Oktoberfest wegen Überfüllung geschlossen„Es wurde so eng, dass man kaum noch atmen konnte“

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Nichts geht mehr: Zum Reservierungswechsel am Samstagnachmittag befinden sich laut Stadt 300 000 Menschen gleichzeitig auf dem Festgelände.
Nichts geht mehr: Zum Reservierungswechsel am Samstagnachmittag befinden sich laut Stadt 300 000 Menschen gleichzeitig auf dem Festgelände. (Foto: Robert Haas)
  • Das Oktoberfest-Gelände wurde am Samstagnachmittag erstmals in der Geschichte wegen Überfüllung komplett gesperrt, als sich 300 000 Menschen gleichzeitig auf der Theresienwiese befanden.
  • Einzelne Besucher gerieten in Panik, auch wegen missverständlicher Durchsagen, die zunächst eine komplette Räumung suggerierten statt einer vorübergehenden Schließung.
  • Wiesn-Chef Scharpf räumte Kommunikationsfehler ein und kündigte eine interne Aufarbeitung an, betonte aber, dass niemand zu Schaden gekommen sei.
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Erstmals muss die Theresienwiese wegen des Andrangs komplett abgeriegelt werden. Einzelne Besucher geraten in Panik – auch wegen irreführender Durchsagen. Wie reagieren Stadt und Polizei? Rekonstruktion einer Wiesn am Limit.

Von Martin Bernstein und Jacqueline Lang

Beinahe-Katastrophe oder kleiner Zwischenfall, der dank eines funktionierenden Sicherheitskonzepts behoben werden konnte? Die vorübergehende Sperrung des Oktoberfest-Geländes am späten Samstagnachmittag wirft Fragen auf und führt zu teils heftiger Kritik.

Wie lief die Sperrung ab?

Schon am Nachmittag war es für Besucher der Wiesn spürbar, dass an diesem Tag besonders viele Menschen auf die Theresienwiese strömten. Vor allem in der Wirtsbudenstraße war von 16.30 Uhr an kein Durchkommen mehr. Gegen 18 Uhr war das Gelände so voll, dass die Zugänge gesperrt wurden. Das war, wie Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Christian Scharpf (SPD) bei der Halbzeit-Pressekonferenz erklärt, eine Entscheidung, die Festleitung und Sicherheitskräfte gemeinsam getroffen hätten, als man gemerkt habe, dass es zu Gedränge auf dem Festgelände kam.

Zu dem Zeitpunkt – zu dem die Reservierungen der Tische in den Zelten wechseln, weswegen dann immer ein großes Kommen und Gehen herrscht – seien 300 000 Menschen gleichzeitig auf dem Gelände gewesen, fast so viele, wie die Stadt Augsburg Einwohner hat. Scharpfs Angaben zufolge habe sich die Situation „sehr, sehr plötzlich“ zugespitzt, aber dann ebenso schnell wieder aufgelöst, „wie ein Sommergewitter“.

Von „einer kurzzeitigen Überfüllungssituation“ schreibt die Aicher-Ambulanz in ihrem Wiesn-Ticker. „Aus präventiven Sicherheitsgründen“ habe man innerhalb von nur sieben Minuten die Kapazitäten zur Patientenaufnahme um 30 Liegen erhöht. Doch nur zwei betreuungsbedürftige Personen seien gekommen, laut der Nachrichtenagentur dpa mit Panikattacken. Fazit der Sanitäter: „Es kam zu keinen weiteren Einsätzen in diesem Zusammenhang.“ Wiesn-Chef Scharpf betont, dass im Gedränge niemand zu Schaden gekommen sei.

Etwa eine Stunde nach der Sperrung gab ein Sprecher des verantwortlichen Wirtschaftsreferats Entwarnung: Die Situation habe sich entspannt, die Sperrung des Geländes sei aufgehoben, sagte er. Allerdings müsse man schauen, dass es nicht zu einer erneuten Überfüllung kommt.

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Gab es eine Panik?

Einzelne Menschen sind am Samstag offenbar durchaus in Panik geraten, berichten Polizei, Sanitäter und Festbesucher.  Manche hätten um Hilfe gerufen und den Notruf gewählt. Auf Instagram schildern Augenzeugen ihre Eindrücke: „Die Situation war äußerst chaotisch: Menschen wurden von allen Seiten zusammengedrängt, es wurde so eng, dass man kaum noch atmen konnte, persönliche Gegenstände gingen verloren, viele weinten oder schrien. Immer wieder gab es gefährliche Druckwellen in der Menge, sodass man beinahe stürzte.“ Der Bayerische Rundfunk berichtet, Kinder seien über die Köpfe der Menge hinweg in Buden in Sicherheit gebracht worden. Mehr als ein Dutzend Notrufe gingen bei der Polizei ein.

