Trendsport:Was den Padel-Boom in Deutschland ausbremst

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Auch in Unterföhring auf der Allwetteranlage wird gepaddelt - die Sportart hat eine niedrige Einstiegsschwelle. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Interesse an der Trendsportart wächst weltweit rasant. Und Deutschland? Hinkt hinterher. Dabei ist das Interesse groß. Warum Padel hierzulande noch nicht so richtig durchstartet.

Von Thomas Becker

Wo seit 60 Jahren das dumpfe Plopp der Tennisspieler ertönt, mischt sich seit einer Weile ein anderes Geräusch dazu: das helle Patsch der Padel-Spieler. Auf der Allwetteranlage von Scheck in Unterföhring wurde auf drei Tennisplätzen gespielt, nun sind dort auch andere Rückschlagspieler zu Hause: die mit den kürzeren Schlägern und der gläsernen Wand rund um den Platz. Alle fünf Courts sind an diesem Vormittag besetzt, mit unterschiedlichsten Spielern: hier der fröhliche, offensichtlich noch im Anfängerstadium befindliche Vierer, daneben ein paar Ambitionierte, die unter Trainer-Anleitung Über-Kopf-Schläge üben.

Zwei kleine Jungen, die noch nie etwas von Padel gehört oder gesehen haben, stehen mit offenem Mund daneben, bis einer sagt: „Cool! Papa, können wir auch mal?“ Nichts leichter als das. Eine niederschwelligere Ballsportart gibt es wohl nicht. Schläger in die Hand, Ball übers Netz, und schon spielt man Padel. 

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Erfunden wurde der Spaß 1969 in Acapulco. Ein Mexikaner wollte sich einen Tennisplatz aufs Grundstück bauen, wofür dieses aber zu klein war. „Baue ich eben einen kleineren Platz“, dachte er sich, und da er recht alt war, baute er eine Mauer darum herum, damit der Ball nicht so weit wegfliegt – fertig war die neue Sportart. Spanier brachten sie nach Europa, wo sich zunächst der sportive Teil von Marbellas Jetset mit den kurzen Schlägern die Zeit vertrieb.

Padel ist mittlerweile eine der weltweit am schnellsten wachsenden Sportarten. Längst gibt es nationale Ligen, Weltranglisten-Turniere und gut verdienende Profis, die auf drei globalen Wettkampfserien unterwegs sind. Bei Olympia 2032 in Brisbane soll um die ersten Pedal-Medaillen gespielt werden. 

Zahlen der Wirtschaftsberater von Deloitte belegen den Boom: Laut Global Padel Report gab es 2016 weltweit 10 000 Courts, derzeit sind es rund 47 000, 2026 sollen es 85 000 sein. Die Zahl der Padel-Klubs stieg in den vergangenen acht Jahren von 2800 auf mehr als 12 600. Allein im vergangenen Jahr sind pro Woche 51 neue Klubs dazu gekommen. Erhöhtes Wachstum prognostizieren die Experten für Asien, den Mittleren Osten, die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Beispiel USA: Hatte es dort 2021 erst 70 Plätze gegeben, waren es zwei Jahre später schon 450. Und Deutschland? Hinkt hinterher. Im Januar 2023 gab es in Spanien 16 000 Plätze, in Italien 8300, in Frankreich 2100 – und in Deutschland 550, immerhin schon 300 mehr als im Jahr zuvor. In Frankreich hat sich die Zahl der Spieler innerhalb von vier Jahren verfünffacht – Quoten, die hierzulande noch Zukunftsmusik sind. Nicht weil die Deutschen nicht spielen wollen, sondern weil es zu wenige Plätze gibt. Und das wiederum liege vor allem am Genehmigungs-Dschungel, erklärt Oliver Scheck-Poturicek. 

Für seinen ersten Padelplatz wird Scheck-Poturicek belächelt

Seit 2001 arbeitet er auf der Anlage in Unterföhring, seit zehn Jahren ist er Geschäftsführer, neben Ehefrau Barbara, der geschäftsführenden Gesellschafterin. Als Jugendlicher hat er leistungsmäßig Tennis gespielt, Weltranglisten-Turniere bestritten, mit 19 aber eingesehen, dass es für ganz oben nicht reicht. Danach arbeitet er als Trainer und Unternehmensberater – und darf in Deutschland als Mann der ersten Padel-Stunde gelten.

Das kam so: Immer wieder fragten in der Münchner Telefonica-Dependance arbeitende Spanier ihn nach einem Padel-Court – seit den Siebzigerjahren ist Spanien die Padel-Hochburg; mittlerweile gibt es dort mehr Padel- als Tennisspieler. Vor zwölf Jahren ließ sich Scheck-Poturicek breitschlagen, baute einen Court – und wurde belächelt. „Damals war noch keine Rede von Padel“, erinnert er sich. Die Spanier spielten regelmäßig, sonst kaum jemand. „Typisch deutsch: Was ich nicht kenne, mach’ ich erst mal nicht“, sagt der Geschäftsführer. 

