„Tour de France“-Party-Veranstalter Thomas Bohnet„Alle haben damit zu kämpfen, dass die Leute weniger ausgehen“

Lesezeit: 6 Min.

Veranstalter, Journalist und DJ Thomas Bohnet lebt seit 1998 in München. Besonders liebt er französische Musik.
Veranstalter, Journalist und DJ Thomas Bohnet lebt seit 1998 in München. Besonders liebt er französische Musik. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Thomas Bohnet über seine stilbildenden „Tour de France“-Party-Abende, deren 25-jähriges Bestehen er jetzt feiern kann – in einer schwierigen Zeit für Veranstalter. Was macht der Münchner richtig?

Interview von Oliver Hochkeppel

Die 20-Jahr-Feier fiel noch wegen Corona aus. Jetzt, zu 25 Jahren „Tour de France“, wird die älteste regelmäßige „Franzosendisko“ Deutschlands groß gefeiert: am Freitag, 12. September, in der Muffathalle. Als Live-Acts sind die in München bestens bekannten Les Yeux d’la Tête und als München-Premiere die Jagas eingeladen. Anschließend legt neben Christian Berst natürlich der Gründer und bis heute Kopf des Ganzen auf: Thomas Bohnet.

SZ: Herr Bohnet, 25 Jahre „Tour de France“ – was hat sich geändert, was ist gleich geblieben?

Thomas Bohnet: Oh, eine gute Frage. Also, die Besucherzahlen sind insgesamt natürlich nicht mehr die, die es früher mal waren, das ist klar …

Warum ist das klar? Es hätte sich ja bis heute steigern können?

Gut, es hat sich ja lange gesteigert. Die Hoch-Zeit, das waren so die Jahre zwischen 2005 und 2012, danach ging es runter, aus den verschiedensten Gründen. Aber es hat sich auf einem ordentlichen Niveau eingependelt, sonst würde ich es ja nicht mehr machen. Und es sind auch wieder Junge dazugekommen. Das hat auch damit zu tun, dass wir jetzt in der Milla sind, die ein deutlich jüngeres Publikum hat. Dafür kommen allerdings viele der Alten nicht mehr, weil ich dort erst um 23 Uhr anfangen kann. Meist ist ja vorher noch ein Konzert.

Ist nicht generell das In-die-Disco-Gehen, die Party im Club etwas aus der Mode gekommen?

Genau. Das sagen auch die Kollegen, die andere Partys machen. Alle haben damit zu kämpfen, dass die Leute weniger ausgehen.

Vermutlich ist das auch eine Corona-Folge?

Bestimmt. Wir haben da einige an die Bildschirme verloren. Übertrieben gesagt, haben wir eine Netflix-Generation, meist etwas älter, die kriegst du nicht mehr von der Couch runter. Und dann feiern zwar viele junge Leute noch, aber die machen die Party zu Hause oder gehen, nicht zuletzt auch aus Kostengründen, an die Isar. Das verstehe ich auch.

Die Band „Jagas“ wird beim „Tour de France“-Jubiläum Stimmung in die Muffathalle bringen.
Die Band „Jagas“ wird beim „Tour de France“-Jubiläum Stimmung in die Muffathalle bringen. (Foto: Thomas Libersa)

Hat sich nicht auch das Verhältnis zur Musik verändert? Wer von den Jungen hat denn noch Lieblingsbands wie früher, es ist doch alles in und neben der Musik ständig verfügbar.

Ja, insgesamt hat der Stellenwert in der Jugendkultur sicher nachgelassen. Aber es gibt schon noch die Szenen, ob nun Hip-Hop oder Elektro. In den Nischen funktioniert es nach wie vor, auch in meiner.

Hat sich Ihr Publikum verändert? 

