Vor 50 Jahren steht München ganz im Zeichen von Olympia. Dabei zeigt die Stadt der Welt ein heiteres Gesicht - bis der Anschlag palästinensischer Attentäter auf das israelische Team der Unbeschwertheit am 5. September ein jähes Ende setzt. Die SZ dokumentiert die Ereignisse rund um die Spiele zwischen dem 25. August und dem 11. September 1972. Die Texte basieren auf Gesprächen mit Zeitzeugen, Literatur, Dokumentationen, Filmaufnahmen sowie der Auswertung zahlreicher Zeitungsartikel aus dem SZ-Archiv (hier eine Übersicht über die Zeitzeugen und Quellen).
Verfolgen Sie die historischen Ereignisse:
Barbara Galaktionow
Willkommen zum historischen Liveblog zu Olympia 1972!
Sechs Jahre ist es 1972 her, da bekam München den Zuschlag für die Olympischen Spiele. In dieser Zeit wurde die bayerische Landeshauptstadt in atemberaubendem Tempo olympiareif gemacht. Auf dem Oberwiesenfeld an der nördlichen Peripherie der Stadt entstanden architektonisch gewagte und wegweisende Sportstätten und zudem das Olympische Dorf, eine Art Stadt in der Stadt, wo nun die Athleten und Sportfunktionäre aus aller Welt untergebracht werden. Die neue U-Bahn mit ihrer erst kürzlich eingeweihten “Olympialinie” steht bereit, um Sportfans schnell und unkompliziert zu den Wettkämpfen zu transportieren. Heiter, dynamisch, unpathetisch sollen sie sein, die Spiele in München, Deutschland will sich klar abgrenzen von den letzten Olympischen Spielen auf deutschem Boden 1936 unter den Nationalsozialisten in Berlin. Die Vorfreude ist riesig.
Die SZ dokumentiert die Ereignisse rund um die Spiele zwischen dem 25. August und dem 11. September 1972 in einem historischen Liveblog. Inhaltlich orientiert sich dieser an Ereignissen von größerem Nachrichtenwert - einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt er nicht. Es werden jedoch auch kleinere, bisweilen kuriose Ereignisse geschildert und unbekannte Akteure eingebunden, die die Stimmung der damaligen Zeit transportieren. Die Begebenheiten sind tagesgenau, sofern möglich auch stunden- oder minutengenau wiedergegeben. Manche Einträge beleuchten aber auch die Hintergründe der Ereignisse.
Die SZ dokumentiert die Ereignisse rund um die Spiele zwischen dem 25. August und dem 11. September 1972 in einem historischen Liveblog. Inhaltlich orientiert sich dieser an Ereignissen von größerem Nachrichtenwert - einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt er nicht. Es werden jedoch auch kleinere, bisweilen kuriose Ereignisse geschildert und unbekannte Akteure eingebunden, die die Stimmung der damaligen Zeit transportieren. Die Begebenheiten sind tagesgenau, sofern möglich auch stunden- oder minutengenau wiedergegeben. Manche Einträge beleuchten aber auch die Hintergründe der Ereignisse.
Lisa Sonnabend
München hat sich vorbereitet
1600 Hostessen und 300 Chauffeure kümmern sich um die Gäste, 110 Sanitäter und 250 Ärztinnen sind bereit für den ersten Einsatz, 1000 Kontrolleure und Programmverkäufer werden sich in den Stadien postieren, 1050 Personen vom Sicherheitsdienst sorgen für Ordnung, 24 000 Soldaten sind als Olympiahelfer abgestellt und 12 000 Polizisten aus allen Bundesländern sind in München präsent. 4000 Journalistinnen und Journalisten aus über 100 Ländern nehmen die Arbeit im Pressezentrum im Olympiadorf auf. Es kann losgehen.
