München:Party in der City

Bei der Bürgerversammlung für Altstadt-Lehel stehen Themen wie nächtliches Feiern, Falschparken und nervende Straßenmusik im Vordergrund

Von Julian Raff

Dass im Herzen der Stadt nicht nur besichtigt, flaniert, eingekauft, gezecht, regiert und demonstriert, sondern auch ganz normal gewohnt wird, kann die Politik schon mal übersehen. Schließlich wohnt wohl kaum jemand aus dem Stadtrat in Laufweite zum Rathaus. Zumindest musste SPD-Fraktionschef Alexander Reissl als Leiter der Bürgerversammlung für die Altstadt und das Lehel erst einmal passen, als er nach dort ansässigen Kollegen gefragt wurde. Die Gelegenheit, trotzdem ihre Belange zu besprechen und über 28 Anträge abzustimmen, nutzten gut 140 der insgesamt 21 000 Bewohner. Auf verzweifelt umherkurvende Parkplatzsucher, Falschparker, Kampfradler, Touristenmassen und nächtliche Partyzonen reagieren die Zentral-Münchner dabei im Ton relativ gelassen - vielleicht, weil sie seit Jahren konstant stressige Zustände gewohnt sind.

Straßenmusiker in München

Die Bürger in Münchens kleinstem Stadtbezirk hätten gerne ihre Ruhe. Unter anderem soll das Musizieren auf der Straße begrenzt werden.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Polizeistatistik für 2018 weist laut Peter Hartwich, Leiter der Polizeiinspektion Altstadt (PI 11) keine messbare Verschlechterung aus, auch die Zahl der "Rohheitsdelikte" wie Körperverletzung oder Raub habe sich nach einem vorangegangenen Anstieg wieder eingependelt.

Von einer deutlichen Verrohung im Lehel berichtete dagegen ein Nachbar des südlichen Englischen Gartens. Im Bereich zwischen dem Südausgang und der U-Bahn-Station Lehel, rund um Wagmüllerstraße und St.-Anna-Platz, gehe es zunehmend "ballermannartig" zu. Beschallung aus portablen Lautsprechern, "wildes Urinieren und Defäkieren", Herumtrampeln auf Autodächern und Schlägereien gehörten an lauen Sommerabenden zum Verhaltensrepertoire des Partyvolks. Der Antrag auf Gegenmaßnahmen in Zusammenarbeit von Polizei, städtischen Konfliktmanagern und der für den Park zuständigen Schlösser- und Seenverwaltung erhielt fast einstimmige Unterstützung.

Bar "Von Miller" in München, 2017

Das Feiern in der Nacht soll eingegrenzt werden.

(Foto: Florian Peljak)

Nicht nur wildes Feiern, sondern auch organisierte Events könnten den Altstadtbewohnern ihre Rest-Ruhe rauben, falls neu gewonnene Flächen verstärkt kommerziell "bespielt" würden, warnte ein Nachbar der Schrannenhalle aus der Prälat-Zistl-Straße. Der missglückte Versuch, die Schranne als Konzert-Location zu nutzen, steckt nicht nur ihm in den Knochen. Andere Anwohner hätten seinerzeit sogar ihre Kinder in die Badewanne zum Schlafen gebettet, da nur fensterlose Räume Zuflucht geboten hätten. Entsprechend breite Unterstützung fand der Antrag, die Ausbreitung von Partymeilen auf künftig verkehrsberuhigten Flächen zu stoppen oder das Problem wenigstens öffentlich zu diskutieren.

3. Radl-Aktionstage in München, 2013

Die Anwohner fordern Nummernschilder für Lastenräder.

(Foto: Veronika Laber)

Konkreter wurde ein von musikalischen Endlosschleifen entnervter Antragsteller, der mit breiter Unterstützung Nummernschilder für Straßenmusiker forderte, mit Angaben über den Geltungsbereich der Spielgenehmigung. Etwas mehr Rücksicht und Regulierung könnte sich insgesamt auch Stefan Blum (CSU) vorstellen, der im Bezirksausschuss Altstadt-Lehel den Unterausschuss für Gastronomie leitet. Die generelle Streichung der Sperrstunde und Öffnung von Freischankflächen bis 24 Uhr sieht Blum, so provinziell es auch früher zugegangen sei, schon als "extreme Haltung der Stadt, die der Korrektur bedarf".

Verstärkt diskutieren Bürger und Bezirksausschuss über die Nutzung des Straßenraums, seit OB und Stadtrat diesen (fast) autofrei bekommen wollen. Generell meist einverstanden, mahnen die Altstädter ein Anwohnerforum (von der Stadt bereits zugesagt) sowie Neues an: Ein "Logistikzentrum" fürs Hackenviertel soll Parkplätze für Paketdienste und Handwerker im Bereich Oberanger/ Hermann-Sack-Straße bündeln. Gewerbliche Lastenräder, Werbe-Bikes und andere kommerziell genutzte Räder sollen laut Antrag Nummernschilder haben, um Parkverstöße anzeigen zu können. Unterdessen machen sich auch die Alternativen zum Privat-Pkw mancherorts breiter als gewünscht. Zu viele Parklizenzen fürs Carsharing im südlichen Lehel stören ebenso wie sperrige Fahrradständer an der Mariannenbrücke. Die Versammlung forderte mit großer Mehrheit eine Verlegung. Der Marienplatz allerdings, so Reissl, muss frei bleiben - für Großveranstaltungen wie Christkindlmarkt, Demos oder die Meisterfeier des FC Bayern.

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