Die Jahre, in denen sich die sogenannte Wirtshauswiesn „Notbehelf“ oder gar „Überbleibsel“ der Pandemie schimpfte, sind vorbei. Denn heuer lassen die Innenstadtwirte schon zum fünften Mal zeitgleich zum Oktoberfest Wiesn-Flair in ihre Wirtshäuser einziehen. „Parallelveranstaltung“ könnte man also höchstens sagen, und zwar ohne Konkurrenzdenken. Legitimiert durch seine Doppelrolle als Innenstadtwirt und Sprecher der Wiesnwirte ist Peter Inselkammer überzeugt: „Die Wiesn und die Wirtshauswiesn ergänzen sich perfekt.“
Er begrüßt am Donnerstag gemeinsam mit seinem Kollegen Gregor Lemke, Wirt des Augustiner Klosterwirts und Vorsitzender des Vereins der Münchner Innenstadtwirte, im Pschorr am Viktualienmarkt. Die beiden bezeichnen die Wirtshauswiesn schon jetzt als Kulturgut und Brauchtum – im fünften Jahr vielleicht etwas verfrüht. Erst recht zu früh kommt für Lemke die morgendliche Pressekonferenz. „Nicht sehr Spätdienst-freundlich“, scherzt er auf dem Weg zu seiner Ansprache. Spätestens nach der musikalischen Darbietung der „D'Angelbrechtinger Goaßlschnoizer“ und dem Knallen ihrer Fuhrmannspeitschen dürfte er wach geworden sein.
Mehr als 40 Gaststätten nehmen in diesem Jahr an der Wirtshauswiesn teil, darunter fünf Neuzugänge, die nicht in der Innenstadt liegen: der Alte Wirt Moosach, der Augustiner-Keller, der Augustiner Schützengarten, der Ayinger in der Au und der Königliche Hirschgarten. Für Hirschgarten-Wirt Thomas Fesenmair war es naheliegend, bei der Aktion der Innenstadtwirte mitzumachen. „Ich habe ganz frech von mir aus bei Herrn Lemke angefragt. Während der Wiesn füllt sich der Hirschgarten immer mehr und wir trainieren eh das ganze Jahr über in dieser Größenordnung.“
Es kämen außerdem viele „Wiesn-Flüchtlinge“ in den Hirschgarten, um sich von den Preisen auf der Theresienwiese zu erholen, ergänzt Fesenmair. Die bekämen dann auch durch die Wirtshauswiesn etwas geboten. In mehreren Zelten kostet die Mass Bier in diesem Jahr erstmals 15 Euro oder mehr, die Mass Wiesnbier im Hirschgarten wird dieses Jahr 9,80 Euro kosten.
Im Pschorr wird an diesem Tag aber noch kein Wiesnbier ausgeschenkt. Die Anstich-Zeremonie des ersten Wirtshauswiesn-Fasses ist rein symbolisch. Dafür kann der als König Ludwig II. verkleidete Darsteller schon mal üben, ehe er am 21. September um 12 Uhr zeitgleich zum OB in der Festhalle Schottenhamel die Wirtshauswiesn im Augustiner Klosterwirt „o'zapft“.
Wie in den vergangenen Jahren wird es in den festlich geschmückten Gaststätten nicht nur das Wiesnbier der sechs Münchner Brauereien geben, sondern auch Wiesn-Schmankerln wie Hendl, Schweinshaxn und Steckerlfisch. Ebenso wird für vegetarische und vegane Alternativen sowie für Live-Musik gesorgt sein. Neben dem bewährten Programm sind die Wirte aber auch um Abwechslung bemüht. Zum Beispiel hat der Operngrill Brenner eigens für die diesjährige Wirtshauswiesn den Cocktail „Toboggan Gimlet“ kreiert, der Besucher hoffentlich nicht so sehr in Schräglage bringt wie das namensgebende Wiesn-Fahrgeschäft.
Auch Karl-Heinz Wildmoser feilt an einem neuen Rezept für die Wirtshauswiesn-Pizza in seiner Pizzarei am Dom. Die sei 2023 mit Weißwurst oder Obazdem belegt gewesen, dieses Mal wolle er sich aber etwas Neues überlegen. Ein bisschen Zeit zum Tüfteln bleibt ihm noch. Die Wirtshauswiesn findet parallel zum Oktoberfest von 21. September bis 6. Oktober statt.