Süddeutsche Zeitung

Geplante Hochhäuser an der Paketposthalle:Umtoste Himmelskörper

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Bei einem digitalen Austausch mit Bürgern verteidigt der Investor seine Hochhaus-Pläne an der Paketposthalle. Es geht um Betongold und Geld, die Grenze zur Polemik - und Staus vor der Tiefgarage.

Von René Hofmann

Es gibt Reizworte, auf die Ralf Büschl zuverlässig reagiert. Einige davon fallen auch an diesem Abend, "Betongold" zum Beispiel. Büschl will neben der ehemaligen Paketposthalle an der Arnulfstraße zwei mehr als 150 Meter hohe Häuser wachsen lassen. Weil die Idee nicht jedem gefällt, hat die Stadt ein Bürgergutachten initiiert. Dieses ist an diesem Donnerstag gestartet, mit einem digitalen Austausch, bei dem jeder Fragen und Kommentare zu dem Projekt einspeisen konnte, auch anonym. "Neuhauser Betongold-Mine": Der Begriff tauchte recht früh im Chat auf, was Büschl, 64, nicht unkommentiert lassen wollte. "Betongold hat nichts mit Höhe zu tun. Betongold könnte auch in einem achtgeschossigen Gebäude erwirtschaftet werden. Das ist alles nur ganz simple Polemik, das hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun."

Meinung oder schon Angriff? Sachlicher Einwand oder überzogene Kritik? Die Grundstimmung zeigte, wie emotional die Hochhausdebatte geführt wird - auf beiden Seiten. Fundamentalkritiker und Befürworter stehen sich unversöhnlich gegenüber. Es kann ja auch gar nicht anders sein, denn letztlich gibt es auf die Frage, ob München an dieser Stelle noch stärker in die Höhe wachsen soll, nur zwei mögliche Antworten: Ja oder nein. Ein Kompromiss ist ausgeschlossen, womit dem aktuell spannendsten Architekturprojekt der Stadt Grundsatzcharakter zukommt: Wie nahe Büschl dem Himmel kommen darf, könnte generell klären, wie hoch hinaus München künftig strebt.

Hochhaus oder nichts - warum es in diesem Fall auf diese Zuspitzung hinausläuft, wurde noch einmal erklärt. Zum einen von Büschl, der ausführte: "Man sieht immer wieder die Aussage: ,Die Hochhäuser macht der Investor doch nur aus wirtschaftlichen Gründen.' Wenn es wirtschaftliche Gründe wären, dann würden wir ganz sicher keine Hochhäuser machen. Hochhäuser sind viel teurer als niedrige Gebäude. Nein, der Investor macht das, weil er es als städtebaulich richtig empfindet, für den Ort und für die Stadt."

Zum anderen von den Gesandten des Architekturbüros Herzog & de Meuron, die eine Beispielrechnung vorlegten: Erlaubt und angestrebt wird in dem Gebiet künftig eine Wohndichte wie in der Maxvorstadt, in Schwabing oder in Sendling. 20 000 Quadratmeter nimmt aber allein die unter Denkmalschutz stehende Paketposthalle ein, die als frei bespielbarer Raum öffentlich zugänglich bleiben soll. Damit die Rechnung aufgeht, muss deshalb aus Sicht der Architekten neben einigen sechsstöckigen Wohnriegeln noch Höheres entstehen. Acht 60-Meter-hohe Gebäude etwa - oder ein Turm mit 250 Metern Höhe.

Die erste Variante hätte dem Areal kaum Charakter verliehen, die zweite alle in München vorstellbaren Dimensionen gesprengt: So kam es zu der nun vorliegenden Variante von zwei gut 150 Meter hohen Türmen, an die sich - nach einer Überarbeitung - jetzt jeweils ein außen schräg geführter Aufzug anlehnt, der in die obersten Stockwerke führt, die so auch für Nicht-Bewohner zugänglich sein sollen. Den einen Turm soll ein Biergarten krönen, seinen Zwilling ein noch nicht näher definiertes "Stadtlabor".

Die Ästhetik der geplanten Gebäude war in der Runde am Donnerstag kein Thema. Es ging um Grundsätzliches - und um Details. Ob er der Öffentlichkeit nicht vielleicht verraten wolle, wie viel er der Post für das Grundstück bezahlt habe, wurde Büschl gefragt. Wollte er nicht. "Das sind Betriebsgeheimnisse. (...) Es ist auch meiner Meinung nach völlig irrelevant für dieses gesamte Verfahren. Relevant ist: Was soll dort entstehen? Ist das gut für die Stadt? Ist das etwas, was die Menschen weiterbringt, was die Stadt weiterbringt, was den Bezirk weiterbringt?"

An vermeintlich Weiterbringendem sind aktuell geplant: Die Heimstatt einer fixen Kulturinstitution im Untergeschoss der einstigen Paketposthalle; Konzertsaal inklusive. In der riesigen Halle selbst soll es verschiedene Zonen geben, in denen verschiedene Nutzungen möglich sind. Als Stichworte fielen: "Wochenmarkt, Blumenschau, Musikfestival, Kunstmesse, Kino." Aber auch: "Snowboard, BMX, Volleyball, Eisbahn." Nachfragen zur Lärmlast für die Anwohner und der Vortrag einer Verkehrsplanerin ließen erahnen, in welchen Dimensionen sich diese Veranstaltungen bewegen könnten.

Bis zu 10 000 Besucher soll das Areal aufnehmen können, ohne dass auf den Wegen Gedränge entsteht oder sich vor den Einfahrten zu den Tiefgaragen Staus bilden. Und im Normalbetrieb sei vom Treiben in der Halle natürlich nichts zu vernehmen, aber "ein-, zwei-, dreimal im Jahr" könne es schon lauter werden, so die Architekten, die glauben, die Halle, in der lange Briefe sortiert wurden, könnte durchaus zu einer "Destination von nationalem Rang" aufsteigen.

In den beiden Türmen sind ab 50 Meter Höhe Wohnungen geplant. Auch solche, die den Vorgaben der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) entsprechen und diese sogar übererfüllten, wie sich Büschl beeilte, noch einmal zu versichern. Außerdem sei nicht Vorgeschriebenes im Pflegebereich geplant. All dies komme aber natürlich nur, wenn er die Türme überhaupt bauen dürfe, die unterhalb der 50-Meter-Marke von einem Hotel und Büros grundiert werden sollen.

Die Diskussion, welche Sichtachsen durch die Neubauten womöglich beeinträchtigt werden, bleibt spannend. Wobei klar wurde, wie leicht sich die Perspektive auch umkehren lässt - mit einem Drohnenfoto etwa, wie prächtig sich das Nymphenburger Schloss aus den luftigen Höhen betrachten lässt, in denen "der wohl höchste Biergarten der Welt" geplant ist.

Weil das ganze Areal von sechs S-Bahn-, drei U-Bahn-, zwei Trambahn- und sechs Buslinien quasi eingekreist ist, sind kaum Investitionen zur Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr nötig. Lediglich an einem Radweg-Zubringer werde noch gefeilt, ließ Stadtplaner Andreas Uhmann wissen. Selbst welche Bäume wo wachsen sollen (Kiefer mit Blauregen in einem Bereich, Erlen mit Hopfen in einem anderen), ist schon skizziert. An der Feinplanung mangelt es nicht, aber halt am prinzipiellen "Go". Zu dem aber gab sich Investor Ralf Büschl trotzig: "Es werden keine dunklen Glastürme. Das sind Behauptungen, die aufgestellt werden, um diese Hochhäuser schrecklich und bedrohlich wirken zu lassen. Diese Behauptung werden wir widerlegen, indem wir sie bauen."

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SZ vom 03.07.2021
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