Partyszene in München:K.o.-Tropfen sind eine tückische Gefahr

Getränke an einer Bar, 2009

Ein Ratschlag, der öfter zu hören ist: Die Getränke niemals offen und unbeaufsichtigt stehen zu lassen.

(Foto: Stephan Rumpf)

K.o.-Tropfen, die Frauen wehrlos machen, sind in der Münchner Partyszene weit verbreitet - und von den Opfern kaum rechtzeitig zu entdecken.

Von Sabine Buchwald

Das Thema ist ernst, die Dunkelziffer sicher höher als die gemeldeten Verdachtsfälle. Jedenfalls geht die Polizei davon aus, dass jährlich mehr Menschen in München mit sogenannten K.-o.-Tropfen betäubt werden als 40 bis 50 Personen. Soviel werden seit 2014 jährlich im Stadtgebiet bei den Polizeidienststellen bekannt. Eine Tendenz nach oben gebe es derzeit nicht, erklärt Polizeisprecher Werner Kraus auf Nachfrage. K.-o.-Tropfen aber sind ein großes Thema im Münchner Nachtleben - in Clubs, auf Studentenpartys, auf der Wiesn, beim Fasching - immer dann und überall dort, wo gefeiert wird.

Als "K.-o.-Tropfen" bezeichnet man Substanzen, die eine narkotisierende Wirkung haben und verabreicht werden, um jemanden wehrlos zu machen. Anders aber als in einem Boxkampf, in dem es auch um "Knock-out" geht, haben die Betroffenen keine Chance sich zur Wehr zu setzen. Denn die Präparate werden heimlich vornehmlich in Drinks gemischt. Das Phänomen betrifft vor allem Frauen, die betäubt, zu gefügigen Opfern für Sexualdelikte werden. Nicht selten können sie sich danach an nichts erinnern. Was bleibt, wenn die Wirkung nachlässt, sind Verletzungen an Körper und Seele. Und Scham.

"Man könnte grundsätzlich alle Jungs am Eingang eines Clubs durchsuchen", meint Claudia Mayr, Mitarbeiterin von Kofra, des Kommunikationszentrums für Frauen in der Baaderstraße. Dort hat man vor Kurzem eine Aktionsgruppe zum Thema K.-o.-Tropfen gegründet. Bei den Münchner Aktionswochen gegen Gewalt an Frauen, Mädchen und Jungen machen die Aktivistinnen diese Art von Angriffen auf Frauen auch zum Thema. Die regelmäßigen Treffen (das nächste ist am Montag, 18. November, 19 Uhr) stehen allen Frauen offen. Im Augenblick sei man daran, so Mayr, Informationen zu dem Thema zu sammeln.

Im Umlauf sind vielfältige Substanzen. Mindestens von 100 verschiedenen weiß man in der Szene. Manche lassen sich leicht und straffrei im Internet bestellen. Doch es gehört eine Menge krimineller Energie dazu, um etwa ein Lösungsmittel, mit dem man Farben entfernen kann, in einen Cocktail zu träufeln.

Die Polizei klärt mittlerweile Mitarbeiter in Gastronomiebetrieben mit Infoblättern über das Thema auf. Die Symptome der Opfer würden in den wenigsten Fällen richtig gedeutet. Wer nicht mehr richtig stehen und gehen kann, dem wird meistens unterstellt, zu tief ins Glas geschaut zu haben. Die Betroffenen aber versichern häufig, eben gerade nicht viel Alkohol oder Drogen konsumiert zu haben. Das Perfide an K.-o.-Tropfen: Manche Substanzen kann man schon nach wenigen Stunden nicht mehr im Körper nachweisen. Deshalb raten Polizei und Institutionen vor allem eins: Ein Getränk nie unbeaufsichtigt stehen lassen. Außerdem: aufmerksam zu sein.

Dass es Test-Armbänder in Drogeriemärkten zu kaufen gibt, ist ein weiteres Indiz dafür, wie groß die Gefahr ist. Die Papierstreifen reagieren allerdings nur auf einen Stoff, GHB (Gamma Hydroxybuttersäure), und sie sind oft teuer.

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