Süddeutsche Zeitung

Open-Air-Kino in München:Filme unter freiem Himmel

Das "Kino am Olympiasee" zeigt von Donnerstag an als erstes Freiluft-Lichttheater in Deutschland wieder Filme - allerdings vor deutlich weniger Zuschauern als sonst.

Von Josef Grübl

Mit Parasiten gegen das Virus vorzugehen, das klingt in etwa so, als wolle man die Pest mit Cholera bekämpfen. Im Corona-Sommer 2020 klingt das aber nach einer vernünftigen Strategie: Der diesjährige Oscar-Gewinnerfilm "Parasite" soll das Publikum zurück vor die Kinoleinwände holen. Während die Lichtspielhäuser in Bayern weiterhin geschlossen bleiben, werden Filmvorführungen unter freiem Himmel und unter Einhaltung von Corona-Regeln erlaubt. Die Autokinos haben vor zwei Wochen den Anfang gemacht, jetzt legt das erste Freiluftkino los: Am Donnerstag, 28. Mai, will "Kino am Olympiasee" an den Start gehen.

Die Freifläche vor der Olympia-Schwimmhalle war bereits in den vergangenen Sommern Sehnsuchtsziel für Münchner Filmfans, in den kommenden Wochen dürfen sie sich neben dem Oscarfilm des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon-ho auf Kinohits wie "Joker", "Das perfekte Geheimnis" oder "Die Känguru-Chroniken" freuen. Ganz so wie in den Vorjahren läuft es freilich nicht mehr, statt 2000 Menschen dürfen maximal 500 rein. Tickets gibt es nur noch online (www.kinoamolympiasee.de), die Zuschauer sitzen auf reservierten Liegestühlen oder sogenannten Love-Seats, mit rundherum mindestens 1,5 Metern Abstand. Auf dem Gelände sowie in den Toiletten herrscht Maskenpflicht, auf den Plätzen können sie aber abgenommen werden.

"Wir werden das erste Kino-Open-Air Deutschlands sein, das wieder eröffnet", erzählt Reinhard Straßer, Geschäftsführer des Veranstalters Münchner Stadtmedien GmbH, bei einem Videotelefonat stolz. Auf einem Lageplan zeigt er, wie die Sitze aufgestellt werden, auch die Laufwege sind vorgezeichnet: "Die Publikumsbewegungen finden in eine Richtung statt." Die Besucher müssten mitmachen und etwas Zeit mitbringen, dann könne er ihnen einen tollen Abend garantieren, sagt er.

Großveranstaltungen wie diese haben einen monatelangen Vorlauf, durch Corona wurden Straßer und seine Kollegen komplett ausgebremst - so wie alle anderen Kulturveranstalter auch. Erst als Ministerpräsident Markus Söder Anfang Mai in einer Pressekonferenz Lockerungen in Aussicht stellte, kam wieder Bewegung in die Sache. "Für Kino-Aufführungen unter freiem Himmel können Ausnahmegenehmigungen von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist", verkündete das bayerische Gesundheitsministerium.

Seitdem ist Reinhard Straßer in ständigem Kontakt mit den Behörden, sein geschäftsführender Kollege Patrick Diesing kümmert sich um den Aufbau vor Ort, auch er verspricht "bestmögliche Sicherheit". Gleichzeitig will man sich solidarisch mit der Branche zeigen: "Pro Ticket geht ein Euro an die Münchner Programmkinos", so Diesing.

Doch lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt, wenn nicht mehr so viele Menschen kommen dürfen? Die Kosten für Kulturveranstaltungen sind hoch und die Auflagen streng, gerade in einer Stadt wie München. Das sieht man auch bei Kino-Open-Airs, von denen es in München vor ein paar Jahren noch eine ganze Reihe gab, am Königsplatz etwa oder am Viehhof. Sie alle mussten aus unterschiedlichen Gründen aufgeben. Übrig geblieben sind noch "Kino am Olympiasee" und "Kino, Mond und Sterne" im Westpark. Auch deren Betreiber wollen diesen Sommer weitermachen, einen Termin nennen können sie aber noch nicht. "Großveranstaltungen sind immer ein Risiko", sagt Reinhard Straßer, der schon seit vielen Jahren in diesem Geschäft tätig ist, "wir müssen einfach positiv denken." Ihm ist klar, dass sein Kino-Open-Air als eine Art Blaupause gelten könnte für all die anderen Kulturveranstaltungen, mit denen es demnächst wieder losgehen soll.

Vorerst werde man nur abends Filme zeigen, die 2019 eingeführte Nachmittagsschiene für Familien mit Vorführungen auf tageslichtfähigen LED-Screens sowie Auftritte von Musikern oder Comedians könnten im Laufe des Sommers folgen. Die Kinomacher vom Olympiasee halten sich an die Söder-Devise von der allmählichen Rückkehr aus der Krise, sie planen Schritt für Schritt. Und hoffen in den kommenden vier Monaten auf regenfreie Nächte und regen Zuschauerzuspruch. Normalerweise habe der Kinosommer am Olympiasee ein natürliches Ende, so Straßer: "Wir hören immer eine Woche vor der Wiesn auf." Diese Beschränkung gibt es dieses Jahr nicht, das Oktoberfest findet nicht statt. Bei schönem Wetter könnte es also auch bis Ende September gehen.

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SZ vom 26.05.2020/imei
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