Pasing:Die gefällte Eiche wird zum Politikum

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  • In Pasing ist eine alte Eiche gefällt worden, eine Genehmigung dafür lag vor.
  • Bürger protestierten spontan am Mühlerweg, bevor der Baum fiel.
  • Die Grünen verlangen nun von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) Aufschluss über die umstrittene Aktion.

Von Jennifer Sandmeyer, Pasing

Am frühen Montagmorgen lösten 30 empörte Anwohner am Mühlerweg 25 in Pasing Alarm aus: Eine Eiche, spontan auf ein Alter zwischen 200 und 500 Jahren geschätzt, sollte gefällt werden. Die Polizei wurde gerufen, schritt aber nicht gegen die geplante Fällung ein. Für die Eiche, die einem Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage weichen sollte, lag eine Fällgenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde vor. Von 10.30 Uhr an begannen deshalb die Fällarbeiten, Ast um Ast fiel zu Boden. Die Anwohner, die sogar eilends Transparente beschriftet hatten, verließen daraufhin nach und nach die spontan gebildete Kundgebung.

Am Tag nach der Fällung hat die Aufregung das Münchner Rathaus erreicht. Katrin Habenschaden von den Grünen übersandte Oberbürgermeister Dieter Reiter eine Anfrage, in der sie sich nach den näheren Umständen der Fällung und dem Inhalt eines angeblich vorliegenden Gutachtens erkundigt. "Die Fällung dieser ortsbildprägenden Eiche ist nicht nur für die Anwohner eine schmerzlicher Verlust. Ich fordere die Stadtverwaltung auf, konkret zu erklären, warum dieser Baum nicht gerettet werden konnte", formuliert die Oberbürgermeister-Kandidatin relativ scharf.

Vom stolzen Baum blieb nur ein Stumpf: Der Protest der Anwohner konnte die Fällung der alten Eiche nicht verhindern. (Foto: privat)

Damit dürfte sie den Anwohnern aus dem Herzen sprechen. So ist auch eine von Rechtsanwalt Reiner Lang spontan ins Leben gerufene Bürgerinitiative zum Erhalt der Eiche fest davon überzeugt, dass der Grund für die Fällgenehmigung äußerst fragwürdig sei. Die Gerüchteküche brodelt am Montag: Von einem Gutachten der Unteren Naturschutzbehörde ist die Rede, es besage, die Eiche sei krank und dürfe deshalb gefällt werden. Doch Anzeichen einer Krankheit, die gebe es keineswegs, da sind sich die Anwohner sicher. Um Gewissheit zu erlangen, zieht Reiner Lang noch am Montag einen Baumsachverständigen der IHK Oberbayern hinzu. Dieser begutachtet den Baum und stellt keinerlei Anhaltspunkte einer Erkrankung fest.

Kolportiert wird auch, dass die Untere Naturschutzbehörde noch vor einigen Jahren eine Fällgenehmigung abgelehnt haben soll. "War der Baum also wirklich krank? Das bezweifeln wir", bekräftigt Lang. Trotz allen Widerstands: Am Tag nach der Fällung weist nur noch ein Stumpf auf den früher prächtigen Baum hin. Und ein Querschnitt dieses Stumpfs legt tatsächlich nahe, dass die Eiche vermutlich gesund war.

Tatsächlich aber ging es nie um die Frage, ob die Eiche krank gewesen sei. Thorsten Vogel, Sprecher des Planungsreferats, bei dem auch die Untere Naturschutzbehörde angesiedelt ist, reagiert auf die Gerüchte und die SZ-Anfrage: "Das stimmt so nicht, es gibt auch kein entsprechendes Gutachten." Die Untere Naturschutzbehörde habe lediglich in einem anderen Zusammenhang festgestellt, dass der Baum eine abnehmende Vitalität aufweise und deshalb nicht als Naturdenkmal aufgenommen werden könne.

Die Fällung der Eiche sei aus einem anderen Grund genehmigt worden: Der Baum befinde sich in einem Bauraum, daher gelte: Baurecht bricht Baumrecht. Der Bauherr habe einen Anspruch darauf, dass ihm eine Baugenehmigung erteilt werde. Wenn die Stadt ihm dieses Baurecht entziehen würde, wäre sie entschädigungspflichtig, so Vogel. Der Baum sei daher automatisch mit der Baugenehmigung zur Fällung freigegeben gewesen.

Der Antrag zur Fällung der Eiche vor drei Jahren wurde zwar tatsächlich abgelehnt, die Sachlage sei aber eine ganz andere gewesen: Der vorherige Eigentümer bemühte sich um eine Genehmigung, da die Eiche Schatten auf seine Wohnung werfen würde. Das sei allerdings kein ausreichender Fällgrund gewesen.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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