Padelpionier in Deutschland: Oliver Scheck-Poturicek, Geschäftsführer der Allwetteranlage von Scheck in Unterföhring. (Foto: Stephan Rumpf)

Kurz vor der Pandemie spürte er: Da ist mehr möglich. Aus drei Tennisplätzen werden fünf Padel-Plätze - „obwohl Tennis bei uns voll ausgebucht ist. Das war riskant, aber genau richtig“, sagt er heute. Nur Plätze bauen reiche aber nicht, man brauche auch eine Idee, wie man sie betreibt. „Wir sind ja so was wie ein Country Club: Man zahlt Beitrag und kann alles nutzen, so oft man will, Sommer wie Winter.“ Hinzu kommen Events, Turniere, passend zum Bedarf der Zielgruppe. „Denn: Padel ist Party“, erklärt Scheck-Poturicek.

Vor einem Jahr veranstaltete er ein Padel-Festival, mit freiem Spiel, Musik, Food, Drinks, Showmatches – und mehr als 300 Teilnehmern. Durch Padel habe er „komplett neue Kunden erschlossen“, erzählt der Geschäftsführer: „Fitness-Mitglieder entdecken für sich eine Spielsportart, eine der einfachsten Ballsportarten, die ich kenne. Selbst wer sagt: Ich bin so untalentiert – nach fünf Minuten kann der das.“ Genau das funktioniert beim Tennis nicht. Bis Vor- und Rückhand kontrolliert übers Netz und ins Feld fliegen, vergeht so manch teure Trainerstunde. 

Beim Padel werden mehr Glückshormone ausgeschüttet als in vergleichbaren Sportarten

Hinzu kommt der soziale Aspekt. Man spielt immer Doppel: Teamsport statt Selbstgeißelung nach einem Schlag ins Netz. Alter und Kondition? Bei diesem inklusiven Sport sekundär. Auch (ehemalige) Fußballprofis wie Miroslav Klose, David Alaba, Mats Hummels und Karim Adeyemi sind Padel-Fans. Warum jemand mit Padel anfängt? Laut Deloitte-Studie lautet die Reihenfolge: socialize vor fun, weit abgeschlagen: exercise und competition

Neuropsychologen haben festgestellt, dass bei Padel mehr Dopamin und Endorphin, die für Glücksgefühle sorgen, freigesetzt werden als in vergleichbaren Sportarten. Zudem gelten Padel-Spieler als Nomaden: Sie spielen überall und mit jedem, gern auch abends unter Flutlicht. Und sie würden laut Deloitte noch öfter auf dem Platz stehen – wenn es mehr Courts gäbe. Damit zurück in den deutschen Genehmigungs-Dschungel. 

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Hier liegt die Krux am international vergleichsweise dezenten Wachstum. „Die Plätze sind hier deutlich teurer“, klagt Geschäftsführer Scheck-Poturicek, „was in anderen Ländern als fliegender Bau gilt, muss in Deutschland genehmigt werden. Man braucht Architekten, Statiker, muss eine Bodenfrosttiefe einhalten. Das 80 Zentimeter tiefe Fundament kostet mehr als der ganze Padel-Court, der obendrauf kommt.“ In Spanien koste ein Court 18 000 Euro, in Deutschland 75 000. „Die Behörden behandeln das wie ein Haus“, sagt der Betreiber, „es wird dauern, bis dieses Genehmigungsverfahren einfacher läuft.“ 

Wo in München gepadelt werden kann

Der ein oder andere Tennisklub überlegt, den Mitgliedern einen Padel-Court hinzustellen, Stichwort leichter Einstieg. Der MTTC Iphitos hat vor zwei Jahren auf Initiative des ehemaligen Tennisprofis Emilio Alvarez, dessen Sohn in der Padel-Szene sehr aktiv ist, probehalber einen mobilen Padel-Court aufgestellt, der laut Vorstandsmitglied Marc Tenbücken „gut angenommen wurde“. Derzeit verfolge man „keine weitergehenden Pläne“, aber sollte sich im Rahmen der geplanten Ertüchtigung der Anlage eine Möglichkeit ergeben: warum nicht? „Vielleicht passt noch ein Padel-Court rein“, sagt Tenbücken.

Die Padel-Enthusiasten in und um München würde es sicherlich freuen. Bislang gibt es neben der Anlage in Unterföhring etwa Angebote beim Olympiapark, in Allach, Haar, Taufkirchen, Geretsried, Starnberg, Herrsching oder auch Schwabmünchen. Auch bei Oliver Scheck-Poturicek sollen zwei weitere Plätze entstehen. „Es geht jetzt los, leider mit angezogener Handbremse“, sagt er. Mit freundlichen Grüßen aus dem Genehmigungs-Dschungel.

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