Oktoberfest:Wie weiter mit der Wiesn?

Oktoberfest: Sie dürften darüber entscheiden, ob es wie zuletzt 2019 zum Wiesn-Anstich kommt: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD, links) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Sie dürften darüber entscheiden, ob es wie zuletzt 2019 zum Wiesn-Anstich kommt: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD, links) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

(Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa)

Noch sind es mehr als 250 Tage bis zum Anstich - und es wird bereits ausführlich diskutiert, wie das größte Volksfest der Welt dann aussehen könnte.

Von Franz Kotteder

Zur Münchner Folklore zählt es, sich möglichst oft Gedanken zu machen, wie wohl das nächste Oktoberfest werden könnte. Seit Beginn der Pandemie und dem ersten Absage-Schock wird diese Neigung noch befeuert durch die Angst, das Oktoberfest könnte überhaupt nicht stattfinden. Mal ganz abgesehen davon, dass es auch einen gar nicht so geringen Prozentsatz an Münchnerinnen und Münchnern gibt, die zu eingefleischten Wiesn-Hassern zählen und sich deshalb, trotz aller Corona-Sorgen, über die Absagen in den vergangenen zwei Jahren außerordentlich gefreut haben. Sie müssen sich jetzt allerdings warm anziehen. Denn die Entschlossenheit, 2022 unbedingt zu feiern, scheint von Woche zu Woche zu wachsen.

Deutlichstes Indiz dafür: Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ließ diese Woche verlauten, er könne sich ein Oktoberfest auch im Sommer gut vorstellen. Aiwanger sind populistische Neigungen, wie man weiß, nicht ganz fremd. Und tatsächlich greift der Niederbayer, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, eine Stimmung auf, die schon seit einiger Zeit besonders von den Boulevardmedien der Stadt eifrig befeuert wird. Etwa im Zwei-Wochen-Rhythmus werden Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sowie Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) einvernommen zu der Frage, ob denn wenigstens im Jahr 2022 das Oktoberfest stattfinden werde.

Das Höchstmaß an Präzision von Münchner Prophezeiungen ist gemeinhin mit dem Satz: "Nix Gwiss woaß ma net!" (auf Hochdeutsch: Mit Gewissheit lässt sich gar nichts sagen) erreicht, und dementsprechend fallen Reiters Antworten meist auch aus. Baumgärtner sagt meist: "Wir prüfen alles, was halbwegs möglich ist, das ist unsere Aufgabe." Unter anderem deshalb hieß es in den vergangenen Monaten immer wieder: "Baumgärtner kann sich vorstellen, dass die Wiesn..."

Normalerweise beginnen die Wirte zehn Wochen vor dem Anstich mit dem Aufbau

Nun also Aiwanger. Hier ist Clemens Baumgärtner jedoch relativ eindeutig: "Wir werden heuer sicher keine Wiesn im Juni machen." Darauf kann er sich leicht festlegen, weil so ein Oktoberfest einen gewissen Vorlauf hat; normalerweise beginnen die Wiesnwirte mit dem Aufbau der großen Zelte zehn Wochen vor dem Anstich. Peter Inselkammer, Wirtesprecher und selbst Wirt des Armbrustschützenzelts, weist auch darauf hin, dass man das ganze Jahr über beschäftigt sei mit so einem großen Zelt: "Wir stellen normalerweise bereits im März unsere Mitarbeiter ein. Das braucht ja alles einen Vorlauf." Über die Idee der Sommer-Wiesn kann er deshalb nur milde lächeln.

So wird es wohl darauf hinauslaufen, dass wieder erst im Mai klar sein dürfte, ob das Oktoberfest im Herbst stattfinden kann. Letztlich legen das die Staatsregierung mit ihrer Infektionsschutzverordnung und die Stadt München als Veranstalterin fest. Zu tun gibt es bis dahin ohnehin noch genügend. Man werde das Für und Wider der einzelnen Vorschläge in den nächsten Wochen eingehend prüfen, sagt Baumgärtner, und: "Ich bin für die Wiesn '22 schon wieder positiver gestimmt als die letzten Monate." Es sei denn, es tauche noch "eine neue Supervirusvariante" auf, schiebt er noch nach, aber so etwas könne man nun einmal nicht vorausahnen.

Der Oberbürgermeister denkt an Bändchen, die Gastgeber an eine digitale Lösung

Wie so vieles nicht in den vergangenen zwei Jahren. Ernsthafte Vorschläge - jenseits der zeitlichen Verschiebung - gibt es auch schon in der Debatte. Oberbürgermeister Reiter spricht von einer 2-G-Wiesn mit Bändchen, die jeder am Eingang vorweisen müsse. Die Vereinigung der Wiesnwirte hat eine digitale App-Lösung ins Spiel gebracht. "Wir erarbeiten da gerade ein Konzept", sagt Peter Inselkammer. Eine digitale Kontrolle muss natürlich, ähnlich wie die Bändchen-Variante, fälschungssicher und nachprüfbar sein. Es erfordert sicher auch Prüfstellen rund ums Festgelände und in der Innenstadt, damit es nicht zu langen Schlangen kommt. Auf dem dann streng abgeriegelten Volksfestplatz könnte dann aber fast alles so sein wie vor der Pandemie. "Eins ist klar", sagt Inselkammer, "ein Bierzelt mit Masken und Abstandsregelung hat keinen Sinn. Da lässt man es lieber ganz bleiben."

So bleibt den Wiesn-Fans auf alle Fälle noch die Hoffnung. Und die geschichtliche Erfahrung: Denn außerhalb von Kriegszeiten musste das Oktoberfest nur zweimal pausieren. Das war im 19. Jahrhundert, 1854 und 1873. Jedes Mal übrigens wegen einer Seuche, nämlich der Cholera.

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