Barbara Galaktionow
Rekordbetrieb in München Riem
So viel los war noch nie am Münchner Flughafen: Alle 150 Sekunden landet oder startet eine Maschine, insgesamt 172 Flüge werden abgewickelt, wie die SZ vermeldet, - am Tag vor dem Beginn der Olympischen Spiele drängen die Massen in die bayerische Landeshauptstadt. Allein am Vormittag sind es “140 Sportler, ein Astronaut, 142 dänische Athleten, ein Prinz und drei Flugzeugladungen Russen”, wie der SZ-Reporter beobachtet. Bei dem Astronauten handelt es sich um James A. Lovell, den Kommandanten des Raumflugs Apollo 13. "Grüß Gott", sagt er mit rollendem "rrr". Für die Begrüßung der offiziellen Gäste ist ein eigens eingerichtetes Empfangskomitee unter einem “Chefempfänger” namens Ulrich Brauer zuständig. Alles läuft glatt, nicht nur in Riem, sondern auch an den Flughäfen Fürstenfeldbruck und Neubiberg - und am Bahnhof. Brauer zeigt sich erleichtert und nimmt vor dem Journalisten kein Blatt vor den Mund: “Da hatten wir ja so fürchterliche Angst davor, der Bahnhof ist ja so fürchterlich, vor allem nachts mit den vielen Pennern.”
Zahlreiche Teams kommen in den Tagen vor Beginn der Olympischen Spiele am Münchner Flughafen an. Hier besteigen die Athleten und Athletinnen der DDR in Riem einen Bus. Foto: Imago
Lisa Sonnabend
Fahrer Joseph Hönle: Olympia statt Kaserne
Joseph Hönle aus Nördlingen ist schon seit ein paar Wochen in der Stadt. Eigentlich leistet er seinen Wehrdienst in Schwaben. Das Kasernenleben langweilt ihn meist, also zögerte er nicht lange, als es hieß, es werden Fahrer für die Olympischen Spiele gesucht. Der 19-Jährige bekommt den Job, einen nagelneuen, hellblauen VW-Bus, Fahrtraining in der Stadt und eine Aufgabe: das amerikanische Leichtathletik-Team zu betreuen. Schon Tage bevor Olympia beginnt, landen die ersten Sportlerinnen und Sportler in Riem. Manche mit großen Koffern, manche gar mit Stabhochsprungstäben. Um die langen Sportgeräte zur Trainingsstätte im Dantestadion zu transportieren, kurbelt Hönle das Beifahrerfenster seines hellblauen Wagens herunter, er weist die Athleten an, sich zu ducken, ehe er die Stäbe hindurch steckt. Weit aus dem Fenster ragen sie heraus. Und ab geht es in die Stadt.
Joseph Hönle erinnert sich bei einem Spaziergang durch den Olympiapark an seine Erlebnisse 1972. Foto: Lisa Sonnabend
Barbara Galaktionow
Hostess Rebekka Magnúsdóttir: "Einmal wurde ich gebeten, das japanische Basketballteam vom Flughafen abzuholen“
Rebekka Magnúsdóttir aus Island arbeitet als Hostess bei den Olympischen Spielen. Da sie mehrere Fremdsprachen beherrscht und gern im Ausland arbeiten wollte, hatte sie sich beim Olympischen Komitee beworben - erfolgreich. Ab dem 23. Juli 1972 hat sie einen Arbeitsvertrag in München. Die 22-Jährige wohnt wie viele Hostessen in der Studentenstadt.
