Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Von wegen Flair

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Die Parkstadt bietet den Anwohnern keine lebenswerte Grünfläche. Das Quartier wirkt künstlich und unbelebt. Die Torhaus-Akteure wollen das ändern

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Dieses Quartier mag zwar "Parkstadt" Schwabing heißen, doch städtisches Flair gibt es dort kaum, ebenso wenig ist die durchaus vorhandene Parkanlage geeignet, als lebenswerte urbane Grünfläche zu gelten. "Central Park" wurde dieser Landschaftspark in dem Stadtteil nördlich des Mittleren Rings einst getauft. Mit seiner strengen Gliederung war diese Anlage architektonisch ein ambitioniertes Konzept, als grüne Achse mit kubusartigen Pavillon-Gerüsten zwischen den linear konstruierten Firmenkomplexen - doch konnte das nie mit Leben gefüllt werden. Der Park wirkt künstlich und unbelebt, öde. Stadtteilbewohner nutzen ihn kaum, allenfalls verbringen manche Büromitarbeiter dort ihre Mittagspause.

Es ist ein großes Ärgernis für die Bevölkerung und auch für den Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann, der sich seit vielen Jahren um eine Umgestaltung bemüht. Jetzt hat eine Vereinigung von Künstlern die Initiative ergriffen und Ideen entwickelt, wie Leben einkehren könnte in den "Central Park", ein "bürgerschaftliches Projekt", wie es Tuncay Acar zuletzt in der BA-Sitzung nannte.

Der Kulturveranstalter und Gastronom zählt zu den Protagonisten im Münchner Künstler-Netzwerk Torhaus, das sich für die Parkstadt das Projekt "Trafopark" ausgedacht hat. Mit von der Partie ist auch der Architekt Hajo Bahner, der zuletzt, mit anderen Akteuren, mit der Jost-Hurler-Gruppe über eine künstlerische Bespielung von deren Neubauquartier Schwabinger Tor verhandelte. Daraus wurde jedoch nichts - so fiel der Blick des Künstler-Vereins auf den menschenleeren, 650 Meter langen und 40 Meter breiten Park nur zehn Gehminuten weiter nördlich. Ihnen ist die sterile Anmutung aufgefallen, zudem die acht Pavillon-Würfel aus Stahlstreben "Es bietet sich an diesem Ort die einmalige Gelegenheit, durch gezielte bauliche Erweiterungen, gestalterische Optimierungen und Bespielung ein gesellschaftliches und kulturelles ,Experiment' zu wagen", heißt es im Dossier zum "Trafopark"-Konzept.

Die Pavillons waren von dem Park-Architekten Rainer Schmidt als eine Art Platzhalter für soziale und kulturelle Nutzungen gedacht gewesen. Doch die Würfel-Gestelle, die im Abstand von 50 Metern aufgebaut sind, wurden dafür nie benutzt. Die Torhaus-Akteure wollen nun eben diesen Ursprungsgedanken in die Tat umsetzen - und in einer ersten Phase zunächst zwei Kuben zu Kunst- und Kulturorten umbauen. Der am Südende platzierte Würfel soll gemäß den Entwürfen mit einem transparenten Gewebe bespannt und in zwei Geschosse geteilt werden. Unten ist eine Gastronomie vorgesehen, oben ein modularer Raum für alle möglichen Veranstaltungen, von Tanzabenden über Filmvorführungen bis zu Ausstellungen. Den nördlichst gelegenen Würfel - er ist immerhin mit Hopfen bepflanzt - stellt sich der Künstler-Verbund als "Weingarten" vor, analog zu einem Biergarten, bestückt auch mit Außenbestuhlung.

Sukzessive sollen in Etappen die Verwandlung der anderen Kuben folgen, in Absprache und nach den Wünschen der örtlichen Bevölkerung, wie der Bildhauer Tilmann Krumrey betont, einer der Sprecher des "Trafopark"-Projekts. Das Befüllen der leeren Kuben ist aber nur der Anfang, folgen soll dann eine regelrechte Metamorphose des Parks zu einem "Mini-Naherholungsgebiet", wie es Krumrey nennt: Angedacht ist ein Bachlauf, der den ganzen Park durchzieht, gespeist aus einem Brunnen und womöglich gesäumt von vielfältigen Geländeelementen, auch ein Labyrinth aus Pflanzen steht als Vorschlag in der Projektbeschreibung, dazu Tore und Sitzgelegenheiten, Portale und "Binnen-Räume" innerhalb der Park-Topografie.

Das alles ist bisher nur eine grobe Ideenskizze, die von den lokalen Politikern durchaus wohlwollend, aber doch zurückhaltend aufgenommen wurde. Grundsätzlich befürworte sie eine Belebung des Parks, merkte Petra Piloty (SPD) an, sah es aber, ebenso wie Dorothea Wiepcke (CSU), als geboten an, den Park-Architekten Schmidt sowie Helmut Röschinger, Chef der Immobilienfirma Argenta, dem größten Grundstückseigentümer in der Parkstadt, mit einzubeziehen. Werner Lederer-Piloty (SPD) drückte zwar seine Unterstützung aus, warnte aber vor einer "reinen Kunst- und Partynutzung". Die Anwohner bräuchten vor allem etwas Familienfreundliches in dieser Anlage. Seit Jahren schon will der BA mit den Bewohnern einen Workshop zur Umgestaltung des Parks abhalten und fordert einen solchen immer wieder von der Stadtverwaltung, bisher vergeblich. Zuletzt sollte im Frühjahr zumindest ein Ortstermin stattfinden, bei dem auch die Workshop-Planung hätte besprochen werden sollen, wie das Baureferat mitteilt. Dieser sei aber wegen Corona abgesagt worden. "Der Workshop wäre jedoch maßgebliche Grundlage für die Entwicklung einer Konzeption zur Verbesserung der Situation", sagt eine Sprecherin des Baureferats.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2020
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