Süddeutsche Zeitung

Oktoberfestattentat:In Tracht zum Trauerakt

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Zwölf Menschen starben 1980 bei dem rechtsradikalen Anschlag auf das Oktoberfest, 221 wurden verletzt. Zum 41. Jahrestag hat die DGB-Jugend der Opfer gedacht.

Von Franz Kotteder

"Als 2018 beschlossen wurde, endlich eine würdige Gedenkstätte zu schaffen, war das eine große Erleichterung", schloss die Rede von Claudia Zimmerer, die ihr Sohn Laurenz Ranninger verlas, "ich würde mir wünschen, dass es von Regierungsseite her eine Stelle gibt, die einem hilft, wenn man von Terror betroffen ist". Claudia Zimmerer war 16 Jahre alt und mit ihrem damaligen Freund nicht weit weg vom Haupteingang des Oktoberfests, als der Bombenanschlag verübt wurde. Sie erlitten starke Verbrennungen im Gesicht, ihr Freund einen Oberschenkelbruch, sie selbst schwere Verletzungen am Unterschenkel. Eineinhalb Jahre musste sie im Krankenhaus bleiben, viele Operationen waren nötig, "um überhaupt wieder laufen zu können". Erniedrigend war der Umgang des Versorgungsamtes, sagt sie, und es habe Äußerungen von Amtsärzten gegeben, "die waren weit unter der Gürtellinie".

Dennoch sei sie später wieder auf das Oktoberfest gegangen, sagt sie: "Ich wollte dem Terrorismus keinen Platz einräumen." Zur Gedenkstunde der DGB-Jugend zum 41. Jahrestag des rechtsradikalen Anschlags vom 26. September 1980 ist sie mit ihrer Familie ganz bewusst in Tracht zum Denkmal am Bavariaring gekommen, als ginge es auf die Wiesn. "Meine Mutter ist die stärkste Frau, die ich kenne", sagte ihr Sohn, bevor er die Rede verlas.

Ähnlich berührend war die Ansprache von Astrid Passin aus Berlin, sie hat am 19. Dezember 2016 ihren Vater bei dem islamistischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz verloren. "Voller Ehrfurcht vor Ihrem Schmerz" stehe sie hier, sagte sie, "bei jedem weiteren Anschlag zucken wir zusammen und wissen sofort, was er für jede einzelne Familie bedeutet". Terror präge die Betroffenen ein ganzes Leben lang.

Zuvor hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in seinem Grußwort der zwölf Todesopfer und der 221 Verletzten von 1980 gedacht. "Der Schmerz bleibt ein Leben lang", sagte er, aber man könne ihn zumindest ein wenig lindern, indem man das Attentat klar einordne und die öffentliche Aufmerksamkeit auf den rechtsextremistischen Anschlag und seine Folgen lenke. Die 2020 eröffnete Dokumentation am Anschlagsort und der Solidarfonds für Verletzte und Hinterbliebene seien Schritte auf diesem Weg. "Nach 40 Jahren ist das aber definitiv nicht übereilt und kann auch nicht, nicht mal ansatzweise, ein Ausgleich sein", so Reiter weiter.

Knapp 80 Gäste waren zur Gedenkstunde gekommen, unter ihnen auch Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne), die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, und die Münchner DGB-Vorsitzende Simone Burger. Sie legten nach Ende der Gedenkstunde ebenso wie Hinterbliebene zu Ehren der Opfer rote Nelken vor dem Denkmal nieder.

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