Null Acht Neun:Münchens Probleme: Alle gelöst!

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Spannweite 150 Meter, Länge 125 Meter, 20 000 Quadratmeter Fläche - das sind die eindrucksvollen Maße der denkmalgeschützten Paketposthalle. (Foto: Stephan Rumpf)

In der gigantischen Paketposthalle tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf. Es ist Platz für das Konzerthaus, die Stammstrecke, Windräder und vielleicht ja auch noch für eine kleine Steueroase.

Glosse von Ulrike Heidenreich

Es ist schon praktisch, in unserer kleinen Stadt eine sehr große, ja, gigantische Halle zu haben, in der man ganz viel verstauen kann. Probleme, Träume, Streitereien - alles schnell unter das allüberspannende Betongewölbe, damit München schön aufgeräumt scheint. Die Paketposthalle, eine markante Konstruktion neben der Friedenheimer Brücke, ist bisher eher als Problemhalle auffällig geworden - zumindest für jene Menschen, die ein Problem mit hohen Häusern haben, weil sie ihr Millionendorf behalten möchten. Denn die denkmalgeschützte Halle hat ein Investor gekauft, der zwei Mini-Wolkenkratzer daneben bauen möchte, damit sich der Betrieb irgendwie lohnt. Problemhalle aber auch, weil sie bald leer stehen wird - und was tut man dann da bloß hinein?

Spannweite 150 Meter, Länge 125 Meter - das lässt Raum für vieles. Um diese 20 000-Quadratmeter-Halle irgendwie fassbar zu machen, werden allerlei Vergleiche herangezogen: Zwei Fußballfelder sei sie groß, oder auch 30 Tennisfelder. Man müsste nur mal ausrechnen, wie viele Schanigärten, Lastenfahrradparkplätze oder Oktoberfeste da hineinpassen. Das wäre volksnäher, schließlich steht ein Publikumsvoting an für eine "pulsierende, oszillierende, schwingende" Nutzung (O-Ton Stadtbaurätin) der "gigantisch, titanisch, ja wunderbaren" Halle (O-Ton SZ-Architekturkritiker).

"Gigantisch, titanisch, ja wunderbar" - die ehemalige Paketposthalle mit ihrer schwungvollen Bogenkonstruktion wurde in den Jahren 1965 bis 1969 gebaut . (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Vorhaben sollte man trotz dieser dithyrambischen Töne nüchtern angehen und Probleme der kommenden Dekaden auf einen Schlag beziehungsweise unter einem Dach lösen: Wenn schon die Staatsoper dort 2030 einziehen soll, weil ihr Gebäude generalsaniert werden muss, darf das Residenztheater gleich mit. Dessen Gemäuer ist so marode, dass Intendant Andreas Beck sich nicht mehr traut, einen Nagel einzuschlagen. Einen Stock drunter dürfte er hämmern so viel er wollte und niemand würde es hören. Wenn der Investor schon nicht hoch bauen darf, könnte er doch richtig tief gehen.

Ein Konzerthaus passt auch noch drunter, dann ist endlich Schluss mit dieser Denkpause. Und ja, vielleicht ist dann unter dem Betondach, also unter der Oper, unter dem Resi und unter dem Konzerthaus, im Erdreich, noch Platz für eine kleine Gewerbesteueroase, dann müsste der Investor nicht mehr mit der Aktentasche aus Neuhausen nach Grünwald reisen. Anzapfen lässt sich in der Tiefe auch die Geothermie, oben aufs Hallendach passen Windräder, schließlich laufen dort keine norwegischen Rentiere herum - das Imageproblem der Stadtwerke und die Energieprobleme einer Großstadt hätten sich erledigt.

Was noch verräumt werden muss, damit endlich Frieden ist: die grünen und die roten Radwege - neben 15 Bahngleisen, die in die Halle führen, fallen die wirklich niemandem auf. Und die Stammstrecke natürlich, die dockt am besten auch hier an. Ziemlich viele Wohnungen müssten noch auf die 30 Tennisfelder, weil die Mieten gerade wieder so gestiegen sind. Dann baut man noch ein schönes kleines Rathaus unter das Gewölbe, damit der Mann, der nicht damit aufhören möchte, Stadtoberhaupt zu sein, dort auf ewig weiterregieren kann.

"Alle für die Halle" ist als Motto für die Paketposthalle viel zu bescheiden, es muss die Halle für alles werden.

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