Bewerbung um SommerspieleMünchens Olympia-Ambitionen und ihre Folgen für den Verkehr

Lesezeit: 2 Min.

Für Sportler und Funktionäre werden während der Spiele üblicherweise „Olympic Lanes“ reserviert – hier in London im Jahr 2012.
Für Sportler und Funktionäre werden während der Spiele üblicherweise „Olympic Lanes“ reserviert – hier in London im Jahr 2012. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Die Bewerbung um Sommerspiele sollte bei einer Debatte des Verkehrsclubs Deutschland unter dem Titel „Fluch oder Segen?“ diskutiert werden. Der Abend geriet dann jedoch recht einseitig.

Von Joachim Mölter

Falls München in absehbarer Zeit noch mal Olympische Spiele ausrichten sollte, können sich die Bewohner des neuen Stadtteils Freiham darauf einstellen, außen vor zu bleiben. Zumindest verkehrstechnisch. Falls die Spiele hier stattfinden, werde zunächst das in Daglfing geplante Olympische Dorf ans U- und S-Bahn-Netz angeschlossen – und dafür die Anbindung des Münchner Westens mittels einer Verlängerung der U5 auf Jahrzehnte hinaus verschoben.

Dieses Szenario entwarf zumindest Florian Kaiser, politischer Referent des Bund Naturschutz in Bayern, bei einer Online-Debatte, zu der der Münchner Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in dieser Woche eingeladen hatte. „Olympia – Fluch oder Segen?“ lautete das Motto, Kaisers Antwort in seinem Impulsreferat war klar: eher Fluch.

Wer eine kontroverse Debatte über Sinn oder Unsinn einer Olympia-Bewerbung Münchens erhofft hatte, wurde jedenfalls enttäuscht. Ein Zuhörer klinkte sich sogar vorzeitig aus, weil ihm Kaisers Vortrag wie auch die anschließende Diskussion zu einseitig gerieten, wie er wissen ließ.

Anlass der Debatte war der für den 26. Oktober angesetzte Bürgerentscheid: Bei dem sollen die Münchner abstimmen, ob sich die Stadt nach 1972 noch einmal als Ausrichter Olympischer Spiele bewerben soll, für 2036, 2040 oder 2044. Ohne entsprechendes Votum der Bürger werde die Stadt nicht ins Rennen gehen, hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mehrmals bekräftigt. Der Stadtrat hat sich bereits mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, seit Kurzem wirbt die Kommune bei der Bevölkerung „fast schon aufdringlich“ um Zustimmung, wie Kaiser findet.

In ihrer Werbekampagne greife die Stadt die schönen Erinnerungen an Olympia 1972 und die European Championships 2022 auf, „um eine positive Stimmung zu erzeugen“, erläuterte Kaiser zunächst das PR-Konzept. „Der Bund Naturschutz will kein Spaßverderber sein“, sagte er, „aber so wie die European Championships wird Olympia nicht werden.“

Die Erfahrung von früheren Olympia-Ausrichtern zeige eins, so Kaiser: „Versprechungen werden nicht eingehalten oder treten nicht ein.“ Jüngstes Beispiel: die australische Stadt Brisbane, Austragungsort im Jahr 2032. Dort hatten die Organisatoren versichert, keine großen Arenen zu bauen, es seien genug vorhanden; nun präsentierten sie plötzlich doch Pläne für ein neues Olympiastadion – in einem bislang als Park genutzten Gelände.

Befürworter von Olympia in München argumentieren gern, dass durch die zu erwartenden Zuschüsse von Bund und Land dringend notwendige Verkehrsprojekte realisiert werden könnten. Dem hielt Kaiser entgegen, dass nicht alle Vorhaben gleichzeitig verwirklicht werden könnten: „Einige müssten zurückgestellt werden.“ Zum Beispiel die ÖPNV-Anbindung von Freiham, die für den Transport der Olympia-Gäste nicht wichtig sei. Zudem sei ungewiss, ob alle Projekte rechtzeitig fertig würden – zweite Stammstrecke, S-Bahn-Nordring, Neugestaltung des Hauptbahnhofs, Neubau der U9, Verlängerung der U4, womöglich schnellere Anbindung an den Flughafen.

München wirbt um Zustimmung
:Sieben Gründe für ein „Ja“ zu Olympia

Am 26. Oktober dürfen die Münchnerinnen und Münchner über eine Bewerbung um Olympische Sommerspiele abstimmen. Mit welchen Argumenten die Stadt ihre Bürger überzeugen will.

Von Anna Hoben

Mit Sicherheit würde nur eins kommen, behauptete Kaiser: die „Olympic Lanes“, die abmarkierten Fahrspuren für die Funktionäre des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die würden auf diesen privilegierten Wegen flott hin und her fahren zwischen Sportstätten und Hotels, während die Bevölkerung auf den übrig gelassenen Schmalspuren im Stau stehe.

Angesichts der vielen offenen (Verkehrs-)Fragen, regten einige Zuhörer in der anschließenden Debatte an, den Ratsentscheid zu verschieben, bis konkretere Pläne vorliegen statt nur „eine Ansammlung von Wunschvorstellungen“. Das offenbarte die Unkenntnis, wer die Herren des Bewerbungsverfahrens sind: IOC und Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB). Die geben Zeitplan und Rahmenbedingungen vor, das IOC vor allem den „Host City Contract“, ein Vertragswerk mit „diktatorischem Charakter“, wie Kaiser es beschrieb.

Das zweifelte der Freisinger Andreas Kagermeier, Vorstandsmitglied im Landesverband Bayern des VCD, zwar an: „Ich glaube nicht an eine rigorose Durchsetzung dieses Host City Contracts.“ Aber auch das spricht dafür, die Bevölkerung weiter aufzuklären, was bei Olympia auf sie zukommt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Visueller Wettbewerb
:Olympia in München: „Bessere Bilder gibt es gar nicht“ Wirklich?

Radrennen vor dem Buckingham Palace in London, Reiter vor Versailles in Paris – kann da die doch etwas kleinere Weltstadt München mithalten? Ein Vergleich in Bildern.

SZ PlusVon René Hofmann

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: