Süddeutsche Zeitung

Pasing:Wenn das Zuhause verschwindet

  • Nachdem der Verkauf an die Stadt gescheitert ist, soll die marode GBW-Wohnanlage an der Nimmerfallstraße in Pasing abgerissen und neugebaut werden.
  • Die Mieter fühlen sich abgeschoben und wollen den Abriss verhindern. Der GBW werfen sie Einschüchterung vor.
  • Nun will die Mietergemeinschaft auch Ministerpräsident Söder und Oberbürgermeister Reiter einbeziehen.

Von Johannes Korsche

Da ist etwas zusammengewachsen, an diesem Abend. Das zumindest war der Eindruck mit dem die Besucher des Pasinger Rathauses nachts nach Hause gingen. Nach Hause, das ist für die etwa 60 Anwesenden die Siedlung der GBW an der Nimmerfallstraße. Das Unternehmen will die inzwischen sehr sanierungsbedürftigen Wohnungen abreißen und durch neue ersetzen.

Die Mieter versuchen dies mit allen Kräften zu verhindern, sehen sich gleichwohl einem Ungleichgewicht der Kräfte ausgesetzt. Auf der einen Seite steht die unerfahrene Mietergemeinschaft, auf der anderen Seite "Betriebswirtschaftler, die Geld machen wollen", wie es ein Bewohner zusammenfasste. Dagegen kämen sie nur gemeinsam an, so der Tenor beim Treffen, das der Pasinger Bezirksausschuss organisiert hatte.

Die Mieter der Nimmerfallstraße sind nicht zum ersten Mal in den Schlagzeilen. Vor den aktuellen Abrissplänen war bekannt geworden, dass die GBW die Häuser zunächst an die Stadt verkaufen wollte. 25 Millionen Euro rief sie für die 75 Wohnungen auf. Die Stadt bot 18 Millionen Euro, was die GBW wiederum mit einem Angebot von 22 Millionen Euro konterte.

Außerdem verpflichte sie sich dann vertraglich dazu, die Wohnanlage binnen zwei Jahren zu entmieten. Für die freien Wohnungen seien dann noch einmal drei Millionen Euro fällig, so der Vorschlag des Unternehmens. Die Stadt lehnte empört ab. Nachdem dieser Verkauf gescheitert war, seien unterschiedlichste Alternativen intensiv geprüft worden, so die GBW - mit dem Ergebnis: Abriss und Neubau.

Momentan liegen die Mieten in der Siedlung, wohl auch wegen teils fehlender Zentralheizung, noch bei deutlich unter zehn Euro. Geht es nach der GBW, stehen auf dem Grundstück Ende 2021 aber neue Häuser mit 76 Wohnungen - samt neuen Mietern und neuen Quadratmeterpreisen. Zumindest gebe es für einen "Umzug" keine Alternative, hatte die GBW den etwa 40 verbliebenen Haushalten schon per Brief mitgeteilt.

In persönlichen Gesprächen und im Benehmen mit dem städtischen Wohnungsamt werde man alles dafür tun, für sie eine neue Wohnung zu finden, kündigten die Eigentümer an. Darauf gedankenlos einzugehen, sei aber nicht der Königsweg, hieß es bei dem Treffen mehrfach: "Sie sollten Einzelgespräche tunlichst vermeiden", riet etwa Albrecht Schmidt vom Münchner Mieterbeirat, "sie werden damit keinen Vorteil erreichen." Nur als geschlossene Mietergemeinschaft hätten die Pasinger eine Chance.

Der Wille zum Protest ist groß, mit dem Vermieter habe man zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Die Vorwürfe reichten von "kalter Entmietung" über absichtliche Vernachlässigung des Wohnblocks, Einschüchterungen in Einzelgesprächen bis hin zum bewussten "Abschieben" der Bewohner in städtische Sozialwohnungen.

All das weist die GBW weit von sich. Bei Einzelgesprächen könne sie besser auf die Bedürfnisse der Mieter eingehen, deshalb biete sie diese an und räume ihnen Vorrang ein, weshalb auch kein GBW-Vertreter zur Veranstaltung gekommen sei. Die Sitzung "ist nicht die richtige Plattform für eine Situation, die individuelle Lösungen erfordert", so das Unternehmen, und von Entmietung können keine Rede sein; der schlechte Zustand der Häuser erfordere Handlungsbedarf. Man würde die einkommensschwachen Mieter nicht in städtische Sozialwohnungen abschieben, sondern sei bei der Wohnungssuche behilflich, biete auch geförderten Wohnraum im eigenen Bestand an.

Außerdem, so die GBW, sei sie in regelmäßigem Austausch mit der Stadt, "um die Bewohner der Nimmerfallstraße bei der Organisation von Wohnberechtigungsscheinen zu unterstützen". Einige wenige berichteten bereits von ihren Einzelgesprächen. "Es wird keine Abfindung geben, auch kein Zurückkommen in die neuen Wohnungen", erzählte ein Mann, der seinen Antrag für einen Wohnberechtigungsschein dabei in die Höhe reckte.

"Das ist wirklich verwerflich, dass ein Privater Sie auf die Allgemeinheit abschiebt", findet Martin Böhm vom Münchner Mieterverein "Mieter helfen Mietern". Laut Münchner Sozialreferat standen im September gut 13 800 Haushalte für eine geförderte Wohnung auf der Warteliste, mehr als 10 600 davon in der höchsten Dringlichkeitsstufe.

Am Ende des Abends entschied die Mietergemeinschaft, einen Brief zu schreiben an GBW und Politiker - auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU), einst als Finanzminister für den GBW-Verkauf zuständig, und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Darin setzt man dann auch auf Einzelgespräche: Claus Lehner, Vorsitzender der GBW-Gruppe, soll zum Einzelgespräch in ihrer Mitte erscheinen.

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SZ vom 29.10.2018/mla
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