Ende Mai muss die Stadt München ihr Konzept für eine Olympia-Bewerbung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) abgeben. Im Stadtrat befürwortet eine deutliche Mehrheit das Vorhaben. Ob München sich aber tatsächlich bewirbt um die Sommerspiele 2036 oder 2040, sollen im weiteren Verlauf des Jahres die Bürger entscheiden – zumindest hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ihnen das versprochen.
Der Franzose Paul Alauzy hält es für eine gute Sache, die Bevölkerung einzubeziehen: „In Paris haben wir keine Möglichkeit gehabt, über Olympia abzustimmen.“ Im Nachhinein findet er es aber „wichtig, dass die Leute wissen, was auf sie zukommt“. Nämlich: „viele Versprechungen, die nicht eingehalten wurden.“
Der Sozialwissenschaftler Alauzy hat sich im Rahmen der Spiele von Paris 2024 im Bündnis „le revers de la médaille“ engagiert, zu deutsch: die Kehrseite der Medaille. Mit seiner Mitstreiterin Aurélia Hout sowie mit Katharina Horn, der Geschäftsführerin von Bund Naturschutz in Bayern, will er nun die Münchnerinnen und Münchner auf Olympias Schattenseiten hinweisen – bei einer Podiumsdiskussion am Freitag (19 Uhr) im Kulturzentrum Luise an der Ruppertstraße. Thema des Abends: „Wie nachhaltig, sozial und gerecht war der Glanz von Paris?“
Veranstalter ist die Stadtratsfraktion der Linken; auf deren Einladung hin berichtete Alauzy bereits am Donnerstag einer Medienrunde, was er bei Olympia hinter den Kulissen gesehen hat. Damit die Spiele von Paris den glänzenden Eindruck machen konnten, den sie nicht nur in Deutschland hinterließen, habe es vorher „soziale Säuberungen“ gegeben: Obdachlose, Geflüchtete, Prostituierte, illegale Migranten seien aus dem Blickfeld von Olympia-Stätten entfernt worden, insgesamt rund 20 000 Menschen, wie übereinstimmende Zählungen von Polizei und Sozialverbänden ergeben haben. „Man hat uns die inklusivsten Spiele der Geschichte versprochen“, bilanziert Alauzy, „was wir erlebt haben, war Verdrängung und Exklusion“.
Auch mit der Nachhaltigkeit sei es nicht weit her gewesen. So seien weitgehend plastikfreie Spiele verkündet worden, aber die Brausegetränke eines Olympia-Sponsors unter den Theken und Tischen dann doch aus Plastikflaschen in Gläser umgefüllt worden. Alauzy kommt auch auf Preissteigerungen zu sprechen, die Olympia stets nach sich zieht. Allein die Mieten für die 14 000 Wohnungen im früheren Olympischen Dorf von Paris lägen bereits um 30 Prozent über denen in der Umgebung. Und dort zögen sie ebenfalls an. „Gentrifizierungs-Beschleunigung“ nennt er das.
Angesichts von Alauzys Schilderungen hat Linken-Fraktionschef Stefan Jagel Sorgen, einer Organisation wie dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) das Feld zu überlassen – was angesichts der Ausrichterverträge sehr wörtlich zu verstehen ist. Als Entscheidungshilfe für einen Bürgerentscheid hat er deshalb eine Infobroschüre zu Risiken und Nebenwirkungen einer Münchner Olympia-Bewerbung erstellt. Untertitel: „7 Gründe gegen Olympia“.