Grundsätzlich ist die Zusammensetzung gleich geblieben: Es sind zur Hälfte Franzosen, zur Hälfte Deutsche. Es sind immer noch mehr Frauen als Männer – übrigens in jeder Stadt, in der ich die „Tour de France“ noch gemacht habe, egal ob Berlin, Amsterdam oder Zürich. Nur vom Alter her, da ist es deutlich gemischter als zu Anfang. Das ist das Schöne: Ich habe die „Alten“ meiner Generation, 50 oder 60 aufwärts, die teilweise schon ihre Kinder mitbringen. Und dann eben Nachgewachsene. Meine Frau wundert sich immer, wie textsicher die 20-Jährigen da sind, auch bei uralten Sachen wie „Voyage, Voyage“.

Und bei der Musik: Legen Sie dieselbe Mischung wie früher auf oder haben Sie sich stilistisch verändert?

Da habe ich auch nicht viel verändert. Denn die Spezialität der Reihe ist, dass sie alle möglichen Richtungen der frankofonen Pop-Szene abdeckt. Da mische ich alles mal unter. Ich würde also nie eine Dreiviertelstunde am Stück Hip-Hop auflegen. Drei, vier Stücke, dann wechsle ich den Stil. Und dann wollen die Leute natürlich vor allem die Hits hören. Wenn ich bestimmte Stücke wie „Je Veux“ von Zaz nicht spielen würde, würden die Leute nachfragen und sie sich wünschen. Aber auch da schmuggle ich vorsichtig Unbekanntes und Neues dazwischen.

Wie sind Sie denn überhaupt zur französischen Musik gekommen? Trotz der damals noch berüchtigten Sprachbarriere.

Ja, die gab es bei mir auch. Ich bin im Schwarzwald aufgewachsen, hatte aber in der Schule kein Französisch. In die französische Musik – genau wie in die Sprache – eingetaucht bin ich erst in Konstanz, wohin ich 1980 zum Studium gegangen bin. Im Schweizer Radio lief sehr viel französische Musik, und ich ging dann vor allem in Zürich auch auf viele entsprechende Konzerte. Das war der Einstieg. Ab da habe ich dann auch viel über französische Acts geschrieben, meist zusammen mit meiner späteren Frau, die für mich übersetzt hat. Ich war zum Beispiel schon 1988 der erste Journalist aus Deutschland, der ein Interview mit Khaled gemacht hat, der dann viel später mit „Aisha“ auch bei uns ein Star wurde.

Da waren Sie damals bevorzugt. In Bayern hat man zu der Zeit noch nicht viel von der französischen Szene mitbekommen.

Ja, inzwischen ist die Verfügbarkeit natürlich besser. Und es gibt immer wieder mal kleine Hits, so wie zuletzt Zaho de Sagozan, oder zuvor Zaz. Oder Maître Gims, den ich schon aufgelegt habe, bevor ihn hier jemand kannte. Meine Partygänger sind auch interessiert. Ich sehe oft, dass sie Shazam aufrufen, wenn ich etwas spiele, was man noch nicht so kennt. Oder sie fragen mich dann, denn ich spiele mitunter auch Sachen, die man da nicht findet.

Wie halten Sie sich da auf dem Laufenden? Was sind Ihre Quellen für die französische Musikszene?

Also, ich habe Les Inrockuptibles abonniert, die führende französische Kulturzeitschrift, speziell für Musik. Ebenso die Newsletter verschiedener französischer Plattenfirmen. Ich habe direkten Kontakt zu einigen Musikern, meist noch aus der Zeit, als wir die „LeTour“-CD-Kompilationen gemacht haben, die schicken mir dann auch neues Material. Ich lese Libération, die französische Tageszeitung mit dem besten Musikteil. Und dann kommt es inzwischen auch vor, dass mir Leute Tipps mailen, über meinen Newsletter, in dem ich für 3000 Abonnenten einmal im Monat zusammenstelle, was an französischer Musik in Deutschland läuft.

Sie haben die CD-Kompilationen erwähnt. Die haben seinerzeit Aufsehen erregt und Ihnen auch in Frankreich viele Meriten eingetragen. Die gibt es nicht mehr?

