Wiesn-Wirte haben manchmal mit Problemen zu kämpfen, die glaubt man nicht. Mal gibt es einen veritablen Lieferengpass bei den Radieschen für die Brotzeitbrettln. Dann wiederum wächst einfach nicht genügend Bio-Ware für den hausgemachten Kartoffelsalat und man muss die Öko-Bauern im gesamten Umland abklappern. Und schließlich immer diese Probleme mit den Bio-Hendln, die wollen partout keine normgerechte Größe annehmen wie ihre Artgenossen aus nicht ökologischer Haltung.
Sie müssen darum aufwendig vorsortiert werden für die riesigen Grillroste in den Zelten, damit die größeren Kaliber nicht zu stark außen angebrutzelt werden. Weil dazu noch das Problem kommt, dass es nicht genügend Bio-Hühnchen auf dem Markt gibt, holen sich die Betreiber der Wiesnzelte nun professionelle Unterstützung. Sie kooperieren mit Bioland, dem größten ökologischen Anbauverband in Deutschland.
Es ist ein Projekt, das auf drei Jahre angelegt ist, mit diesem Oktoberfest startet und einen Namen von eindrucksvoller Länge trägt: Wertschöpfungsketten-Management. Nachhaltigkeit, Bio und Wokeness – das sind Themen, die schon seit einigen Jahren immer stärker beim größten Volksfest der Welt auf der Theresienwiese anlanden. Und die Wirte merklich anspornen, mehr zu tun. Peter Inselkammer von der Vereinigung der Wiesnwirte sagt: „Tierwohl, Regionalität, Lieferketten und Nachhaltigkeit – das sind Themen, die die Menschen und unsere Gäste bewegen. Wir wollen zeigen, dass wir da stark hinterher sind und das selbst gestalten können.“
Bei einem runden Tisch im vergangenen Jahr im Rathaus kamen die Wiesnwirte ins Gespräch mit Herstellern ökologisch erzeugter Produkte. Nun habe sie die Kooperation, die das Ziel hat, mehr Bio-Produkte aufs Oktoberfest zu bringen, offiziell vorgestellt: Partner sind der Bioland-Landesverband Bayern, die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern, Naturland Bayern sowie der Förderverein Tagwerk. Im ersten Jahr steht erst einmal eine gründliche Analyse an, vorgenommen von einer sogenannten Wertschöpfungsketten-Managerin. „Wir müssen prüfen, wo man Bio-Produkte sinnvoll einsetzen kann. Gibt es ausreichende Mengen, wie ist das mit Lieferung und Lagerung?“, so Inselkammer.
Co-Sprecher Christian Schottenhamel ist zuversichtlich, dass vom Oktoberfest eine Signalwirkung ausgehen könne: „Die Wiesn muss bezahlbar bleiben, auch mit Bio-Produkten. Je mehr die Viehwirtschaft umsteigt, umso günstiger werden diese.“ In vielen Zelten gibt es bereits ein umfangreiches Angebot aus ökologischer Herkunft. Künftig, so das Ziel, sollten aber noch mehr Bio-Produkte wie Gemüse, Reis, Spätzle, Süßwaren, Milch, Käse und Fleisch zum Einsatz kommen. Wirtin Antje Haberl sagt: „Wir machen wirklich viel, allein 98 Prozent unserer Produkte kommen aus regionalen Betrieben – aber von der Menge her reicht es einfach nicht.“ Siehe Bio-Hendl-Notstand.
Thomas Lang vom Bioland-Verband konstatiert seinen neuen Partnern eine große Ernsthaftigkeit, sieht „keine Gefahr von Greenwashing“. Die Managerin wird über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie von allen Projektpartnern finanziert.