Ein paar Bilder sind geblieben von damals. Peter Scholz (Name geändert) holt ein Album aus dem Schrank. Alle Fotos sind nachts aufgenommen, auf allen sind Feiernde zu sehen, immer wieder auch er, ein lachender Mann mit blonden Haaren. Die Haare sind inzwischen grau, das Leben längst nicht mehr so rauschend. Der 77-Jährige hat mehr erlebt als die meisten Münchner, als Barkeeper lernte er jeden Abend neue Prominente kennen. Doch ihm geht es nun wie vielen: Er hat jahrzehntelang gearbeitet, doch die Rente reicht nicht einmal, um die Miete in der teuren Stadt zu zahlen.
Peter Scholz wuchs in Giesing auf, mit acht Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung, so beginnt seine Geschichte. Seine Brüder liebten Fußball, er interessierte sich für Musik. In der Großmarkthalle machte er eine Lehre. Unter der Woche fuhr er morgens um 5 Uhr mit dem Fahrrad los, am Wochenende tanzte er im „Sahara Dancing“, Münchens erster Disco. Ein paar Jahre später begann er, in der Gastronomie zu arbeiten. Er ist ein geselliger, aufgeschlossener und aufmerksamer Mensch, also wie gemacht für das Nachtleben.
Peter Scholz kellnerte im Schwulenlokal „New York“, ein paar Mal kam Freddie Mercury vorbei, als er Dienst hatte. Im „Mondi Club“ war er der beliebteste Barkeeper, machte den meisten Umsatz, so schildert er es, und bewirtete viele Berühmtheiten der Stadt. Mit dem Geld ging er auf Reisen, sah in Las Vegas Elvis Presley spielen, hörte im Opernhaus von Manaus Plácido Domingo singen. Als er ein Jahr lang im P1 gearbeitet hatte, betrat eines Abends die junge Whitney Houston den Club, um ihre erste Platte vorzustellen. „Sie nahm ein Getränk an meiner Bar“, sagt Peter Scholz, „dann schritt sie im Glitzerbody die Treppe hinunter und begann zu singen.“
Ende der Achtzigerjahre eröffnete Peter Scholz sein eigenes Restaurant, er übernahm das „La Cave“ in der Maximilianstraße, wo er bis 4 Uhr morgens gehobene französische Gerichte servierte. Edita Gruberová kam nach ihren Opernauftritten vorbei, Franz Beckenbauer feierte bei ihm Geburtstag, Udo Jürgens und Gunter Sachs aßen häufig hier, erzählt er. Doch als in einem heißen Sommer viele Tische in dem Kellerlokal leer blieben, musste er es aufgeben, nach einem Jahrzehnt.
Bis er 71 Jahre alt war, betrieb er einen kleinen Brotzeitladen, wo er Schnitzel- und Leberkässemmeln zubereitete. Er bereut es, aufgehört zu haben. Denn Peter Scholz langweilt sich jetzt häufig, er ist fit für sein Alter, in seinem Wohnzimmer steht ein Heimtrainer – und er hat in all den Jahren als Selbständiger nicht für seine Rente eingezahlt. Ein Steuerberater meinte damals, das brauche er nicht. Nun erhält er jeden Monat lediglich 838 Euro, für die Miete muss er 1278 Euro zahlen. Seit 30 Jahren wohnt er in der Dreizimmerwohnung im Osten der Stadt, eine kleinere und günstigere findet er nicht, die Mietpreise steigen in München so schnell wie nie zuvor. Das Ersparte ist aufgebraucht, er bezieht Grundsicherung.
Peter Scholz leidet an Diabetes, er hatte einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall, eine Operation an der Prostata misslang. Er müsste sich dringend Zahnimplantate machen lassen, doch das Geld dafür hat er nicht. Er überlegt, sich in Ungarn behandeln zu lassen, dann würde es vielleicht reichen.
Sein Leben ist anders als früher. Er reist nicht mehr, geht nicht mehr in die Oper. Die Karten sind zu teuer, aber die schlichten Inszenierungen heutzutage taugen ihm ohnehin nicht. Er macht Fitness, kocht gerne, isst manchmal in der Rathauskantine zu Mittag. „Für wenige Euro bekomme ich dort ein gutes Essen“, sagt er. Am Marienplatz läuft ihm dann oft jemand über den Weg. Jemand, den er aus den rauschenden Nächten von früher kennt.
So können Sie Peter Scholz und anderen bedürftigen Menschen in München helfen:
Per Paypal oder per Lastschriftverfahren unter sz-gutewerke.de/spenden. Mit einer Überweisung an SZ Gute Werke e.V., HypoVereinsbank, IBAN DE 04 7002 0270 0000 0822 28, BIC HYVEDEMMXXX.
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Hinweis der Redaktion: Zu diesem Beitrag haben uns einige kritische Zuschriften erreicht, die darauf hinweisen, dass „Peter Scholz“ (der in Wirklichkeit anders heißt) Zeiten erlebt habe, in denen er keine ausreichende Altersvorsorge betrieben habe. Das ist richtig und trifft auf viele Seniorinnen und Senioren zu, die lange selbständig gearbeitet haben. Die Erfahrung der Münchner Sozialbürgerhäuser, mit denen SZ Gute Werke zusammenarbeitet, bestätigt das. Die Not von Peter Scholz ist indes durch schwere gesundheitliche Schicksalsschläge entstanden. Wir erkennen an, dass man seinen Fall im Hinblick auf den Satzungszweck von SZ Gute Werke („unverschuldet in Not geraten“) diskutieren kann und der Fall nicht so eindeutig ist wie andere.