"Kurz vor Beginn von Olympia arbeitete ich zunächst beim Empfangskomitee. Das saß in einem Büro im Olympischen Dorf und war wie eine Art Hotel-Rezeption. Da kamen Sportler aus allen möglichen Ländern hin, wenn sie Fragen hatten: Wo ist die Kantine, wo andere Servicestellen im Olympischen Dorf oder wie kommt man in die Innenstadt? Einmal wurde ich gebeten, das japanische Basketballteam vom Flughafen abzuholen. Daran kann ich mich besonders gut erinnern. Denn die Japaner sind normalerweise besonders klein und diese waren besonders hochgewachsen. Ich fand das sehr spannend, weil ich nie vorher in meinem Leben Japaner gesehen hatte. Das war wie ein Wink aus der Zukunft: Später habe ich insgesamt zehn Jahre in Japan gelebt mit meinem Mann, der beim Auswärtigen Amt gearbeitet hat.“
Rebekka Magnúsdottir auf einem Foto vom Foto in späteren Jahren mit ihrem Ehemann. Foto: privat
Barbara Galaktionow
Zu Fuß, per Einrad oder Pferdefuhrwerk - alternative Anreisen
Nicht alle Olympia-Freunde kommen auf herkömmlichen Wegen zum Sportevent. Die Abendzeitung und die SZ berichten von einer Vielzahl strapaziöser, bisweilen auch ungewöhnlicher Anreisen. Da ist ein italienischer Briefträger, der auf seinem Weg von Sizilien nach München drei Fahrräder verbraucht. Ein 21-jähriger Inder kreuzt zwei Monate lang mit dem Rad durch allerlei Länder, unter anderem Afghanistan, Irak, Jugoslawien. Per Einrad legt ein Mann aus Würzburg die Strecke zurück - und braucht dafür eigens eine Sondergenehmigung des Straßen-Verkehrsaufsichtsamts. Ein Bremer Planwagenfahrer bekommt hingegen Probleme mit der Polizei, als er seine Pferde in den Isarauen an der Wittelsbacherbrücke grasen lässt. Eine Gruppe von etwa 800 Schweizerinnen und Schweizern läuft in einem Sechs-Tage-Marsch nach München, mitmachen dürfen “fußtüchtige Frauen und Männer ohne Altersgrenze”, deren Kleidung “sauber und nicht anstößig” sein soll, so der Aufruf zur Wanderung.
Barbara Galaktionow
Sportfan Klaus Petri über den nigerianischen Olympia-Gast seiner Familie: "Wir waren alle überrascht“
Drei bis vier Millionen Besucher werden bei den Olympischen Spielen in München erwartet. Viele reisen extra an, auch aus dem Ausland. Und nicht alle Gäste kommen in regulären Hotels und Pensionen unter. Klaus Petri, der damals 15 Jahre alt war und mit seiner Familie in München lebte, erinnert sich:
"Die Stadt München hatte einen Aufruf gemacht, dass sie Quartiere für Olympiagäste brauchen, es gab nicht genügend Hotelbetten. Da wir in unserer Wohnung im Cosimapark ein Zimmer frei hatten, meldeten sich meine Eltern. Und dann klingelte es einen Tag vor Beginn der Spiele an der Tür und vor uns stand in traditioneller nigerianischer Tracht James aus Lagos. Wir waren alle überrascht, weil das doch sehr exotisch war für die damalige Zeit. James war allerdings auch überrascht, denn er ging davon aus, in einem Hotel untergebracht zu werden. Doch dann fand er es schön, mit Familienanschluss zu wohnen. Ich habe mein spärliches Schulenglisch ausgepackt und ihm im Radio den amerikanischen Sender AFN eingestellt, damit er wenigstens im Radio Nachrichten in ordentlichem Englisch hören konnte. James hat mit uns zusammen gefrühstückt und zu Abend gegessen, wir haben ihm München gezeigt und waren einmal mit ihm in den Bergen. Er fühlte sich auch als ein Teil unserer Familie. James war über 60 Jahre alt, erzählte uns, dass er in Nigeria sechs Kinder habe, sich besonders für die olympischen Boxkämpfe interessiere und dafür Eintrittskarten habe.”
Klaus Petri über den Olympiagast seiner Familie. Neben ihm sitzt Werner Göldner, mit dem Petri bei Olympia '72 viele Wettbewerbe besuchte. Video: Martin Moser
Barbara Galaktionow
DDR-Touristendelegation reist an
Ein Sonderzug der Reichsbahn bringt einen Tag vor Beginn der Spiele die ersten 1000 Zuschauer aus Dresden, Leipzig, Erfurt und Ostberlin nach Bayern - die nächsten 1000 dürfen eine Woche später anreisen. Die ostdeutschen Olympia-Touristen sind sorgfältig ausgewählt, erstes Kriterium ist dabei nicht der Bezug zum Sport, sondern die Regimetreue. In zweitägigen Schulungen werden die Erwählten auf ihren West-Besuch vorbereitet, bei dem sie sich “jederzeit und in jeder Situation der Tatsache bewusst” sein sollen, dass sie sich “in einem imperialistischen Staat aufhalten”, in einem Staat, “der von politischen Gegnern regiert wird”, wie es in den “Allgemeinen Verhaltensgrundsätzen” der DDR-Führung heißt. Sich unter diesen Umständen wie gefordert “selbstbewusst und korrekt” zu verhalten, scheint nicht ganz einfach zu sein. Bei der Ankunft in ihren Olympiaquartieren in Kiefersfelden und Oberaudorf reagieren die DDR-Bürger Berichten zufolge jedenfalls eher verschüchtert auf die herzliche Begrüßung durch die dortigen Einwohner.
Barbara Galaktionow
Olympisches Feuer kommt in München an
Ausgestattet mit Kameras und Transistorgeräten verfolgen etwa 2000 Menschen die Ankunft des olympischen Feuers an der südlichen Stadtgrenze. Über eine Länge von 200 Metern säumen sie in dichten Reihen die Geiselgasteigstraße, wo die Polizei alle Hände voll zu hat, die auf die Straße drängenden Menschen zurückzuhalten, wie die SZ später berichten wird. Um 18.05 Uhr vermeldet ein Rundfunksprecher: “Soeben hat der Läufer den Marktplatz in Grünwald erreicht, die Zuschauer haben den Platz völlig blockiert, so dass für Autos kein Durchkommen mehr ist.” Drei Minuten später ist es soweit: Die Olympia-Fackel wird an den ersten Münchner Läufer übergeben, Dieter Hanschmann, der sie im weißen Trikot und mit Olympia-Emblem weitertragen wird.
Später wird das olympische Feuer bei einer Zeremonie vor 20 000 Zuschauern offiziell empfangen - ausgerechnet am Königsplatz, der von den Nationalsozialisten gern als Aufmarschplatz genutzt wurde, brennt dann die Flamme in einer Feuerschale vor griechischen Säulen. Doch das düstere Erbe wird atmosphärisch gut umschifft. Statt Soldaten stehen Hostessen in hellen Dirndln Spalier und statt Militärmusik spielen eine Mariachi-Band aus Mexiko City und eine Mädchen-Kombo aus Montreal auf, den vergangenen beziehungsweise künftigen Austragungsorten der Spiele, wie Roman Deininger und Uwe Ritzer in ihrem Olympia-Buch schreiben. Im Anschluss wird das olympische Feuer zum Maximilianeum, dem Sitz des Bayerischen Landtags gebracht, wo es in einem Kohlenbecken übernachten darf, bis es bei der Eröffnung der Spiele am kommenden Nachmittag seinen großen Auftritt hat.
Später wird das olympische Feuer bei einer Zeremonie vor 20 000 Zuschauern offiziell empfangen - ausgerechnet am Königsplatz, der von den Nationalsozialisten gern als Aufmarschplatz genutzt wurde, brennt dann die Flamme in einer Feuerschale vor griechischen Säulen. Doch das düstere Erbe wird atmosphärisch gut umschifft. Statt Soldaten stehen Hostessen in hellen Dirndln Spalier und statt Militärmusik spielen eine Mariachi-Band aus Mexiko City und eine Mädchen-Kombo aus Montreal auf, den vergangenen beziehungsweise künftigen Austragungsorten der Spiele, wie Roman Deininger und Uwe Ritzer in ihrem Olympia-Buch schreiben. Im Anschluss wird das olympische Feuer zum Maximilianeum, dem Sitz des Bayerischen Landtags gebracht, wo es in einem Kohlenbecken übernachten darf, bis es bei der Eröffnung der Spiele am kommenden Nachmittag seinen großen Auftritt hat.
Foto: Imago
Barbara Galaktionow
Fackellauf - erfunden von den Nazis
Der Fackellauf gehört 1972 bereits zu den Ritualen der Olympischen Spiele. Und doch ist er eigentlich eine relativ junge Erfindung: Ausgerechnet die Nationalsozialisten ließen die Flamme 1936 erstmals durch Fackelläufer vom griechischen Olympia ins Berliner Olympiastadion tragen. Damals stellte die Friedrich Krupp AG die Fackeln her, das wichtigste Rüstungsunternehmen des Deutschen Reiches. Und auch dieses Mal kommt die Firma zum Zug - bundesdeutsche Offizielle haben offensichtlich kein Problem mit dieser Kontinuität. Und das, obwohl die Krupp-Fackel aus dem Stahl Nirosta mit 1,35 Kilogramm ungefähr doppelt so schwer ist wie vom Olympischen Komitee vorgesehen.
Barbara Galaktionow
Gedenkfeier am Konzentrationslager Dachau
Am Vorabend der Olympischen Spiele wird auf dem Appellplatz des früheren Konzentrationslagers Dachau der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. 2000 Menschen nehmen teil, darunter die Initiatoren der Münchner Olympia-Ausrichtung, SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel und Willi Daume, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees - aber kein einziges Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees. Auch Mitglieder des israelischen Olympia-Teams sind anwesend, einige Bürgermeister israelischer Städte und - auf Einladung Vogels - viele jüdische Emigranten, die aus München hatten fliehen müssen. Der polnische Erzbischof Adam Kozlowiecki, der fünf Jahre Haft in Dachau überlebt hat, ruft den Zuhörern ins Gedächtnis, dass schon Menschen in den KZs starben, als die Nazis 1936 ihre Olympischen Spiele in Berlin inszenierten.
Lisa Sonnabend
Die Farben der heiteren Spiele
Blau, Grün, Orange, dazu die Ergänzungsfarben Blauviolett, Dunkelgrün, Hellorange: Das Erscheinungsbild der Spiele ist ein Gegenentwurf zu Adolf Hitlers Propagandaspielen 1936 in Berlin. Auf Rot und Schwarz verzichtet das Design-Team um Otl Aicher komplett. Deutschland will sich von einer neuen Seite zeigen. Im Normenbuch zu den Spielen heißt es: „So sollen die Spiele sein: Heiter, leicht, dynamisch, unpolitisch, unpathetisch, frei von Ideologie, eine spielerische Durchdringung von Sport und Kultur."
Die Olympia-Pastellfarben finden sich auf Plakaten, Souvenirs, Fahnen und Piktogrammen. Sie bestimmen das Erscheinungsbild der Stadt, schon lange vor der Eröffnung. Im Olympiapark finden sie sich noch heute auf Hinweisschildern oder den Trägermasten des Stadions, auf Flohmärkten werden Devotionalien von damals teuer gehandelt. 50 Jahre später. Ein zeitloses Design.
Holger Gertz beschreibt in einem SZ-Artikel, wie die Vision der heiteren Spiele umgesetzt wurde:
Die Olympia-Pastellfarben finden sich auf Plakaten, Souvenirs, Fahnen und Piktogrammen. Sie bestimmen das Erscheinungsbild der Stadt, schon lange vor der Eröffnung. Im Olympiapark finden sie sich noch heute auf Hinweisschildern oder den Trägermasten des Stadions, auf Flohmärkten werden Devotionalien von damals teuer gehandelt. 50 Jahre später. Ein zeitloses Design.
Holger Gertz beschreibt in einem SZ-Artikel, wie die Vision der heiteren Spiele umgesetzt wurde:
Barbara Galaktionow
“Sauber!” - Wie Vogel und Daume die Spiele nach München holten
Die Welt blickt auf München - doch ohne die Vision dieser zwei Männer wäre es wohl kaum dazu gekommen, dass nun in wenigen Minuten die Olympischen Spiele in der bayerischen Landeshauptstadt beginnen: Willi Daume, den Präsidenten des Deutschen Sportbunds (DSB) und des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), und Hans-Jochen Vogel, den langjährigem Münchner Oberbürgermeister. Erzählt wird die Geschichte so: Am 28. Oktober 1965 trat Daume in Vogels Büro im Münchner Rathaus und kam gleich zur Sache: “Warum bewirbt sich München nicht um die Olympischen Spiele?”, fragte er den SPD-Kommunalpolitiker. Der brachte erst nur ein Wort heraus: “Sauber!”, begriff dann aber schnell, welche Chancen sich mit dem Sportevent für München boten. Daume und Vogel machten sich ans Werk - und nur ein halbes Jahr später, am 26. April 1966, erhielt München den Zuschlag für die Sommerspiele 1972.
Barbara Galaktionow
Telegrafistin Monika Lindner über das Pressezentrum des Olympischen Dorfes: "Wir sind nur noch mit so Sprühflaschen herumgelaufen“
Die Eröffnung der Spiele ist nur noch wenige Stunden entfernt, auch das Pressezentrum erwartet an diesem Tag seinen ersten großen Ansturm. Dort hat man sich vorbereitet - wenn auch zum Teil mit ungewöhnlichen Mitteln, wie Monika Lindner erzählt. Die Münchnerin arbeitet während der Spiele als Telegrafistin im Olympia-Pressezentrum. Sie ist 21 Jahre alt und frisch verheiratet. Ihr Mann hat zugestimmt, dass sie auch nach der Hochzeit weiter arbeiten darf - wie das 1972 gesetzlich vorgeschrieben ist.
“Wir waren schon etwa eine Woche vor Beginn der Olympischen Spiele draußen im Pressezentrum – das wurde da gerade eingerichtet. Das Pressezentrum lag westlich vom Olympischen Dorf, das war so ein viereckiger Bau, später wurde er abgerissen, heute ist dort eine Berufsschule. Es war toll, alles neu, alles sauber. Es gab allerdings ein Problem: Die Wände waren alle aus Kunststoff, überall lag Teppichboden. Und der war immer elektrisch aufgeladen. Wenn wir unsere Maschinen angelangt haben, hat es uns jedes Mal eine gewischt. Innerhalb kürzester Zeit sind wir deshalb nur noch mit so Sprühflaschen herumgelaufen, womit man zum Beispiel Blumen bespritzt. Damit haben wir den Teppich nass gespritzt, dass wir überhaupt arbeiten haben können.“
Foto: Imago
Lisa Sonnabend
In 195 Disziplinen wird um Gold gekämpft
Als 1896 in Athen die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit ausgetragen wurden, nahmen 241 Athleten teil, Frauen waren nicht zugelassen. Es wurden 43 Goldmedaillen in neun Sportarten verliehen. In München haben die Spiele längst eine neue Dimension erreicht: Die mehr als Athletinnen und Athleten aus 121 Mannschaften messen sich vom 27. August an in 21 Sportarten bei 195 Wettkämpfen - ein neuer Rekord.
Die Handballer sind erstmals dabei, die Bogenschützen erstmals seit Langem wieder. Goldmedaillen werden nun auch im Fliegengewicht beim Gewichtheben oder bei der 4-×-400-Meter-Staffel der Frauen vergeben. Es gibt 23 Wettbewerbe mehr als noch vier Jahre zuvor in Mexiko. Und das Ende des Expansionsstreben des IOC ist damit längst nicht erreicht. Bei den Spielen 2021 in Tokio werden gar 339 Wettkämpfe ausgetragen werden, im Laufe der Zeit werden immer neue Sportarten hinzukommen. Zuletzt BMX, Surfen und Skateboarden. Brot und Spiele wie in der römischen Kaiserzeit.