Superbloom-Festival:"Die letzten zwei Jahre waren die Hölle"

Lollapalooza  2018

Festival-Veranstalter seien Freaks, die auf Wolken surfen, findet Fruszina Szep. Beim Lollapalooza in Berlin ließ die Programm-Chefin schon mal Artistinnen schweben.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

"Superbloom" soll nach zwei Absagen endlich im Münchner Olympiapark steigen. Als Zugnummern für das kunterbunte Open-Air hat die Programmdirektorin Fruzsina Szep nun David Guetta, "AnnenMayKantereit" und Zoe Wees bekannt gegeben.

Interview von Michael Zirnstein

Noch blüht nur die Fantasie. Aber nach zwei pandemiebedingten Absagen soll am 3. und 4. September 2022 endlich wieder ein großes Open-Air mitten in München steigen. Das "Superbloom" im Olympiapark soll ein Festival werden, wie es noch nie dagewesen ist, sagt Fruzsina Szep, die Obergärtnerin auf dieser Pop-up-Blumenwiese. Die Wahl-Berlinerin hat bereits das Sziget-Festival in ihrer Heimat Ungarn zwei Mal zum Major-Festival des Jahres in Europa aufgepäppelt, und sie hat das amerikanische Rock-Spektakel Lollapalooza in Europa eingepflanzt. Jetzt darf sie sich auch als Programmdirektorin und Geschäftsführerin in München ausleben, wo sie aufgewachsen ist. Natürlich werden im Olympiastadion und auf weiteren Bühnen Popstars aus Nah und Fern auftreten, allen voran die Elektro-Hitmaschine David Guetta. Zu internationalen Größen und solchen, die es noch werden könnten, wie Alan Walker, Glass Animals, Girl in Red, Purple Disco Machine, Peace & Peace Allstars, Sam Ryder oder Joel Correy, gesellt sich eine deutsche Riege um AnnenMayKantereit, Lea, Kraftklub, BHZ oder Zoe Wees.

Es gibt aber nicht nur Musik, sondern auch die Dragqueen Jurasseca Parker und Comedy von Kaya Yanar, dem BBQ Podcast und Kurt Krömer. Dazu kommen elf "Experience"-Areas rund um den See für Kunst, Theater, Tanz, Mode, Science und Fiction, Genuss und ein "MiniBloom", wo kleine "Gänseblümchen" herumtoben dürfen. Pro Tag rechnet der Veranstalter Goodlive mit 40 000 Besuchern, Tickets gibt es von heute an im Vorverkauf.

Suüerbloom

Der weitläufige Münchner Olympiapark brauche ein gutes Konzept, findet die Superbloom-Leiterin: Die Hauptbühne ist im Stadion, weitere große Bühnen sind auf der Tollwood-Fläche und in der Olympiahalle. Elf Experience-Bereiche siedeln sich am Olympiasee an (Änderungen vorbehalten).

(Foto: Goodlive)

SZ: Festivalveranstalter seien Hippies, Freaks, die auf einer Wolke surfen, sagten Sie bei der ersten Pressekonferenz im Olympiaturm-Restaurant. War es seitdem in fast zwei Jahren der Pandemie besonders schwer für Freaks - oder eher leicht, weil sie über allem schweben?

Es war beides. Es war und ist hammerhart. Es tat mir unfassbar weh, zu sehen, wie viele Kollegen gelitten haben. Ich bin aber auch eine Person, die immer versucht, das Positive zu sehen. Die Pandemie hat mir persönlich und unserer Firma die Zeit gegeben, sich neu zu strukturieren, Themen anzugehen, für die wir bisher keine Zeit hatten. Weil: Nach dem Festival ist vor dem Festival. Hamsterrad. Wir bei Goodlive haben etwa Arbeitsgruppen zu Nachhaltigkeit, Diversität und Gender gegründet.

Werden sich diese gesellschaftlichen Themen auch im Programm wiederfinden?

Ich möchte sie alle im Programm haben. Im Bereich "YourPlanet" zum Beispiel werden auch lokale und überregionale NGOs ihre Arbeit vorstellen können. Ein Festival ist keine Schule, aber es ist ein Spiegelbild davon, wie wir heute leben. Ein Festival ist aber auch eine utopistische Welt. Ja, ich bin ein Freak, ich bin ein Hippie, ich möchte weiter diese Träume leben.

Superbloom David Guetta

Frankreichs House-Hit-Maschine David Guetta ist eine der großen Zugnummern des Superbloom-Festivals.

(Foto: Ellen von Unwerth)

Ein Hippie-Festival mit sozialer Mission, das klingt nach Tollwood, auf dessen Platz im Olympiapark ein Teil von Superbloom steigt. Als Sie in München aufwuchsen, hat Sie das Tollwood-Festival inspiriert?

Absolut, auch später als Erwachsene. Tollwood ist eines der Festivals, die ich einfach wunderbar finde. Solche Festivals und solche Konzepte braucht es heute viel mehr in der Welt.

Fruzsina Szep Lollapaloozade, Christoph Neumann, www.christoph-neumann.com; Superbloom Fruszina Szep

Fruzsina Szep ist Programmdirektorin und Geschäftsführerin des Superbloom. Sie entwickelte bereits das Sziget-Festival in ihrer Heimat Ungarn und den Ableger des amerikanischen Lollapalooza-Festivals in Europa.

(Foto: Christoph Neumann/Goodlive)

Ihre eigenen Ideen von einem Riesen-Open-Air mit Musik, Kunst und Theater konnten sie sieben Jahre lang als Leiterin des riesigen Sziget-Festivals in Ungarn entwickeln. Wie kam es dazu?

Der damalige Inhaber, ein Freund, bat mich 2008, Sziget umzukrempeln und auf der europäischen Festivallandkarte zu positionieren. Ich war 30, ich war eine Frau und dachte: Ist dir der Mantel nicht zu groß? Ich bin aber jemand, der gerne ins kalte Wasser springt und eine große Herausforderung annimmt. Und das hat mich immer fasziniert: Wie kann man das Genre Musikfestival neu gestalten, bunter und vielfältiger machen, so dass man die Palette um andere Kunstformen, performative Künste erweitert? Wir reden aber immer noch über Pop-Kultur. Das ist die Essenz: Es muss Spaß machen.

Bei "Superbloom" sind Sie nun nicht nur künstlerische Leiterin, sondern auch Geschäftsführerin. Eine neue Verantwortung?

Ich habe all die Jahre für Festivals gearbeitet, die es schon gab. Dann fragten mich die Inhaber von Goodlive, ob ich nicht Lust habe, eine komplett neue Marke für den deutschen und europäischen Festivalmarkt zu erschaffen. Das war immer mein Traum, ein eigenes Festival zu machen, aber ich habe nicht die finanziellen Mittel dazu, dafür braucht es Millionen. Ich durfte mir ein Festival erträumen, ich wollte etwas zum Erblühen bringen, und schrieb alles in mein Notizbuch, was mir beim Frühstücken, beim Duschen, beim Aufwachen einfiel; auch den Namen, der mir bei einem "super" Glas Wein mit meinem Mann in London kam: "Superbloom". Und als ich gegoogelt habe, ob es diesen Namen schon gibt, stellte sich heraus, dass ein Superbloom ein einzigartiges Naturphänomen mit Wildblumen in der Wüste ist, das unglaubliche Energien freisetzt, also der perfekte Name für ein neues Festival.

Ein Sinnesrausch.

Genau, ich wollte ein Festival kreieren, von dem alle unsere Sinne etwas haben. Ich bin mit einem blinden Vater aufgewachsen, er hat mir von klein auf gesagt, dass ich nicht nur mein Augenlicht benutzen soll. So habe ich die Welt durch ihn ganz anders wahrgenommen.

Lollapalooza Berlin 2015 - Atmosphere

Ein bisschen wie das Münchner Tollwood-Festival mutete das Lollapalooza-Festival auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin an. Die neue Marke Superbloom desselben Veranstalters soll auch diesen Hippie-Charme bekommen.

(Foto: Alexander Koerner/Getty Images)

Sollte das Festival von Anfang an in München laufen?

Ja, so haben meine Chefs mich gekriegt. In meiner Kindheit und Jugend in Schwabing ging ich mit meinem blinden Vater jedes Wochenende im Olympiapark spazieren. Als ich den Ort wusste und den Namen hatte, hat es klick gemacht, und die Ideen sprudelten. In dem Moment habe ich das Festival gesehen mit seinen Farben, den Locations. Ich spüre jetzt das Gefühl, wie es sein wird, wenn wir das Gelände endlich öffnen können.

Was spricht man in der Branche über München als Festival-Standort? Warum gab es im Olympiapark seit 25 Jahren, abgesehen vom kurzen "Rockavaria"-Gastspiel, kein großes Open-Air?

Für mich war München auch immer, klar, Oktoberfest, Olympiaturm, BMW, der Englische Garten, Tollwood. Und das Deutsche Museum, da bin ich ein Fan davon. Aber als Festivalstadt hatte ich München nie auf dem Radar. Ich kann auch nicht sagen, warum andere Veranstalterinnen das nicht versucht haben. Vielleicht war es für einige zu mühsam, weil das Gelände sehr speziell ist. Es ist weitläufig, du brauchst schon ein gutes Konzept. Wir mussten mit Lollapalooza vier Mal umziehen in Berlin, das ist der Horror, das ist wie jedes Jahr ein neues Haus zu bauen, ohne zu wissen, wo eine Stromleitung liegt. Dadurch, dass wir 2018 endlich auf das Berliner Olympiagelände kommen und bleiben konnten, war das auch für die Münchner Olympiapark GmbH spannend. Die haben sich das angeschaut. Dann haben sie uns gefragt, ob wir nicht auch ein Konzept für ihr Stadion und ihren Park hätten. Es soll ja genau hierher passen, nach Süddeutschland, nach München.

Aber von den Münchnern allein können Sie nicht leben, Sie wollen schon Publikum von weiter her anlocken?

Der Festival-Tourismus hat sich stark entwickelt, bei einem Festival in einer Metropole ziehen nicht nur die Künstler, sondern auch das Angebot der Stadt. Wir möchten Leute aus ganz Europa ansprechen, damit sie sich München anschauen, in die Museen gehen und nach Mitternacht, wenn wir das Gelände schließen, in den tollen Bars und Clubs weiterfeiern. Mit dem Harry Klein Club hatten wir schon zwei Meetings.

Sie wollen auch mit Münchner Institutionen kooperieren. Was ist schon spruchreif?

Einiges, vor allem in den 50 Prozent des Programms, die ich Festival-Experience nenne. Der blöde Fachbegriff dafür ist: Non-Music. Denn die Kunst hat für mich einen genauso wichtigen Stellenwert wie die Musik. Es gibt elf Experience-Bereiche. SuperBrain etwa ist unser Experiment, das ich unbedingt machen wollte, da geht es um Forschung, Medizin, Neue Technologien, Science Fiction, so etwas Komplexes gab es auf einem Open-Air noch nicht. Wir haben das zusammen unter anderem mit dem Deutschen Museum, dem "Science Fiction Festival", dem Helmholtz Zentrum, der TU München und Biotopia entwickelt - und alle werden dabei sein.

Und in der Kunst?

ArtBloom, unseren Bereich für zeitgenössische Kunst, kuratiert Carolina Camilla Kreusch für uns. Sie ist gebürtige Münchnerin, ein toller Mensch und Trägerin des Seerosenpreises 2021. Oder ein anderes Beispiel: Beim Spectacular, da bauen wir eine Bühne in den See hinein wie beim "Sommernachtstraum", als unsere Location für zeitgenössischen Tanz, Circus, Theater und Variete, da kooperieren wir unter anderem mit der Iwanson Contemporary Dance School. Und beim Street-Theatre habe ich auch eine Supertruppe aus München eingeladen: Foolpool. Im District 4, unserem Bereich für Sport, Lifestyle, Fashion und Design, machen wir Workshops mit der Akademie für Mode und Design München. Dann haben wir noch die Weinlaube am See, für die holen wir uns lokale Händler und Sommeliers, etwa für Degustationen.

Lollapalooza Berlin 2015 - Atmosphere

Bunt soll es auch in München zugehen, vor allem in den Kunstarealen LakeGallery und ArtBloom.

(Foto: Alexander Koerner/Getty Images)

Kein Bier in München?

Natürlich, ein frisches Bier gehört natürlich auch dazu, wir haben einen Biergarten mit einer "Beer & Brass"-Bühne, auf der junge, coole, lokale Blaskapellen auftreten.

Sie möchten auch Musiker aus der Region einbinden. Wer ist dabei?

LaBrassBanda können wir schon bestätigen. Es kommen noch mehr, spannende junge Musiker aus Augsburg etwa, die darf ich noch nicht verraten wegen Booking-Absprachen. Generell ist es uns wichtig, aufstrebende Künstler aus München und der ganzen Welt zu buchen, das sind unsere Headliner von morgen.

Und was ist mit den Zugnummern von heute? Wie konnten Sie Künstler wie David Guetta oder AnnenMayKantereit zwei Jahre lang binden?

Superbloom Glass Animals

"Hitzewellen" möchte die britische Indierock-Band "Glass Animals" mit ihrem Hit "Heat Waves" nach München bringen.

(Foto: Ollie Trenchard)

Die letzten zwei Jahre waren die Hölle. Zum Glück waren einige Acts dabei, die sagten: Wann immer ihr auch stattfindet, bei der Geburt eines neuen Groß-Festivals möchten wir dabei sein. Ein toller Zuspruch für uns. Bei Guetta und AnnenMayKantereit hat das Rebooking super funktioniert. Ansonsten mussten wir für 2022 von Null starten. Miley Cyrus wollten wir unbedingt halten, aber sie kommt zu dem Zeitpunkt einfach nicht rüber nach Europa, auch wenn ich mich auf den Kopf stellen und mehr bezahlen würde.

Haben Sie Ersatz gefunden?

Es ist ja immer auch die Frage: Was ist aktuell? Über Stromae freue ich mich daher besonders, das ist eine exklusive Show, und er hat seit sechs Jahren nichts gemacht. Ich bin auch stolz auf unser Booking-Team, was das in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt hat und das auch so Acts wie Glass Animals gewinnen konnte.

Aber es fehlt schon noch ein Publikumsmagnet. Kommt da noch was?

Ja, klar, Anfang nächsten Jahres verkünden wir unser zweites Band-Package.

Superbloom Zoe Wees

Von der "The Voice Kids"-Bühne schaffte es die Hamburgerin Zoe Wees ins Pop-Geschäft; jüngst trat sie beim "Wetten, dass ...?"-Revival auf. Und 2022 kommt sie zum Superbloom.

(Foto: Steve Whittaker)

Auf großen Festivals herrscht massiver Männer-Überschuss. Um einen gerechten Frauenanteil muss man sich bei Ihnen sicher keine Sorgen machen.

Ich bin eine Frau, und in dieser Branche gibt es nicht viele Festival-Direktorinnen. Ich habe immer im Team weibliche Kolleginnen gefördert. Beim Line-Up ist mir wichtig, dass wir genügend weibliche Künstlerinnen haben, aber es ist auch wichtig, dass sie zum Festival passen. Ich bin jetzt schon relativ zufrieden, dass wir so starke weibliche Acts wie Zoe Wees oder Annemarie haben. Aber eine 50/50-Quote kann ich nicht versprechen.

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