European Championships:Neun Sportarten als Lebensversicherung für den Olympiapark

Olympiapark in München während der Corona-Krise, 2020

Der Olympiapark in München während der Corona-Krise.

(Foto: Catherina Hess)

Corona hat sämtliche Großveranstaltungen in diesem Jahr plattgemacht, für die Olympiapark GmbH "eine absolute Katastrophe". Helfen sollen die European Championships 2022.

Von Sebastian Winter

Sie sollen ein Fest werden, die European Championships 2022 in München, die größte Veranstaltung, die der Olympiapark seit den Sommerspielen von 1972 erlebt hat. Passender könnte der Zeitpunkt kaum sein, zum 50. Geburtstag des Ensembles. Etwa 4400 Athleten aus ganz Europa kämpfen dann zwischen dem 11. und 21. August in neun Sportarten um 158 EM-Titel.

Vornehmlich im Park selbst, wo sich Turner, Triathleten, Leichtathleten, Mountainbiker und BMX-Fahrer messen, aber auch auf der Regattaanlage in Oberschleißheim, auf der Ruderer und Kanuten um Gold paddeln, fast sicher auf dem Königsplatz (Beachvolleyball, Klettern), in der Rudi-Sedlmayer-Halle (Tischtennis), die während der zehn Wettkampf-Tage ihren ursprünglichen Namen zurückbekommt, auf dem Riemer Messegelände (Bahnrad) und dem Englischen Garten sowie der Ludwigstraße (Marathon, Gehen).

Beachvolleyball, Tischtennis, Klettern und Kanu sind vergangene Woche hinzugekommen zum Programm; Leichtathletik, Radsport, Rudern, Turnen und Triathlon waren längst fix. Die Multi-EM wird durch die Neulinge nochmals aufgewertet, bei ihrer Premiere 2018 hatten die European Championships in Berlin und Glasgow nur sieben Disziplinen. Das Budget von 130 Millionen Euro, das sich Stadt, Freistaat und Bund teilen, soll dadurch nicht wachsen, das war die Grundprämisse, um überhaupt mehr Sportarten aufzunehmen. Wie diese Deckelung funktionieren soll, bei einer Fast-Verdopplung der Disziplinen?

Dem Vernehmen nach war die ursprünglich auch in München geplante, aber später aus dem Programm genommene Schwimm-EM einer der größten Posten im Budget. Weil die Becken der sanierten Olympiaschwimmhalle wegen zu weniger Bahnen und zu geringer Tiefe nicht EM-tauglich sind, hätte ein temporäres Schwimmstadion samt Becken gebaut werden müssen - ein immenser Aufwand. Außerdem gibt es im Schwimmen, wie in der Leichtathletik, sehr viele Disziplinen und entsprechend viele Athleten, verbunden mit enormen Übernachtungskosten. Beachvolleyball, Tischtennis, Klettern und Kanu sind nach dieser Rechnung nicht teurer als Schwimmen alleine.

Die Olympiapark GmbH sehnt dieses Großereignis herbei, für die städtische Tochter sind die European Championships, überspitzt formuliert, gerade eine Lebensversicherung. Denn durch die Corona-Pandemie ist der Park in die schlimmste finanzielle Krise seines Bestehens geschlittert. Alle größeren Veranstaltungen sind seit März bis weit in den Herbst hinein abgesagt, ob nun Konzerte wie von Guns n' Roses im Olympiastadion oder der Toten Hosen in der Olympiahalle, das auf 2021 verschobene Fanfest zur Fußball-EM, das Actionsport-Fest Mash, der Münchner Sommernachtstraum oder das Tollwood-Festival. "Wir sind nahezu auf null gestellt, auch bei den Einnahmen", sagt Olympiapark-Sprecher Tobias Kohler, "für uns ist das eine absolute Katastrophe."

Mehr als 100 Veranstaltungen sind dem Park weggebrochen, Kohler rechnet "mit einem Jahresverlust von zehn bis zwölf Millionen Euro". Im Ergebnis - die Umsatzeinbußen liegen noch deutlich höher. In den vergangenen Jahren habe der Park immer einen Gewinn gemacht, "2019 war das Topjahr mit einem Plus von über vier Millionen Euro." Für die kommenden Jahre, wenn beispielsweise der Olympiaturm und das Olympiastadion wegen ihrer teuren Sanierung geschlossen werden, konnte die GmbH dadurch Rücklagen bilden. "Diese Rücklagen sind, wenn wir das Jahr überstehen wollen, komplett weg", sagt Kohler, der die European Championships einen "fetten Baumstamm im reißenden Fluss, an den wir uns klammern", nennt.

Die EM zieht auch an den Königsplatz, dort treten Kletterer und Beachvolleyballer an

Die neun Europameisterschaften sollen den Park wieder ins rechte (Werbe-)Licht rücken, schon 2018 schauten im Schnitt mehr als zwei Millionen Zuschauer in ARD und ZDF die EM-Turniere. Nachhaltige Wettkämpfe sind geplant, etwa 100 000 Betten werden in Hotels möglichst nahe an den Wettkampfstätten reserviert für Athleten, Delegationen, Kampfrichter, VIPs und Sponsoren. Die Triathleten schwimmen im (dann von Algen befreiten) Olympiasee, die Mountainbiker fahren auf den Olympiaberg und wieder hinunter, die BMX-Fahrer sollen, wie beim Actionsport-Fest Mash im vergangenen Jahr, ihre Kunststücke auf einem in den See gebauten Parcours vollführen.

Turnen wird vom neuen SAP-Garden, bei dem sich die Fertigstellung verzögert, in die Olympiahalle verlegt, was eine schöne Analogie zu 1972 mit sich bringt. Denn schon damals wurden dort die Olympiasieger an Barren, Boden, Pferd, Reck, Ringen und Sprung gekürt - wenn auch ohne Medaille für Eberhard Gienger. Die Bahnrad-Wettkämpfe müssen den Turnern deshalb weichen, an den östlichen Stadtrand nach Riem in eine Messehalle. Auf der Straße fahren die Radfahrer Richtung Murnau, die Radfahrerinnen durch den Landkreis Fürstenfeldbruck Richtung Landsberg.

Neben dem Olympiapark wird im Stadtzentrum ein zweites Zentrum aufgebaut, am Königsplatz, wo die Beachvolleyballer und Kletterer ihre Europameister küren. Geplant ist dort eine Tribüne für rund 5000 Zuschauer, Gastronomie und Bühnen für Kulturbeiträge. Beachvolleyball gilt mit höchsten TV-Einschaltquoten bei den jüngsten beiden Olympischen Spielen als Publikumsmagnet, Klettern ist eine der neuen Olympiadisziplinen - und in München ohnehin extrem populär. Dass Klettern nicht wie der alljährliche Boulder-Weltcup unter dem Zeltdach des Olympiastadions stattfindet, liegt an der dort fehlenden Höhe von 15 Metern, welche die Disziplinen Lead und Speed benötigen.

Eine der offenen Fragen ist noch, ob die Ruderregattastrecke wie geplant bis 2022 teilsaniert wird - oder all das wegen der leeren Stadtkassen verschoben werden muss.

"Die Sanierung ist leider in der Schwebe", sagt Kohler. Für die European Championships hat das keine Auswirkungen. Wird nicht saniert, arbeiten die Organisatoren eben wie anderswo mit temporären Bauten.

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