als bei der bis dahin letzten Erhebung im Jahr 2017, eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern im Alter über 14 Jahren lebt mit einem Einkommen von netto 3850 Euro an der Schwelle zur Armut. Laut dem 2017 veröffentlichten Armutsbericht lebten damals 269 000 Münchnerinnen und Münchner in relativer Armut. Mit den neuen Schwellen dürfte die Zahl nun bei etwa 300 000 liegen.
Mit dem Beschluss gewinnt die Stadt ein halbes Jahr Zeit
"Wenn die neuen Grenzen nun bekannt sind, sollten wir sie beim München-Pass auch anerkennen", sagte Anne Hübner, Fraktionsvorsitzende von SPD/Volt, in der Debatte zum Antrag. Mit diesem Beschluss gewinne man ein halbes Jahr Zeit. Nach bisherigem Usus wären die Zugangsvoraussetzungen erst mit dem neuen Armutsbericht angepasst worden. Clara Nitsche, Fraktionsvize von Grünen/Rosa Liste, sprach von der "Pflicht, ein soziokulturelles Existenzminimum zur Verfügung zu stellen" und warb dafür, das Angebot des München-Passes mit einer öffentlichen Kampagne bekannter zu machen.
Aus der Opposition bekam die Koalition Unterstützung. "Ein toller Antrag, das muss ich wirklich sagen", sagte Alexandra Gaßmann, sozialpolitische Sprecherin von CSU/Freien Wählern. "Wir treffen damit den Nerv der Menschen, die ihre Kinder in die Kita bringen, arbeiten gehen und trotzdem nicht mehr wissen, wie sie die nächste Stromrechnung und den nächsten Einkauf bezahlen sollen." Thomas Lechner von der Linken nannte den Antrag "einen guten Aufschlag, den ich auch unserer Präsenz im Stadtrat zuschreibe".
Lediglich FDP/Bayernpartei lehnten den Antrag ab. Die Tragweite sei groß, und es fehlten Informationen über die daraus resultierenden Belastungen etwa für die Sozialbürgerhäuser, monierte Fraktionschef Jörg Hoffmann. Man plädiere dafür, das Thema im nächsten Sozialausschuss nach der Sommerpause zu behandeln.