Je länger etwas her ist, desto mehr verklärt sich die Sicht darauf. Die letzte Wiesn endete im Oktober 2019, im vergangenen Jahr fand keine statt, und Fans des größten Volksfests der Welt haben sie sehr vermisst.
Obwohl sie nicht stattfand, gab es aber ein Plakat für sie. Das Auswahlverfahren dafür beginnt traditionsgemäß bereits kurz nach dem letzten Schankschluss, und da wusste man ja noch nichts von Corona. Inzwischen weiß man von Corona, und trotzdem gibt es schon wieder ein Wiesnplakat. Man darf also feststellen: Die Ankündigung ist deutlich robuster als das Ereignis, auf das es hinweist.
Hier ist der zweite Platz zu sehen,...
...hier der dritte.
Womöglich liegt das auch ein bisschen am Wirtschaftsreferenten und Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU), der tapfer und unverdrossen noch immer an ein Oktoberfest in diesem Jahr glaubt, obwohl bislang gerade mal 20 000 Münchner geimpft sind. Und so präsentierte er auch das neue Wiesnplakat 2021, pandemiegerecht mit Frischluftzufuhr auf dem Dach seiner Behörde und in gebührendem Abstand zur Kamera. Das Motiv stammt von der jungen Münchner Designerin Maria Elisabeth Dick. Es hat sowohl in der Jury als auch beim Publikumsvotum die meisten Stimmen bekommen und ist, wie soll man sagen: nicht allzu überraschend, recht traditionell, ja fast ein bisschen bieder.
Aber das Wiesnplakat war noch nie der Platz, auf dem sich die künstlerische Avantgarde austoben durfte, und außerdem muss das Motiv ja vielseitig verwendbar sein und auch auf ein Feuerzeug passen. Den zweiten Platz belegte Laura Szafranek aus Papenburg mit einem Wiesnkrug im soliden Retrostil. Der dritte Preis von Florian Huber wirkt etwas moderner und erinnert entfernt an die Olympiaplakate von 1972. Vom Design her ist das Oktoberfest 2021 offenbar ein Nostalgiejahrgang.
Nachdem nun aber außer Baumgärtner kaum noch jemand glaubt, dass es heuer eine Wiesn geben wird, stellt sich die bange Frage: Was wird auf dem Wiesn-Plakat 2022 zu sehen sein?