Der Zuschlag für München als Ausrichter der Olympischen Spiele war gerade mal ein paar Monate her, als im Herbst 1966 durchsickerte: Der geplante Kostenrahmen von 497 Millionen D-Mark sei nicht einzuhalten, es würden mindestens 23 Millionen mehr werden. Preissteigerungen bei den Baustoffen, leider nichts zu machen. Die Kritiker der Münchner Bewerbung durften sich bestätigt fühlen. Das ging ja los wie zuvor in Tokio oder Mexiko-Stadt, wo das Olympia-Budget explodiert war. Aber es ging dann doch etwas anders weiter.
Am Ende kosteten die Spiele zwar 1,9 Milliarden D-Mark, tatsächlich fast viermal so viel wie ursprünglich kalkuliert. Doch nicht nur die Ausgaben des Organisationskomitees (OK) waren mit den Jahren dramatisch gestiegen - sondern auf beinahe wundersame Weise auch die Einnahmen. Die Organisatoren kamen auf die originellsten Ideen, um ihre Spiele zu finanzieren. Einige davon muten mit dem Abstand von fünfzig Jahren ziemlich kurios an.
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Zunächst musste das OK allerdings politische Widerstände überwinden. In der CSU, der bayerischen Regierungspartei, wuchs die Sorge, dass spendierlustige Sozialdemokraten wie der Münchner Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel den Freistaat mit ihrem Olympia-Abenteuer in den Ruin treiben. Bereits in der Bewerbungsphase hatten fünf CSU-Bundestagsabgeordnete in einem Telegramm an Vogel wegen der "angespannten Finanzsituation von Bund und Land" den Münchner Rückzug verlangt: "Ein Verzicht wäre ein Akt der politischen Einsicht und Bescheidenheit, der in der Welt gewürdigt werden dürfte."
Als Bayerns Finanzminister die Kosten für das Dach sieht, fordert er die Rückgabe der Spiele
In den folgenden Jahren erklärten die Skeptiker den kühnen Stadionentwurf des Architekten Günter Behnisch zum Sinnbild olympischer Verschwendung. Behnisch und seine Partner hatten die Kosten für "das Dach" eher freihändig kalkuliert, das Projekt wurde teurer und teurer. Konrad Pöhner von der CSU, Bayerns Finanzminister und als Bauunternehmer vom Fach, forderte die Rückgabe der Spiele an das Internationale Olympische Komitee. Doch die Organisatoren wussten die beiden wichtigsten CSU-Vertreter auf ihrer Seite: Ministerpräsident Alfons Goppel und Parteichef Franz Josef Strauß hatten die großen Chancen für Stadt und Land erkannt, sie riefen die Rebellen zur Ordnung.
Die Debatten um die Finanzen legten sich, als sich die sozialliberale Regierung Willy Brandts bereiterklärte, den Bundesanteil am Olympiabudget auf 50 Prozent zu erhöhen. Damit mussten Land und Stadt jeweils nur noch für ein Viertel statt für ein Drittel der Gesamtkosten aufkommen. Und dann war da dieser bayerische Finanzbeamte, der dem OK den Verkauf von Zehn-Mark-Olympiamünzen vorschlug: Bei 2,50 Mark Kosten bringe jede einzelne Münze 7,50 Mark Gewinn. Der Erfolg der Aktion verblüffte selbst die größten Optimisten: 100 Millionen Münzen wurden verkauft, 750 Millionen D-Mark flossen in die OK-Kassen. Offenbar hatte Anfang der 70er-Jahre in Deutschland kaum noch jemand Geburtstag, ohne ein paar Olympiamünzen geschenkt zu kriegen.
Auch ein Olympia-Briefmarkensortiment erwies sich als Renner, dazu kam die "Olympialotterie": Für zehn Pfenning, den "Olympiagroschen", nahm jeder normale Lottoschein an einer Zusatzverlosung teil. Die Groschen summierten sich zu satten 252 Millionen D-Mark. Im Fernsehen lockte derweil die "Glücksspirale" mit einem für damalige Verhältnisse fabelhaften Rekordgewinn von einer Million Mark, ARD und ZDF durften dafür das offizielle Strahlen-Emblem der Spiele nutzen. "Mit fünf Mark sind sie dabei", lautete der Slogan, neben Franz Beckenbauer machte auch der britische Schauspieler Patrick Macnee, bekannt aus der TV-Serie "Mit Schirm, Charme und Melone", Werbung - zur Erheiterung des Publikums in Lederhosen. Die Glücksspirale spielte 187 Millionen Mark ein.
Eine weitere sehr rentierliche Idee des Olympiachefs Willi Daume war der erstmalige Verkauf von Fernsehrechten ins Ausland, der 33 Millionen Mark einfuhr. Außerdem entwickelte das OK großes Geschick beim Betteln um Sachspenden. Ein "Olympiaförderverein" machte Möbel fürs Pressezentrum klar, Technik für die Stadien, Lebensmittel für die Kantinen oder Kosmetika für die Hostessen. Der wahre Wert einiger Werbegeschäfte wurde nie ermittelt: Mercedes durfte etwa seinen Stern auf die Eintrittskarten setzen, natürlich zur Verstimmung der Münchner Konkurrenz BMW. Siemens war als EDV-Partner sehr präsent; den Sportartikelherstellern Adidas und Puma wurde gestattet, ihre Ware im Olympischen Dorf anzubieten.
Daume hatte gehofft, die Spiele zu einer Art nationalem Gemeinschaftsprojekt zu machen. Der Plan ging auf, Manager und Bürger trugen ihren Teil bei. Unterm Strich blieben dem Bund vergleichsweise überschaubare 311 Millionen D-Mark an Kosten, Land und Stadt waren mit jeweils 154 Millionen dabei. OB Hans-Jochen Vogel konnte noch viele Jahre später stolz berichten, wie er zwischen 1966 und 1972 einfach pro Haushaltsjahr etwa 20 Millionen Mark für Olympia ansetzte - "einen Betrag, der niemals ein Prozent des städtischen Haushalts deutlich überstieg". Das, sagte Vogel, habe wesentlich "zur Akzeptanz der Spiele in der Bevölkerung" beigetragen.