Aufbau des Oktoberfests:Ein Puzzle mit 1,6 Millionen Teilen

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Zwölf statt zehn Wochen dauert der Aufbau des Oktoberfests in diesem Jahr. Grund: Personalmangel. (Foto: Leonhard Simon)

Wie wird ein Wiesnzelt aufgebaut? Was passiert, wenn eines nicht rechtzeitig fertig wird? Warum gibt es dort immer noch kein warmes Wasser? Eine neue Führung der Stadt gibt Einblicke in die komplexe Dauerbaustelle.

Von Sophia Coper

Bevor es nach Bier rieche, dufte es nach Holz, erzählt Gabriele Hoffmann. In Sicherheitsmontur stapft die städtische Gästeführerin über die Theresienwiese, kleine Staubwolken wirbeln um ihre Füße. Auf dem Gelände wachsen die Zelte für die Wiesn in die Höhe, trotz des frühen Samstagmorgens klappert und rumort es an jeder Ecke. „Vor ein paar Tagen sah es hier noch ganz anders aus“, sagt Hoffmann. Auf den hölzernen Gerippen glänzen die Schriftzüge der Brauereien.

Bis zum Start des 189. Oktoberfests am 21. September sind es zwar noch zwei Monate hin, die Aufbauarbeiten auf der Theresienwiese sind jedoch längst in vollem Gange. Innerhalb der kommenden Wochen entsteht auf dem 42 Hektar großen Areal all das, was zur Wiesn eben dazugehört. Festzelte müssen errichtet, elektrische Leitungen verlegt und Mobilfunkmasten aufgestellt werden. Im Schnitt benötigt ein Zelt 20 000 Bauelemente und besteht aus 1,6 Millionen Einzelteilen. 2000 Leute sind insgesamt am Aufbau beteiligt, es gilt 800 Lkw-Ladungen an Material zu verbauen.

Für Interessierte bietet die Stadt seit vergangenem Wochenende Führungen über das Gelände an. Die Preise liegen bei 25 Euro pro Person, festes Schuhwerk ist unerlässlich.

Die städtische Gästeführerin Gabriele Hoffmann erklärt einen der 160 eigens aufgestellten Verteilerschränke. (Foto: Leonhard Simon)
Weil das Montageunternehmen nur jetzt Zeit hatte, steht das Eingangsschild bereits. (Foto: Leonhard Simon)

Über dem Nordeingang der Theresienwiese prangt bereits der bekannte Bogen mit den Willkommensgrüßen. Normalerweise werde dieser erst später angebracht, erzählt Hoffmann, doch die beauftragte Firma habe aufgrund von Personalengpässen nur Anfang Juli Zeit gehabt. Mit diesem Problem haben alle Betriebe auf der Wiesn zu kämpfen. Um den Mangel an Arbeitskräften auszugleichen, wurde dieses Jahr die Bauzeit von zehn auf zwölf Wochen ausgedehnt.

Derzeit konzentrieren sich die Arbeiten noch auf die Wirtsbudenstraße. Vor einem der Zelte pendelt ein Binder sanft in der Luft, vorsichtig hievt ein Kran den 1,5 Tonnen schweren Pfahl an die vorgesehene Stelle — ein viereckiges Loch mit einem Bolzen in der Mitte. Die Binder stellen das Grundgerüst für die Zelte dar, die dazugehörigen Gruben sind das ganze Jahr über auf der Theresienwiese verbuddelt. „Vor Baubeginn müssen die alle erst mal gesucht und gefunden werden“, so Hoffmann.

Vorsichtig hievt ein Kran einen 1,5 Tonnen schweren Stützpfahl in ein dafür vorgesehenes Loch im Boden. (Foto: Leonhard Simon)
Diese Gruben sind das ganze Jahr über auf der Theresienwiese verbuddelt. (Foto: Leonhard Simon)

Sobald die Konstruktion fertig gesteckt ist, wird das Dach befestigt. Mit reiner Körperkraft rollen die Beschäftigten die Planen über den Balken aus, durch noch offene Stellen fallen Sonnenstrahlen auf den Boden. Bei einigen Zelten wurden bereits die Emporen reingewuchtet. „Die müssen eindeutig was aushalten“, sagt Hoffmann. Um möglichst viele ebenerdige Sitzplätze anbieten zu können, lagern die Festwirte Bier teilweise auch auf den Galerien. Bei bis zu 7000 Litern Fassungsvermögen pro Tank komme da schon einiges an Gewicht zusammen, so die Gästeführerin.