„Erwachsene Männer am Boden zitternd und weinend, alle waren kurz vor einer Massenpanik. Man kann von Glück reden, dass hier nicht mehr passiert ist“, schreibt ein Augenzeuge auf Instagram. Nicht allein das Gedränge, auch missverständliche Durchsagen machten den Menschen anfangs Angst. Ein im Netz kursierendes Video belegt, dass zunächst ohne Angabe von Gründen verkündet wurde: „Das Festgelände ist geschlossen. Bitte verlassen Sie geschlossen das Gelände und gehen Sie Richtung Hauptbahnhof. Gehen Sie nicht mehr in die Zelte! Die U-Bahn ist geschlossen.“

Das klang mehr nach einer kompletten Räumung der Wiesn als nach einer vorübergehenden Schließung wegen zu vieler Menschen. Gefahr schien im Verzug. Erst spätere Durchsagen, dann auch auf Englisch und Italienisch, sollen das korrigiert haben.

Verena Bernstorfer, die vom Goetheplatz in Richtung Fünfer-Looping unterwegs war, musste bei den ersten Durchsagen an den Anschlag am OEZ 2016 denken. Da habe man anfangs auch nicht gewusst, was los ist, erzählt sie am Telefon. 15 Minuten lange habe sie sich das Schlimmste ausgemalt: Die Schausteller hätten nichts gewusst, Polizisten seien keine da gewesen und die ausländischen Besucher hätten ohnehin nichts verstanden.  „Ich bin entsetzt, wie schlecht das gemanagt war.“ Als sie dann, als endlich die richtige Durchsage gekommen sei, den Festplatz habe verlassen wollen, da sei auch das nicht möglich gewesen: weil ihnen am Ausgang jene gegenüberstanden, die hineinwollten.

Auch in den sozialen Netzwerken kritisieren viele Wiesn-Besucher genau diese ersten Durchsagen. Die seien „zu Beginn leider vollkommen daneben gewesen“, schreibt etwa eine Userin auf Instagram, man habe „viel zu viel Spielraum für Spekulationen“ gelassen. Klare und deutliche Aussagen, wie es sie später gegeben habe, hätten „einiges an Kopfkino erspart“. Eine andere Frau berichtet: „Wir waren draußen beim Rauchen und dachten, es ist was Schlimmes passiert und wirklich alle müssen gehen. Erst später kam dann wegen Überfüllung dazu. Und auch erst sehr viel später in anderen Sprachen.“

Viele ziehen eine Parallele zur Duisburger Love-Parade-Katastrophe von 2010, bei der 21 Menschen in einer Massenpanik ums Leben kamen. „Grad noch so die Kurve bekommen“, heißt es da auf Instagram. „Vielleicht etwas früher reagieren und nicht, wenn es schon fast zu spät ist... Ich sag’ nur Loveparade.“ Ein anderer schreibt: „Dass heute keine Menschen in der Masse zertrampelt wurden, ist reines Glück.“ Immer wieder wird gefordert, „dass die Verantwortlichen diese Vorfälle ernst nehmen, bevor es zu einer wirklichen Tragödie kommt“.

Gab es so etwas schon einmal?

„Dass wir das gesamte Gelände kurzfristig sperren mussten, gab es noch nie in der Oktoberfest-Geschichte“, heißt es am Sonntag auf Nachfrage bei der Oktoberfest-Pressestelle. Allerdings habe es in den vergangenen Jahren immer mal wieder  „temporäre, auch größere Sperrungen von Eingängen und einzelnen Bereichen“ gegeben. „Nur eben noch nicht vom kompletten Oktoberfestgelände.“

Die Theresienwiese wird erst seit 2016 zum Oktoberfest vollständig umzäunt, eine komplette Sperrung wäre in früheren Jahren also gar nicht möglich gewesen. Damals war ein Zwei-Stufen-Plan beschlossen worden, wie bei Überfüllung der Theresienwiese vorgegangen werden soll: Man werde sehr frühzeitig warnen. Danach könnten bei dichtem Gedränge einzelne Eingänge vorübergehend geschlossen werden. Zu so einem abgestuften Vorgehen kam es am Samstag nicht. Bereits 2016 hatte ein Experte gewarnt, dass keinesfalls ein Szenario wie bei der Love-Parade in Duisburg entstehen dürfe.

Welche Konsequenzen sind geplant?

