Bauprojekt am Hirschgarten:"Die Hochhäuser müssen nicht so hoch sein, wenn die Stadt sie nicht will"

Lesezeit: 3 min

Die beiden an der Paketposthalle geplanten Türme sollen jeweils 155 Meter hoch werden. (Foto: Herzog de Meuron)

Kurswechsel des Investors: Ralf Büschl zeigt sich erstmals offen für Alternativen zu den 155-Meter-Türmen an der Paketposthalle. An der geplanten Baumasse aber hält er fest.

Von Sebastian Krass

Sind die zwei 155-Meter-Türme gesetzt, oder geht es auch niedriger? Wie soll die öffentliche Nutzung der Paketposthalle funktionieren? Plant der Investor eine zu dichte Bebauung? Unter anderem um diese Fragen ging es am Dienstagabend bei einer prominent besetzten Diskussion im Neuhauser Kulturzentrum Trafo über das geplante Neubauquartier nahe der S-Bahn-Station Hirschgarten. Mit dabei waren Stadtbaurätin Elisabeth Merk, die Grünen-Stadträtin und örtliche BA-Vorsitzende Anna Hanusch, der Investor Ralf Büschl sowie vier Architektinnen und Stadtplaner, die das Bauprojekt kritisch sehen. Ein Überblick über die wichtigsten Themen.

Die Höhe

Die Diskussion beginnt mit einem Kurswechsel von Ralf Büschl. Bisher hatte der Beiratsvorsitzende der Büschl-Unternehmensgruppe aus Grünwald stets am "Masterplan" des Architekturbüros Herzog/de Meuron festgehalten, das jene zwei 155-Meter-Türme vorsieht. Es würden Münchens höchste Gebäude. Man habe zwar andere Höhenmodelle untersucht, diese aber verworfen, erklärte Büschl noch im Oktober 2021. "Alternative Pläne, die niemand umsetzen will, verwirren nur." Nun aber projiziert ein Beamer unter seinem Namen die Fragen an die Wand: "Zwei richtig große oder mehrere kleinere Hochhäuser unter 100 Meter? Was ist Ihnen lieber?" Diese Frage sei "noch zu entscheiden", sagt Büschl in seinem Eingangsstatement. "Die Hochhäuser müssen nicht so hoch sein, wenn die Stadt sie nicht will." Damit bezieht er sich vermutlich indirekt auf den von Hochhausgegnern angestrebten Bürgerentscheid.

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Aber Büschl betont auch, dass er die 155 Meter nach wie vor für richtig halte, auch wenn sie für ihn als Investor deutlich teurer zu bauen seien als mehrere niedrigere Hochhäuser. "Wir wollen München ein Stück weiter bringen, wollen ein Zeichen setzen." Später ergänzt Büschl in kleinerer Diskussionsrunde: "Wenn man auf die zwei Hochhäuser draufdrückt, dann kommt die Bebauung an anderer Stelle automatisch hoch." Will heißen: An der geplanten Baumasse will er nicht rütteln, es entstünde also ein Cluster von kleineren Hochhäusern.

Die Dichte

1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze will Büschl neben der Paketposthalle schaffen. Anna Hanusch sagt, sie sei "immer noch überzeugt" vom vorliegenden Entwurf, das Paketpost-Areal sei "generell der richtige Ort, mehr Dichte zu wagen". Doch um das Maß der Dichte, das zeigt sich an diesem Abend, dürfte es noch einige Diskussionen geben.

269 400 Quadratmeter Geschossfläche soll das Quartier haben, 20 000 Quadratmeter davon entfallen auf die Grundfläche der Halle, diese Zahlen nannte ein Vertreter des Büros Herzog/de Meuron im vergangenen Jahr bei einer öffentlichen Veranstaltung. Er setzte sie ins Verhältnis zur gesamten Grundstücksfläche von 87 500 Quadratmetern. Daraus ergibt sich eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 3,08. Die GFZ ist die Maßzahl für die bauliche Dichte eines Quartiers. Der Richtwert für die baurechtliche Kategorie "Urbanes Gebiet", die hier Anwendung finden soll, ist 3,0. In den Altbaugebieten von Schwabing-West liegt der Wert bei 2,5 bis 3,0.

Aber ist die Berechnung von Herzog/de Meuron zulässig? Dabei ist die Grundfläche der Halle als Quartiers-Freiraum mit eingerechnet, dieser allerdings wäre überdacht. Das Planungsreferat spricht in dem Zusammenhang davon, dass man angesichts der Flächenknappheit "nach kreativen Lösungen jenseits der klassischen Freiraumkategorien" suchen müsse. Die Paketposthalle lasse sich "baurechtlich noch schwer kategorisieren". Möglicherweise könne sie aber als Freiraum durchgehen, wenn sie eine entsprechende "Bespielbarkeit" ermögliche.

Der Stadtplaner Dierk Brandt, der sich beim Münchner Forum gegen die Hochhauspläne engagiert und ebenfalls bei der Diskussion auftritt, macht eine andere Rechnung auf. Er betrachtet die Halle nicht als Freifläche, sondern als Gebäude und rechnet sie für die GFZ der neuen Bebauung heraus, zudem zieht er 20 Prozent der Grundstücksfläche für Wege, Plätze und Grün ab. Brandt kommt somit auf eine bebaubare Grundfläche von 54 000 Quadratmetern, im Verhältnis mit etwa 250 000 Quadratmetern neuer Geschossfläche ergäbe sich eine GFZ von 4,6 - also weit mehr als im Baugesetzbuch für ein Urbanes Gebiet vorgesehen.

Stadtbaurätin Merk hält all diese Berechnungen für verfrüht, weil die Planung noch längst nicht so weit sei. Aber durch die von Investorenseite in die Welt gesetzten Zahlen ist die Debatte, ob die Stadt womöglich übermäßig viel lukratives Baurecht vergibt, in der Welt.

Die Halle

Merk ist es ein besonderes Anliegen, an diesem Abend über die Nutzung der Halle zu sprechen. Von Flächen für Kultur und Sport ist die Rede. Unterirdisch sollen Veranstaltungssäle entstehen, darunter einer mit etwa 3000 Plätzen. Allerdings ist noch völlig unklar, wie der Betrieb des Ganzen laufen und finanziert werden soll. Eine Diskussionsteilnehmerin monierte, die schönen Worte zur künftigen Nutzung erschienen ihr "wie Brocken von Fischfutter, die in die Diskussion geworfen werden, aber ich vermisse ein ernsthaftes Wollen, etwas Gutes aus der Halle zu machen".

Auch das Wort Oper fällt an dem Abend. Dahinter steht eine Überlegung, die bis hoch in die Staatsregierung kursiert: den großen Saal unter der Halle zum Interimsquartier für die Staatsoper zu machen, wenn das Nationaltheater in einigen Jahren saniert werden muss. Das würde zumindest vorübergehend Finanzierungsfragen für den Betrieb der Halle klären. Doch Stadtbaurätin Merk denkt darüber hinaus: "Vielleicht muss man auch über Crowdfunding, Genossenschaften oder Stiftungen reden."

Eines aber betonte Merk auch: Das von Büschl hergestellte Junktim, er werde die Halle nur sanieren und zu einem öffentlichen Ort machen, wenn er das gewünschte Baurecht bekomme, sei "keine Herangehensweise, die mein Referat oder der Stadtrat mitmacht". Es klang wie: Die Stadt lässt sich nicht erpressen.

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