Kritik:Männer, die Liebe fühlen

Jakob Spahn, Solocellist des Bayerischen Staatsorchesters, gibt mit Jonathan Aner am Klavier ein sommerlich zartes Kammerkonzert zu den Opernfestspielen.

Von Michael Stallknecht, München

Mal abgesehen von den Temperaturen, herrscht musikalisch in München wirklich Sommer. Während "CubaBoarisch 2.0" den Brunnenhof und das angrenzende Foyer des Cuvilliés-Theaters gleich mit beschallen, geht es drinnen zwar klassisch 1.0, aber nicht weniger heiter zu. Der Cellist Jakob Spahn und der Pianist Jonathan Aner spielen dort in feinen Phrasierungen und mit rokokohaftem Silberklang Beethovens Variationen über "Bei Männern, welche Liebe fühlen", auch wenn Spahn zu Beginn des vierten Festspiel-Kammerkonzerts noch mit leichten intonatorischen Wacklern kämpft.

Der Solocellist des Bayerischen Staatsorchesters hatte kürzlich eine dichte Einspielung von Benjamin Brittens Suiten für Cello solo vorgelegt. Aus ihnen spielt er, passend zur nachfolgenden Cellosonate op. 40 von Dmitri Schostakowitsch, auch hier einen Satz, in dem Britten seinen russischen Kollegen zitiert. Bemerkenswerterweise findet die Leichtigkeit des Anfangs bei Schostakowitsch ihre Fortsetzung: Jonathan Aner spielt den Klavierpart mit weichem, dabei runden Anschlag, Spahn lotet intensiv vor allem die Pianofarben aus, riskiert auch den Grenzgang ins Matte, fast Tonlose. Das Scherzo kommt rhythmisch fein pointiert daher, mit dem langsamen Satz gelingt Spahn ein magisch schwebender Moment. Selbst wer nach der Pause mit Johannes Brahms' Cellosonate op. 99 ein gewichtiges Abschlusswerk erwartet hatte, sah sich auf angenehme Weise enttäuscht.

Spahn und Aner schwelgen nicht, sondern entschlacken den dichten Satz des späten Brahms entschieden. Über den großen Zug gehen vielleicht ein paar innere Widerhaken, mögliche Detailkontraste verloren. Aber dass Brahms das Werk in der Sommerfrische am Thunersee komponierte, hat man selten so deutlich vernommen wie in diesem frühlingszart verspielten Zugang.

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