„Das wäre für alle der Ober-GAU, wenn die Wiesn bei der Eröffnung nicht fertig wäre“

Nach dem Einheben von Stockwerken und Stufen – während Hoffmann erzählt, ruckelt ein Transporter mit einer Treppe auf der Ladefläche an ihr vorbei – werden Kabel verlegt. 160 Verteilerschränke der Stadtwerke München stehen über das Gelände verteilt herum. Die Hauptleitungen für Gas, Strom und Wasser liegen zwar ganzjährig in einem Meter Tiefe, der Zugang in die Zelte muss jedoch immer aufs Neue justiert und überprüft werden.

Erst ganz zum Schluss kommt der Boden. „Selbst die Deko hängt davor“, so Hoffmann. Damit die Bedienung nicht ausrutsche, sei eine Auswuchtung der Balken wichtig. Im Gegensatz dazu stehe die Küche stets etwas schräg, um das Wasser besser abfließen zu lassen. Warmes Wasser gebe es nach wie vor nicht zum Abwaschen. „Für den Bedarf bräuchte man ein kleines Atomkraftwerk“, sagt die Gästeführerin.

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Krankheitserreger sollten die Gäste dennoch nicht befürchten. Die Wiesn sei das am härtesten kontrollierte gastronomische Gebiet in München, so Hoffmann, Lebensmittelkontrolleure schauen zweimal täglich in den Küchen vorbei.

Über die Inbetriebnahme der Zelte entscheiden indes nicht Festwirt oder Bauleitung, sondern die Feuerwehr gibt nach einer letzten Überprüfung ihr Okay. Sollten die Bauarbeiten bei einem Zelt in zeitlichen Verzug geraten, greifen die Nachbarn in der Regel unter die Arme. „Das wäre für alle der Ober-GAU, wenn die Wiesn bei der Eröffnung nicht fertig wäre“, so Hoffmann. Zu Beginn der Bauarbeiten sieht es indes anders aus. Noch bevor alle Binder in der Erde steckten, sei an den ersten Türmen gewerkelt worden. Die Löwenbräu-Brauerei habe dieses Jahr das Rennen gewonnen.

Der Turm der Löwenbräu-Brauerei stand in diesem Jahr als erster. (Foto: Leonhard Simon)
Wenn ein Zelt nicht rechtzeitig fertig werden könnte, helfen in der Regel die Nachbarzelte. (Foto: Leonhard Simon)

Nachdem die Wiesn vorbei sei, gehe sie eigentlich direkt weiter, sagt Hoffmann. Zwölf Angestellte der Stadt München beschäftigen sich das ganze Jahr mit der Planung. Bereits am 11. November ist Anmeldeschluss für die Vergabe der Plätze. Selbst die etablierten Brauereien müssen jedes Jahr erneut ihre Unterlagen einreichen. „Alle zu sichten, nimmt einiges an Zeit in Anspruch“, sagt die Gästeführerin.

2023 wurden von insgesamt 927 Bewerbungen 470 angenommen. Die Ausmaße der Vorbereitungen werden zudem an den temporär errichteten 16 Mobilfunkmasten ersichtlich – genug, um den Bedarf einer Kleinstadt zu decken. Stationäre Notruftelefone gebe es mittlerweile nicht mehr, so Hoffmann, dort hätten hauptsächlich Betrunkene angerufen, um nach dem Weg zu fragen.

Die kleine Gruppe, die am Samstagmorgen Gabriele Hoffmanns Ausführungen lauscht, verbindet vor allem eins: ein leidenschaftliches Interesse am Oktoberfest. Selbst ein Grundschüler in Begleitung seiner Eltern ist bestens informiert und beantwortet Fragen der Gästeführerin nach historischen Eckdaten mit Bravour.

Insbesondere ein Mann sticht mit seinem Fachwissen hervor und ergänzt Hoffmanns Ausführungen immer wieder mit Details. Nach dem Ende der Tour tauschen die Anwesenden eifrig ihre Kontaktdaten mit ihm aus. Eigentlich sei das gar nicht nötig, sagt er. Während der Wiesn finde man ihn immer am selben Platz: an der Kapelle in der Ochsenbraterei.

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