Null Acht Neun:Wo München wirklich groß ist

Ein Mega-Event jagt zurzeit das andere. Groß wird am Tag nach dem Besuch der nächsten Veranstaltung auf der Theresienwiese bei so manchem womöglich die Reue sein.

Glosse von Anna Hoben

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Groß die Temperaturen. Größer der Hunger der Menschen nach Ausgelassenheit, anschließend an mehr als zwei Seuchenjahre. Am größten die Sommerkonzerte auf dem Messegelände, mit Andreas Gabalier, Helene Fischer, Robbie Williams. Groß, größer, am größten wird es weitergehen im Herbst, wenn ein nie dagewesenes, pardon: seit 2019 nicht mehr dagewesenes Mega-Event für zwei Wochen auf die Theresienwiese zieht. Groß wird am Tag nach dem Besuch bei so manchem womöglich die Reue sein. Es werden sich Fragen stellen: Ist dieser Schädel noch Kater - oder schon Corona?

Ob Veranstaltungen oder Biergläser: In München kann vieles gar nicht groß genug sein, da ist die Stadt gewissermaßen amerikanisch. Außer Häuser, die bitte sollen schön klein bleiben, jedenfalls wenn es nach so manchem Hochhausgegner geht. Wem schwindlig wird angesichts all der Größe in München, der kann sich statt ins Oktoberfestzelt in eine dieser kleinen Parkplatzwirtschaften setzen. Eine davon, zu einem Café gehörend, fiel einem jüngst in der Maxvorstadt ins Auge. Dort forderte ein Schild: "Bitte den Schanigarten & die Terrasse nicht zum Lernen/Arbeiten benutzen!!!"

Das klingt verblüffend in der Stadt, die dafür bekannt ist, dass ihre Bewohner vor allem drei Dinge gern tun. Erstens: Arbeiten. Zweitens: Arbeiten. Drittens: Beweisen, dass sie trotz des vielen Arbeitens auch Dolce Vita super können, ergo: im Café sitzen. Was also liegt näher, als alles zu verbinden? Und kann überhaupt noch jemand Arbeit und Freizeit unterscheiden?

Kurzer Anruf beim Betreiber des Cafés mit Schanigarten: Warum darf man denn bei Ihnen nicht sitzen und arbeiten? Naja, sagt er - Wochenende, schönes Wetter, Touristengruppen wollten frühstücken, aber die Tische seien besetzt von Studenten, die zwei, drei Stunden lernten. Drinnen habe er ja extra eine "Work and Study Area", mit Steckdosen für die Laptops. Und immerhin bezahlten die Besucher nicht für den Strom.

Der Mann erinnert dann noch an die Zeiten der Wiener Kaffeehäuser. Klar, da hätten sie auch dazugehört: stundenlange Zeitungsleser. Aber es brauche eine Balance, sagt der um die Wirtschaftlichkeit besorgte Cafébetreiber. Nicht nur draußen im Schanigarten, sondern auch drinnen; der Strom werde ja nun auch teurer. Als man noch zum Zeitunglesen ins Café ging und nicht auf Strom angewiesen war - das waren Zeiten.

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