Münchner Osten:Ein Bahnknoten aus Fallstricken

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Mehr Güterverkehr und ein Express-Zug zum Flughafen: Das soll der Ausbau der Gleise im Münchner Osten ermöglichen. Die Stadt besteht auf einen Tunnel, doch den lehnt die Bahn jetzt offiziell ab.

Von Heiner Effern, München

Der Konflikt der Stadt München mit der Deutschen Bahn (DB) um den Bahnknoten im Münchner Osten geht in eine neue Runde: Der Konzern hat sich offiziell dafür entschieden, den Ausbau der Bahngleise zwischen Daglfing und Johanneskirchen nur noch an der Oberfläche zu planen. Die Stadt aber bleibt bei ihrer Forderung, die Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in einem Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) so beschrieb: "Der Ausbau kommt nur im Tunnel und keinesfalls in Form der von Seiten der DB favorisierten ebenerdigen Trasse in Frage." Wenn am Mittwoch im Mobilitätsausschuss die Gründe für die Entscheidung der DB vorgestellt werden, wird wohl Empörung herrschen. Und da der Stadt nichts anderes übrig bleibt, wird sie die weiteren Kosten für die Planung der Tunnelvariante anteilig übernehmen, um beide Optionen offen zu halten.

Dafür muss der Stadtrat nun Geld freigeben. Nach Angaben der SPD-Fraktion handelt es sich um sechs Millionen Euro. Ursprünglich hatte die Stadt sogar erklärt, auch den Bau des Tunnels gegen den Willen der DB selbst zu finanzieren. Doch angesichts einer Summe von etwa 2,4 Milliarden Euro und den nun durch die Pandemie nochmals schrumpfenden finanziellen Mitteln dürfte die Forderung, dass sich auch die DB oder der Bund beteiligen, an Wucht gewinnen. Der oberirdische Ausbau auf vier Gleise, wie ihn die DB finanziert, soll 893 Millionen Euro kosten. Diesen Betrag müsste die Bahn wohl auch für den Tunnel bezahlen, die restlichen 1,4 Milliarden blieben an der Stadt hängen.

Streckenausbau in Trudering
:"Wenn die Käufer das vorher gewusst hätten"

Der Güterverkehrsknoten München Ost soll ausgebaut werden, die ersten Aufträge sind schon ausgeschrieben. Aber die Anwohner wissen immer noch nicht, wie stark der Zugverkehr zunimmt - teils könnten die Gleise sehr nahe rücken.

Von Nicole Graner

Auf der ausgebauten Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen sollen künftig mehr Güterzüge und eine Express-S-Bahn fahren. Deshalb sollen die jetzigen zwei Gleise um nochmals zwei erweitert werden. Doch der Bahnknoten München, über den dann der Frachtverkehr vom neuen Brennerbasistunnel in den Norden laufen soll, umfasst auch noch weitere Planungen, die von der DB getrennt betrieben werden. So sollen auch die sogenannte Truderinger und die Daglfinger Kurve dafür sorgen, dass mehr Kapazität auf der Schiene entsteht. Diese "Kurven" schleifen dann in die künftig vier Gleise zwischen Daglfing und Johanneskirchen ein.

Am Mittwoch im Stadtrat wird es nur um die vier Gleise zwischen Daglfing und Johanneskirchen gehen. Auch die Grünen stehen "voll und ganz" hinter der Forderung, dass deren Bau nur in einem Tunnel möglich sei, sagte Stadträtin Angelika Pilz-Strasser. Deshalb werde ihre Fraktion zustimmen, dass die Stadt die entsprechenden Planungskosten aus ihrer Tasche bezahlt. Das sei "eine gute Nachricht für die Anwohner", sagt auch ihr CSU-Kollege Jens Luther. Die FDP sieht die Stadt geradezu in der Pflicht, ihre Wünsche auch mit Geld zu hinterlegen. Vom Tunnel profitierten schließlich "vor allem die Stadt und die Anwohner", erklärte Stadtrat Fritz Roth. Seine Fraktion drängt darauf, am S-Bahn-Halt Englschalking für die später mal querende U 4 eine "barrierefrei zugängliche U-Bahn-Station" in die Pläne aufzunehmen. Auch die Grünen ließen am Montag Sympathie für solch einen zusätzlichen Beschluss erkennen.

Verärgerung und Unverständnis herrscht in weiten Teilen des Stadtrats aber über zwei wesentliche Bausteine einer so großen Planung: über die Bürgerbeteiligung und die Zahlen, mit denen die DB aktuell rechnet. "Hundsmiserabel" seien die Bemühungen der Bahn, die betroffenen Bürger in München mit ihren Sorgen und Ideen in die Planungen mit einzubeziehen", sagt etwa Grünen-Stadträtin Pilz-Strasser. "Was die Bahn bisher an Kommunikation geliefert hat, spricht eher für Hinterzimmerentscheidungen und Hinhaltetaktik als für eine Beteiligung auf Augenhöhe", ärgert sich Münchens SPD-Chefin Claudia Tausend, die für den Münchner Osten im Bundestag sitzt. Für den Ausbau der Gleise beim Brenner-Nordzulauf von Grafing bis ins Inntal habe die Bahn "bisher 129 Dialogforen und zwölf Beiratssitzungen veranstaltet", in München aber nichts. "Sind die Münchner Bürger zweiter Klasse?" Die Bahn rechnet die Gleise zwischen Daglfing und Johanneskirchen aber laut Beschlussvorlage der Stadt gar nicht zum Nordzulauf für den Brennertunnel.

Noch ein zweiter Vergleich mit der Strecke in Oberbayern sorgt für Zündstoff in der Stadt. Entscheidend für den Lärm, den die an den nahe gelegenen Häusern vorbeiratternden Waggons verursachen, sind nicht nur Länge, Gewicht, Untergrund oder Schutzwände, sondern schlicht auch die Zahl der Züge. Diese basiert in der aktuellen Planung auf einem Stand, der sich auf Prognosen bis 2030 bezieht. Im Inntal würden jedoch aktuellere Daten genutzt, die einen Ausblick bis 2035 böten und so einen in Betrieb befindlichen Brennerbasistunnel einbezögen. Sollte der Lärmausstoß in München bei diesen Zahlen zu hoch sein, dann "müsste die Bahn den Tunnel zahlen", sagt CSU-Stadtrat Luther. Im Moment winken Bund und Land nur ab, wenn die Stadt sie für eine Kostenbeteiligung für den Tunnel zu gewinnen sucht.

Die dritte Variante, die Gleise in einen Trog zu legen, ist kein Thema mehr. Die Bahn soll nun die Pläne für ihren Favoriten und den Tunnel vom gleichen Büro vorantreiben lassen. Sollte sie sich für die "Katastrophe", also ihre "Vorzugsvariante" entscheiden, werde die Stadt dies aber "notfalls von den Gerichten" prüfen lassen, droht SPD-Stadtrat Nikolaus Gradl.

© SZ vom 06.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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