Türme an der Friedenheimer Brücke:Satz mit x? Das wird nix

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Die Architekten haben ihre zuvor elegant taillierten Türme dem Diskurs angepasst - gut so. Doch das Ensemble sieht nun aus, als wohnten darin Katzenliebhaber.

Kommentar von Gerhard Matzig

Schön, denkt man beim Anblick der Türme, die neben der Paketposthalle entstehen sollen - schön, dass noch mal jemand an "Ixi" erinnert. Auch wenn Ixi, die eigentlich Gaby Christensen heißt, aus Elmshorn kommt. 1983 wurde die Popsängerin mit dem One-Hit-Wonder "Der Knutschfleck" bekannt. Das Nonsens-Lied war 16 Wochen in den Charts.

Wäre die Haltbarkeitsdauer von Häusern und Stadträumen ähnlich limitiert wie die von Pop-Moden: Die Nonsens-Idee der Schrägaufzüge, die nun vorgestellt wurde, könnte man fast weglachen. Aber Häuser prägen für lange Zeit ihr Umfeld. Dass die demonstrativ vor den Fassaden angeordneten Aufzüge dem Gebilde nun in gewissen Ansichten zum M-Label verhelfen, wie der Investor meint (M wie München): kann ja sein. Mit etwas Fantasie könnte man den Gag aber auch missverstehen als Pop-Hommage. Himmelhoch ragen die "I"s der Turm-Volumina auf, ein Hauch von "x" dazwischen: I-X-I. Satz mit x? Das wird nix. Möchte man nun ewig darüber rätseln, was die redselig gewordene Architektur sagen will?

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Die Architekten aus Basel haben ihre zuvor elegant taillierten, suggestiv die grandiose Bogenkonstruktion der Paketposthalle zitierenden Türme dem Diskurs angepasst. Weiterentwicklung und Korrektur, Verfeinerung und Optimierung: Das gehört zum Wesen eines Entwurfs. Zumal in partizipatorischen Zeiten. Der Investor kommt den Kritikern des Projekts entgegen. Gut so.

Zwar wird man die Altstadtfreunde niemals überzeugen können, den Blick über 22 Meter hinaus (Hochhausgrenze) zu erheben. Aber es ist dennoch richtig, die selbstverständlich weithin sichtbaren Türme als vertikale Städte zu organisieren: mit einem Mix der Funktionen, realistisch strukturierten Fassaden und öffentlichen Zonen unten und oben. Das alles spricht für das Projekt. Doch das Ensemble aus Türmen und sensationsheischenden Aufzügen sieht nun aus, als wohnten darin Katzenliebhaber, die ihren Freigängern Leiterstege aus dem Baumarktfundus zusammengeschraubt haben. Auch an die Förderbänder alter Steinkohlebergwerke fühlt man sich erinnert. Oder an diverse Spaßbad-Silhouetten.

Stadträumlich ist es richtig, wenn die Münchner Selbstverzwergung endlich ein ansehnliches Ende findet. Aber ansehnlich ist der überarbeitete Entwurf nicht. Nicht mehr.

© SZ vom 09.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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