Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:Die Angst vor dem Bio-Hendl

Der bayerische Hotel- und Gaststättenverband will mit markigen Worten eine rein ökologisch ausgerichtete Wiesn verhindern.

Von Franz Kotteder

"Nein zur Bio-Wiesn": Die Presseerklärung des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga sieht Schreckliches auf das Oktoberfest zukommen. Ihr Geschäftsführer Thomas Geppert spricht von einer "Planwirtschaft, in der eine kleine Gruppe entscheidet, was für das Volk gut ist und was nicht". Zum Glück aber lebe man in einem Land, "in dem jeder mündig genug ist, selbst zu entscheiden, was er will". Der Funktionär schließt seine Pressemitteilung mit den markigen Worten: "Da braucht es keine Vorschriften Dritter, was man zu essen hat und was nicht."

Anlass für Gepperts Erregung ist eine Aktion der Gruppierung "Faire Wiesn", die schon vor zehn Monaten auf dem Marienplatz stattgefunden hatte, damals noch unter dem Motto "Hendlsauerei". Damals hatten sich rund 60 verschiedene Initiativen zusammengetan, darunter der Bund Naturschutz, der Münchner Ernährungsrat, Slow Food, Green City und das Nord-Süd-Forum. Sie forderten, "Münchner Großveranstaltungen wie die Wiesn verantwortungsvoll, fair und nachhaltig" auszurichten.

Unter anderem sollten längerfristig keine Lebensmittel mehr aus industrieller Intensivtierhaltung zum Einsatz kommen, um "die beschlossene Klimaneutralität 2035 einzuhalten". Nach und nach solle der Anteil von ökologisch erzeugten Lebensmitteln bei Großveranstaltungen erhöht werden, so die Initiativen: Bis 2027 auf 50 Prozent, zum Endpunkt 2035 sollten auch Großveranstaltungen komplett mit Bio-Kost versorgt werden.

Letzteres ist der Grund, warum die Dehoga nun mit einiger Verspätung sehr heftig reagiert. "Es ist schlichtweg unrealistisch, diese Menge an Waren in der geforderten Qualität überhaupt zu bekommen", schäumt Geschäftsführer Geppert, "ganz davon abgesehen wäre dann ein Besuch auf dem Oktoberfest für die meisten unbezahlbar. Was soll daran fair sein?" Bayern werde geliebt für seine Liberalitas Bavariae: "Leben und leben lassen, lautet die Devise." Außerdem gebe es bereits "heute schon all das auf dem Oktoberfest, was gefordert wird".

Stimmt nicht ganz, denn bislang beträgt der Bio-Anteil bei Lebensmitteln auf der Wiesn nur ein paar Prozent und nicht 50 oder gar 100. Auch der Initiative Faire Wiesn ist klar, dass eine komplette Bio-Wiesn derzeit gar nicht möglich wäre, weil es noch nicht genug Bio-Produzenten dafür gäbe. Deshalb forderte sie schon im vergangenen Mai einen "Runden Tisch", bei dem man ausloten will, wie man die Bio-Quote auf der Wiesn erhöhen könnte.

Dieser "Runde Tisch" soll nun im Juni bei der Zweiten Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) stattfinden. "Eingeladen sind alle Beteiligten", sagt die Bürgermeisterin, "die kleinen und großen Wiesnwirte, die Initiativen, die Stadtverwaltung und die Interessensverbände." Es gehe keineswegs darum, Vorschriften zu machen. Man wolle vielmehr gemeinsam ausloten, wie man dem Ziel einer ökologischer ausgerichteten Wiesn, das schon in mehreren Stadtratsbeschlüssen formuliert sei, näherkommen könne. "Es geht um eine Bestandsaufnahme, was schon passiert ist, was machbar ist und bei welchen Produkten das am besten geht. Wichtig ist mir bei diesem Prozess, den Charakter der Wiesn als Volksfest für alle zu erhalten", so Habenschaden.

Was die bayerische Dehoga angeht, scheint man da nicht mitziehen zu wollen. Zuvor schon hatte Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) in der Bild-Zeitung unter der Überschrift "Baumgärtner tobt" die Dehoga-Kritik fast wortgleich vorweggenommen: "Zwangsvorschriften und eine Ernährungs-Planwirtschaft wird es mit mir nicht geben." Auf eine schriftliche Nachfrage der SZ vom Donnerstag, was er an den Forderungen der Initiative "Faire Wiesn" genau zu kritisieren habe und wo er möglicherweise Kompromisse sieht, gab es weder vom Wiesn-Chef noch von seinem Pressesprecher bislang eine Reaktion.

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