Wiesn-Chef Scharpf gibt am Sonntag zu, „nicht ganz so glücklich“ mit der anfänglichen Kommunikation gewesen zu sein, weil eben eine Begründung für die Maßnahme in den ersten Durchsagen gefehlt habe. Wie es dazu kommen konnte, das werde man, verspricht er, nun intern aufarbeiten. Er schildert es so: Es habe in der Wirtsbudenstraße vereinzelt „Zusammenballungen“ von zu vielen Menschen gegeben, die Gefahr einer Massenpanik habe aber zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Von weiteren Konsequenzen aus dem Vorfall war bei der Halbzeit-Pressekonferenz der Verantwortlichen am Sonntagvormittag nicht die Rede. Unbeantwortet ist auch die Frage, woher dieser plötzliche, auch für Kenner unerwartete Andrang am Samstag kam. Nur mit dem Reservierungswechsel in den Zelten ist das Gedränge kaum zu erklären, dafür war die Theresienwiese schon am Nachmittag viel zu voll. Sicher hat das legendäre „Italiener-Wochenende“ in der Mitte des Oktoberfests seinen Beitrag geleistet.

Wiesn-Chef Christian Scharpf stimmt beim Platzkonzert vor der Bavaria mit ein.
Wiesn-Chef Christian Scharpf stimmt beim Platzkonzert vor der Bavaria mit ein. (Foto: Robert Haas)
Auch am Sonntag füllt sich das Festgelände rasch.
Auch am Sonntag füllt sich das Festgelände rasch. (Foto: Robert Haas)

Kommen denn insgesamt mehr Besucherinnen und Besucher?

Vom Zwischenfall am Samstag abgesehen zieht Wiesn-Chef Scharpf eine positive Bilanz: Mit den sommerlichen Temperaturen am ersten Wochenende habe man einen „traumhaften Wiesn-Start“ hingelegt. Bis einschließlich Sonntag sprechen die Verantwortlichen von 3,5 Millionen Besucherinnen und Besuchern, davon allein schon die erste Million am ersten Wochenende. Zum Vergleich: 2024 zählte man zur Halbzeit 3,6 Millionen Gäste. Positiv hebt Scharpf angesichts dieser Menge an Menschen die bunte Mischung an Familien, der queeren Community, Menschen mit Behinderung und Menschen jeden Alters hervor. Was zudem auffällt: Auch wenn der Bierkonsum gleichbleibend zum Vorjahr ist, die Menschen trinken auf der Wiesn auch zunehmend Alkoholfreies, von einem Anstieg um zehn Prozent ist die Rede. Dieser Anstieg ist vermutlich vor allem der Hitzewelle am ersten Wochenende geschuldet, da war Wasser so gefragt, dass es in einigen Betrieben sogar fast ausgegangen wäre.

Wie friedlich ist diese Wiesn?

Einig sind sich alle insoweit, als dass man die diesjährige Wiesn nicht mit der von 2024 vergleichen sollte – jene war nämlich besonders friedlich. Vergleicht man sie aber mit den Jahren 2023 und 2022, dann ist vor allem die Polizei zufrieden. Bislang gab es 414 Anzeigen. 2024 wurden 317 Straftaten verzeichnet, 2023 waren es 479. Registriert wurden aber auch bereits 33 Sexualdelikte, von denen drei den Tatbestand einer Vergewaltigung erfüllen. Auffällig ist zudem ein deutlicher Anstieg bei den Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern auf 172 Fälle. Das ist laut Polizei ein Anstieg um 146 Prozent.

Michel Belcijan, Betriebsleiter der Aicher-Ambulanz, spricht von einer „fordernden Wiesn“ für ihn und sein Team: Schuld daran ist vor allem das erste Wiesn-Wochenende mit 910 Einsätzen allein am Samstag, darunter viele wegen Kreislaufproblemen. Insgesamt waren es am Ende des zweiten Wiesn-Samstags 3953 Einsätze für die Sanitäter. Ungewöhnlich: Es gab bereits zwei Todesfälle unter Schaustellern. Positiv indes zu verzeichnen, dass die Zahl der Volltrunkenen rückläufig ist. Das mache sich auch an der Zahl derer, die ihren Rausch bei den Sanitätern ausschlafen, bemerkbar: Hatten sie 2024 bis zur Halbzeit noch 104 „Übernachtungsgäste“, waren es laut Belcijan heuer bislang nur 70. Ebenfalls erfreulich: Nur 1,5 Prozent aller Patienten müssen zur Weiterbehandlung ins Krankenhaus gebracht werden.

Was war sonst noch auffällig?

Die Zahl der geklauten Krüge ist rapide gestiegen: Bis Samstag hat das Ordnungspersonal bereits 59 000 Masskrüge eingesammelt, die Menschen zuvor aus den Zelten geschmuggelt hatten. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum waren es 2024 nur 48 000 Krüge.

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