Manche Ereignisse, manche Tage haben sich in das kollektive Gedächtnis Münchens eingebrannt, meistens sind es leider nicht die guten. Das Olympia-Attentat 1972 zum Beispiel, der rassistisch motivierte Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum vor vier Jahren oder auch das Oktoberfestattentat, heute vor genau 40 Jahren. 13 Tote, mehr als 200 Verletzte - es ist das schwerste Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, bis heute.
Ich persönlich habe keine Erinnerung an den 26. September 1980, ich bin damals gerade in den Kindergarten gekommen. Aber wann immer ich etwas über diese Tat gelesen oder gehört habe, war und bin ich mindestens konsterniert, wenn nicht fassungslos oder entsetzt. Über die unglaublichen Ermittlungsfehler der Polizei, die bis heute verhindert haben, dass die Hintergründe ausgeleuchtet werden. Über die politische Instrumentalisierung der Tat im Bundestagswahlkampf damals. Über die jahrzehntelange Weigerung der Behörden und Politik, die Motive des Täters als das zu benennen, was sie waren: rechtsradikal. Vor allem aber über das Leid der Opfer, der Angehörigen der Toten, der Verletzten. Denn sie mussten nicht nur ihre körperlichen und psychischen Qualen ertragen, sondern auch ständig mit Behörden darum ringen, dass ihr Leid anerkannt wird - und wenn es nur um eine kleine Erwerbsminderungsrente oder einen Zuschuss zu einer medizinischen Behandlung ging.
Da hat sich in den vergangenen Jahren viel geändert. Die Opfer haben Zahlungen bekommen, diese Woche wurde ein Unterstützungsfonds über 1,2 Millionen Euro beschlossen, im Münchner Rathaus erinnert eine Tafel an "ihr unbeachtetes Leid", die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen noch einmal komplett neu aufgerollt. Und auch wenn sie am Ende nicht viel Neues herausgefunden hat, so ist nun auch offiziell bestätigt: Das Attentat war ein rechter Terroranschlag. Darüber wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen, wenn er heute in München zum Gedenkakt ist. Auch das ist ein Zeichen - an die Opfer, dass sie ernst genommen werden, und an die Gesellschaft, dass der Rechtsextremismus eine tödliche Gefahr für unser Land ist.
Steinmeier wird am Tatort sprechen, am Haupteingang zur Wiesn, die gar nicht da ist. Das ergibt eine einigermaßen skurrile Situation: Damals, 1980, wurde das Oktoberfest nach dem Anschlag nicht beendet, es wurde nur für ein paar Stunden ausgesetzt; heuer wurde es wegen des Coronavirus nicht einmal aufgebaut. Viel wichtiger aber ist: Steinmeier wird heute auch die neue Gedenkstätte einweihen, die nicht mehr nur aus einer kleinen Säule samt Wand besteht, unbeachtet oder gar als Bieselplatz missbraucht von den Wiesn-Besuchern. Nun erinnern 200 lebensgroße menschliche Silhouetten an die Opfer, Texte und Bilder informieren über das Geschehen. Deshalb ist dieser Samstag dann doch einer der besseren Tage für München.
ÜBER DAS LEBEN NACH DEM ANSCHLAG
Die politische Bombe Vor 40 Jahren verübte ein Rechtsextremer das Attentat auf dem Oktoberfest. Opfer, Ermittler und Zeugen erinnern sich an eine Nacht, die ihr Leben verändert hat (SZ-Plus).
Splitter in der Seele Sie wurden verwundet, verloren Gliedmaßen und Familienmitglieder. Doch wie die Überlebenden nach dem Oktoberfest-Anschlag behandelt wurden, hinterließ bei manchen tiefere Verletzungen als die Bombe selbst (SZ-Plus).
"Das schreit nach Aufklärung" Das Oktoberfestattentat vor 40 Jahren war ein rechtsextremistischer Terroranschlag. Doch warum hat es bis zu dieser Erkenntnis Jahrzehnte gedauert? Bei einer Podiumsdiskussion vergangene Woche ging es um Ermittlungspannen und späte Folgen.
SO WIRD AN DAS ATTENTAT ERINNERT
Das ist die Gedenktafel für größten rechtsradikalen Anschlag in Deutschland Versäumnisse vergangener Jahrzehnte klammert die Tafel, die 2018 am Münchner Rathaus aufgehängt wurde, nicht aus: "Rechtsextreme Taten fordern unsere Wachsamkeit."
"Die Erinnerung an dieses Attentat hat viele Jahre geschlafen" 234 Figuren für 234 Opfer: In München wird an diesem Samstag die "Dokumentation Oktoberfestattentat" eröffnet. Monika Müller-Rieger erklärt im Interview, was sie sich bei deren Gestaltung gedacht hat.
ZUM PODCAST
SZ-Podcast "Das Thema":40 Jahre Oktoberfest-Attentat: Neben der Spur (Teil 1)
1980 sterben bei einem Anschlag auf dem Oktoberfest 13 Menschen, mehr als 200 werden verletzt. Kann so ein Attentat wirklich von einem Einzeltäter verübt werden, wie es im Abschlussbericht der Ermittler steht?
SZ-Podcast "Das Thema":40 Jahre Oktoberfest-Attentat: Kampf um Anerkennung (Teil 2)
Das Oktoberfest-Attentat war der größte rechtsradikale Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Offiziell gilt der Attentäter allerdings lange als Einzeltäter. Ein folgenreiches Fehlurteil, gegen das ein Münchner Anwalt zu kämpfen beginnt.
DIE SZ-GERICHTSREPORTERIN ANNETTE RAMELSBERGER KOMMENTIERT
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