Virtuell auf die Wiesn? Ernsthaft? Dieses wohl prallste Stück Leben, das einem widerfahren kann – daheim mit einer Brille auf der Nase und zwei Devices in der Hand nachempfinden? Wie kommt man denn auf so eine Idee? Nun, aus der blanken Not heraus: Schließlich musste das Oktoberfest pandemiebedingt zweimal nacheinander abgesagt werden, eine Ewigkeit scheint das her zu sein. In dieser so bitteren Zeit nahm das erste Formen an, was am ersten Wiesn-Tag dieses Jahres in der virtuellen Welt zu erleben sein wird: das Virtual-Reality-Game „Oktoberfest – The Official Game“. Eins vorneweg: So schwindelig wie es einem auf der leibhaftigen Wiesn werden kann, so sehr können auch ungeübte VR-Spieler ins Schwanken kommen.
Thomas Wagner und Oliver Simon sind natürlich standfest: Die beiden haben sich als CCO und CEO der Untergiesinger K5 Factory GmbH jahrelang in der virtuellen Welt herumgetrieben, im richtigen Leben Go-Pro-Videos in Wiesn-Fahrgeschäften gedreht, Bierzelt-Atmosphäre aufgenommen, das alles und noch sehr viel mehr ins Spiel implementiert. Nun zählen sie die Tage, bis ihr Baby das Licht der Oktoberfest-Welt erblicken wird: am 21. September, wenn Punkt zwölf angezapft wird in der Realität. Und damit Wiesnfans nicht völlig unvorbereitet in diese VR-Welt hineingeraten, hat man ein paar Journalisten schon mal vorstolpern lassen – was durchaus wörtlich zu nehmen ist.
Wer eher selten mit Virtual-Reality-Brille durchs Leben läuft, kommt nämlich beim virtuellen Oktoberfest ganz schön ins Schwitzen, auch wenn er sich keinen Meter von der Stelle bewegt. Während fortgeschrittene VR-Nutzer fröhlich lachend Fahrgeschäfte wie Freefall oder Topspin genießen, wird dem Anfänger schon schwindelig, wenn er per Device bloß versucht einigermaßen geradeaus die Bier-Straße entlangzugehen. Wer mit dem Daumen den Knopf in der linken Hand drückt, beschleunigt ordentlich, und wer den sogenannten Teleportier-Strahl in der rechten Hand aktiviert, beamt sich Raumschiff-Enterprise-mäßig gleich ganz woanders hin. Das kann bei Ungeübten zu einer stark wahrnehmbaren Bewegungswirkung führen, und das alkoholfrei.
Diese Motion Sickness, auch Cyber-Übelkeit genannt, beschreibt einen Zustand, in dem eine Unstimmigkeit zwischen visuell wahrgenommener Bewegung und dem Bewegungssinn des Gleichgewichtssystems besteht, ähnlich wie bei der Seekrankheit, bei der das Gehirn die Schiffsbewegungen nicht eindeutig erfassen kann. Mögliche Folgen: Magenverstimmung, kalter Schweiß, Schwindel, Blässe und Kopfschmerzen.
Bleibt man von Nebenwirkungen verschont, ist es eine schöne Gaudi, allein oder mit mehreren zusammen. Los geht es mit der Einkleidung des Avatars. Dabei sind sehr viele Varianten möglich, die aber nicht jeder gleich gut hinbekommt, wie der Kommentar eines Kollegen verdeutlicht: „Weißt du eigentlich, dass du ein Dirndl anhast?“ Egal, ist doch bloß ein Spiel!
Erst wackelig, mit der Zeit allmählich etwas sicherer läuft man also über die angenehm mäßig belebte Theresienwiese, greift sich hier eine virtuelle Brezn, lauscht dem Schichtl, versucht sich am Schießstand, beim Dosenwerfen oder den fliegenden Fröschen – und macht dann um die Fahrgeschäfte doch lieber einen Bogen, wie im richtigen Leben. Höhenangst solle man beim Freefall lieber nicht haben, hieß es vorab. Schiffschaukeln und alles, was sich dreht, hat man gleich ganz außen vor gelassen: viel zu wild.
Lieber rein ins Bierzelt, das maximal gemütlich, um nicht zu sagen, putzig daherkommt.
Zu hören ist Blasmusik, keine Wiesn-Hits, aus Lizenzgründen. Auf den Bänken tanzt gerade niemand, das sei aber auch im virtuellen Leben möglich, heißt es. Bier trinken ebenfalls, nur müsse man sich halt selbst eines servieren. Dafür kann man mal Zapfkellner spielen, der Eichstrich ist aber auch hier zu beachten: „Zu wenig“, schimpft das VR-Game. Einen großen Vorteil hat das Spiel jedenfalls: Wem der ganze Trubel zu viel wird, der zieht einfach die Brille ab – und wartet bis sich nichts mehr dreht.