Es war der schwerste rechtsextreme Anschlag in der bundesdeutschen Geschichte. Am 26. September 1980, vor 44 Jahren, detonierte am Haupteingang der Wiesn eine mit Sprengstoff und Metallsplittern gefüllte Bombe. Zwölf Besucherinnen und Besucher des Oktoberfestes starben, ebenso der Attentäter. 221 Menschen wurden zum Teil schwerst verletzt. Jahr für Jahr versammeln sich hier Überlebende, Angehörige und die Stadt-Spitze, um ihrer zu gedenken. Am Donnerstag warnte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) eindringlich vor einem Rechtsruck: „Wir schauen in diesen Tagen mit großer Besorgnis auf die gegenwärtigen Entwicklungen und die deutliche Zunahme von Rechtsextremismus bei uns.“
Dieser Rechtsruck zeige sich bedrohlich an der Wahlurne und immer öfter auch in offener Gewalt, so Reiter. In diesem Zusammenhang verwies er auf eine Videoinstallation der Künstlerin Talya Feldman im NS-Dokuzentrum, auf das, neben dem israelischen Generalkonsulat, am 5. September ein mutmaßlich islamistischer Terroranschlag verübt worden war. Feldman beschäftigt sich hier ausdrücklich mit dem Leben der Ermordeten von rassistischen und antisemitischen Anschlägen und deren Angehörigen. „Nach wie vor ist es oft so, dass nach Attentaten die Täter im Scheinwerferlicht stehen, während Opfern, Überlebenden und Hinterbliebenen eher wenig Aufmerksamkeit zuteil wird“, sagte Reiter.
Auch Kristofer Herbers von der DGB-Jugend München, die seit Jahrzehnten mit dem Kulturreferat das Gedenken organisiert, kritisierte die Rolle von Medien bei der Berichterstattung über Terror: „Betroffene werden zu Objekten degradiert.“ Bei der Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung vor dem Denkmal waren neben den Rathaus-Chefs Reiter, Verena Dietl (SPD) und Dominik Krause (Grüne) Vertreterinnen und Vertreter sämtlicher Fraktionen aus Stadtrat und Landtag gekommen, mehrere Stadtreferenten sowie München Polizeipräsident Thomas Hampel oder Bayerns DGB-Chef Bernhard Stiedl. „Neben den körperlichen Wunden müssen die Überlebenden mit größten seelischen Belastungen zurechtkommen. Die Last der Erinnerung wiegt schwer. Man kann sie niemandem abnehmen. Aber wir können die Erinnerung teilen mit den Betroffenen, wir können Anteil nehmen an ihren Schicksalen und an ihrem Schmerz“, sagte der Oberbürgermeister.
Wie tief dieser Schmerz sitzt, machte Astrid Vollherbst als Sprecherin der Überlebenden deutlich. Sie war neun Jahre alt, als der Anschlag geschah, ihre damals 16 Jahre alte Schwester wurde so schwer verletzt, dass sie zwei Jahre im Krankenhaus verbringen und zig Operationen überstehen musste. Hart kritisierte Vollherbst die Ausstrahlung einer Folge der Krimi-Reihe „Die Chefin“ durch das ZDF im Dezember 2023. Darin waren Aufnahmen direkt vor dem Denkmal für die Opfer des Wiesn-Attentats zu sehen. „Es ist ein Verstoß gegen jegliche Ethik und Moral, dass dieser Erinnerungsort für Dreharbeiten verwendet wird“, sagte sie. „Die Bilder des blutigen Filmmordes hier an genau dieser Stelle rufen Erinnerungen wach.“ Manche Überlebende schafften es bis heute nicht, an den Ort des Anschlags zurückzukehren.
Die Sprecherin der Überlebenden sagte, sie zahle so lange keine GEZ-Gebühren mehr, bis die Folge aus der ZDF-Mediathek entfernt werde – und erhielt dafür lang anhaltenden Applaus. Aus der Menge wurden Tafeln mit den Namen der Ermordeten hochgehalten: Gabriele Deutsch, Robert Gmeinwieser, Axel Hirsch, Markus Hölzl, Paul Lux, Ignaz Platzer, Ilona Platzer, Franz Schiele, Angela Schüttrigkeit, Errol Vere-Hodge, Ernst Vestner und Beate Werner.
Die Angehörigen hatten jahrzehntelang um eine Wiederaufnahme des Verfahrens gekämpft, das schnell eingestellt worden war, weil es seinerzeit zunächst als Tat eines Einzelnen eingeschätzt wurde. Erst vor vier Jahren hatte die Bundesanwaltschaft festgestellt, dass der Täter aus rechtsextremistischer Motivation handelte.