Schon lange nicht mehr. Nummer 8 war 2016 die letzte. Es ist schade, aber die Leute kaufen ja keine CDs mehr. Genauso wie mein „Tour de France“-Ableger in Berlin irgendwann nicht mehr so gut lief, dass sich der Aufwand gelohnt hätte.

„Les Yeux d ’ la Tête“ treten immer wieder bei der Reihe auf, so auch beim Jubiläumskonzert.
„Les Yeux dla Tête“ treten immer wieder bei der Reihe auf, so auch beim Jubiläumskonzert. (Foto: Hamza Djenat)

Das wäre jetzt wohl der Punkt nachzufragen, wie die „Tour de France“ überhaupt entstanden ist. Ist im Prinzip nicht Ihre Frau schuld, weil Sie wegen ihr nach München gezogen sind?

Das stimmt. Karin hatte nach Stationen in Paris und Köln ja einen guten Job in München bekommen und hat mir nach fünf Jahren Fernbeziehung die Pistole auf die Brust gesetzt. Also bin ich 1998 nach München gegangen. Das war schon ein Sprung ins Ungewisse. Ich hatte mir in Konstanz eine gewisse Stellung erarbeitet, als Journalist, DJ und Veranstalter.  Zunächst habe ich deshalb die Wohnung in Konstanz noch behalten, falls es in München nicht geklappt hätte. Aber mit meinem Job bei einem großen Münchner Veranstalter hat sich das dann erledigt.

Als DJ haben Sie aber hier zunächst nicht gearbeitet?

Nein, auf einen 40-jährigen Provinz-DJ vom Bodensee hat hier niemand gewartet. Mein Freund, der leider inzwischen verstorbene DJ und Musiker Bernd Hartwich, hat mich 1999 auf eine Firmenveranstaltung mitgenommen, wo er nicht die ganze Nacht allein auflegen wollte. Und danach einmal in die Egon-Bar. Da habe ich wieder Feuer gefangen. In meiner Stammkneipe „Club Zwei“ habe ich die Betreiber Tobi und Ivi gefragt, ob ich nicht bei ihnen auflegen könne. Dazu hatte ich mir natürlich überlegt, was ich machen kann, und war schnell auf die französische Musik gekommen, zu der es in München damals überhaupt noch nichts gab. Ich hatte so etwas Ähnliches in Konstanz schon gemacht. Dank einer französischen Freundin und ihrer Kontakte waren beim ersten Mal im März 2000 tatsächlich schon Leute da. Das hat sich dann rumgesprochen, ich konnte meine Pressekontakte nutzen, ich bekam einen festen Monatstermin, und es wurde größer und größer. Irgendwann brauchten wir sogar einen Türsteher, so voll war es. Bis der Laden – in dem früher ja die alte Unterfahrt gewesen war – dichtmachen musste.

Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt, mit den Stationen Muffathalle-Café, Ampere und Milla. Zur Jubiläumsfeier in der Muffathalle gibt es wieder Live-Bands. Waren Les Yeux dla Tête als seit Jahren präsenteste französische Band in München gesetzt?

Ja, die kennen und mögen die meisten meiner „Tour de France“-Gänger. Und die sind auch toll und immer noch besser geworden. Das ist der bekannte Teil. Und dann kommen noch die Jagas, eine großartige Rock-Chanson-Band aus Paris, die man hier noch nicht so kennt. Sie haben aber einen besonderen München-Bezug: Mit „Dis Non!“, ihrer französischen Coverversion von „Sage Nein!“, für die Konstantin Wecker selbst sein „Okay“ gegeben hat. Das wird ein famoses Doppelkonzert, das den Boden bereitet, damit mein französischer DJ-Kollege Christian Berst und ich dann bis in den Morgen hinein Party machen können.

25 Jahre „Tour de France“, Freitag, 12. September, 20 Uhr, München, muffatwerk.de

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Der Kabarettist und „Orienthelfer“ Christian Springer
:Ein Foto als Mahnung zur Hoffnung

Warum ein unscheinbares Jugend-Bild seines Vaters und Onkels für Christian Springer eine ganz besondere Bedeutung hat.

Von Oliver Hochkeppel

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: