Süddeutsche Zeitung

Olympiadorf:"Die Olywelt ist ein Projekt von Jahrzehnten"

Die Genossenschaft Olywelt will eine möglichst große Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten im Quartier erhalten. Um sich Einfluss zu sichern, hat sie inzwischen drei Immobilien gekauft. Obwohl ein Café seit Sommer leer steht, blickt der Vorstand zuversichtlich in die Zukunft.

Von Lea Kramer

Vor neun Jahren ist die Bürgergesellschaft Olywelt mit dem Ziel gegründet worden, die Verwaltung der Einkaufsstraße am Helene-Mayer-Ring fest in die Hand der Bewohner des Olympischen Dorfes zu bringen. Ein ambitioniertes Projekt, das trotz einiger Rückschläge erfolgreich ist und solide Finanzen vorweisen kann.

Mittlerweile verpachtet die Genossenschaft vier der insgesamt 36 Gewerbeeinheiten in der Ladenmeile im Zentrum des Dorfs. Jüngster Neuzugang im Immobilienportfolio der Genossen ist ein Zeitschriften- und Schreibwarengeschäft. Der Eigentümer hatte es der Olywelt im Mai 2019 zum Kauf angeboten. Innerhalb weniger Monate brachten die Mitglieder das nötige Kapital von 200 000 Euro für ihre dritte eigene Fläche auf. "Ich hatte gehofft, dass unser Aufruf funktioniert", sagt der Vorsitzende Till von Feilitzsch, "dass die Resonanz so gut ist, hat mich positiv überrascht".

Feilitzsch hat vor drei Jahren das Amt des Vorsitzenden von Gründungsmitglied Eberhard Schunck übernommen, der sich aus Altersgründen zurückgezogen hat. Einen großen Sprung bei der Mitgliederzahl kann Feilitzsch nicht vermelden, wohl aber einen Anstieg der gezeichneten Anteile. Seit 2017 ist die Genossenschaft von 400 auf 422 Mitglieder gewachsen. Einige haben 2019 erneut investiert, um die Mittel für den Schreibwarenladen aufzubringen. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl gezeichneter Anteile von 3998 auf 5015, eine Summe von gut einer Million Euro.

Mitmachen kann jeder, doch es liegt in der Natur der Sache, dass die Anlage für Bewohner des Dorfs besonders attraktiv ist. Schließlich können sie durch die Einlage das Viertel mitgestalten. Für 200 Euro kann ein Anteil an der Olywelt erworben werden, dazu kommt eine einmalige Servicegebühr in Höhe von 50 Euro. "Es ist klar kommuniziert worden, dass es dabei auf kurze Sicht nicht um Rendite geht", sagt der Vorsitzende, sondern darum, die Wohnqualität im Dorf durch eine verbesserte Einkaufsstraße zu erhalten. Mittelfristig sei eine Ausschüttung aber nicht ausgeschlossen.

Momentan werden die meisten Anteile von 135 Mitgliedern gehalten. Ein Fakt, den der Vorstand in seinem Bericht bei der diesjährigen Generalversammlung hervorhob. Grundsätzlich sei es in der Wachstumsphase begrüßenswert, wenn Mitglieder neue Anteile zeichnen würden, heißt es dort. "Gleichzeitig weist der Genossenschaftsverband darauf hin, dass durch eine zu starke Konzentration von Anteilen bei wenigen Mitgliedern Abhängigkeiten und Risiken entstehen können." Deshalb prüfe der Vorstand, wenn mehr als 25 Anteile gezeichnet würden, habe aber bislang noch keinen Wunsch nach Aufstockung abgelehnt.

"Da ist noch eine Menge Luft nach oben, aber die Olywelt ist ein Projekt von Jahrzehnten und nicht von Jahren. Für vieles braucht man einen langen Atem", sagt Feilitzsch. Nicht nur bei der Suche nach neuen Mitgliedern, sondern auch dann, wenn es darum gehe, zwischen Vermietern und Pächtern zu vermitteln, um die Vielfalt in der Ladenstraße zu erhalten.

Diese teils langwierigen Beratungsgespräche schlagen sich nicht in der Bilanz der Olywelt nieder. Für die gut 7350 Einwohner des Olympischen Dorfes aber hat sich durch die Arbeit im Hintergrund allerdings im Laufe der Jahre einiges verbessert. So ist etwa die in einer von der Olywelt initiierten Haushaltsbefragung als schmerzlich vermisst angegebene Metzgerei inzwischen am Helene-Mayer-Ring vertreten. Eine Partnerfiliale der Post konnte ebenfalls im Viertel gehalten werden. "Bei besagter Filiale steht keine Veränderung an", bestätigt ein Sprecher der Deutsche Post DHL Group.

Einen Rückschlag haben die Genossen beim Brettspielcafé "Zamgwürfelt" hinnehmen müssen. Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne war es im Herbst 2018 am Platz vor der Kirche in einer Olywelt-Immobilie eröffnet worden. An die 800 Spiele gab es dort zur Auswahl, die in geselliger Runde an großen Tischen gespielt werden konnten. Ein Konzept, das weniger auf den Konsum von Speisen und Getränken abzielte, sondern darauf, Kontakt zu anderen Spielern herzustellen und die Bewohner des Dorfs zusammenzubringen. Keine einfache Aufgabe, unabhängig von einer globalen Pandemie, für die die Betreiber nach zwei Jahren keine Zukunft mehr sahen. Ende Juni 2020 schlossen sie das Café. Seither stehen die Räume leer.

Das könnte sich bald ändern, sagt der Olywelt-Vorsitzende. Die Genossenschaft ist in Verhandlungen mit einer neuen Pächterin. Die Verträge für ein Café mit angeschlossenem Nachbarschaftstreff sollen noch im Januar unterzeichnet werden. "Der Mieterwechsel kostet natürlich", sagt Feilitzsch. "Aber: Auch wenn es ein oder zwei Monate länger dauert, bis sich ein Betreiber für eine unserer Immobilien findet, können wir das abwarten."

Das Konto der Genossenschaft sei immer mehr oder weniger ausgeglichen. Das legt auch die Bilanz nahe, die eine geringe Verschuldung und gute Liquidität ausweist. Obwohl Ende 2019 das Dach des Restaurants Oly - das frühere Hongkong City am Helene-Mayer-Ring 11 - unerwartet für 33 000 Euro saniert werden musste, ist der Genossenschaft nur ein Verlust von 5000 Euro entstanden.

Wie sich die Corona-Pandemie auf die Mieteinnahmen und damit die Rentabilität auswirke, sei schwer abzuschätzen. "Durch den Schreibwarenladen sind wir aber besser aufgestellt und nicht mehr so von der Gastronomie abhängig", sagt Feilitzsch. Und vielleicht lasse sich ja doch noch irgendwann ein Drogeriemarkt motivieren, ins Olympische Dorf zu ziehen. "Das ist das eine große Ding, das fehlt."

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SZ vom 19.01.2021/syn/van
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