Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise:Reiter will möglichst spät über die Wiesn 2021 entscheiden

Noch ein Herbst ohne Oktoberfest? Oberbürgermeister, Wirte und Schausteller hoffen, dass es nicht so weit kommt. Doch alles hänge vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Reservierungen sind schon zu haben: Längst werden auf dem Graumarkt Tische für das Oktoberfest 2021 gehandelt, zu den bekannten hohen Preisen. Um die 300 bis zu 700 Euro soll ein Platz am Eröffnungsabend am 18. September kosten - der Tag, an dem das Fest starten soll. Doch ob das größte Volksfest der Welt angesichts der Corona-Pandemie stattfinden kann, ist offen. 2020 war das Oktoberfest erstmals seit mehr als 70 Jahren abgesagt worden - zu gefährlich.

Die Entscheidung über das Oktoberfest 2021 soll eventuell im April, spätestens aber im Juni fallen. "Die Entscheidung, ob das Oktoberfest stattfinden kann, werden wir unter Berücksichtigung der notwendigen Planungsvorläufe dann im kommenden Jahr treffen, das kann im April sein, aber auch erst im Mai oder sogar Juni", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. "Natürlich kann ich verstehen, dass viele schon jetzt gerne wissen würden, ob die Wiesn nächstes Jahr stattfinden kann oder nicht. Aber keiner kann zum jetzigen Zeitpunkt voraussagen, wie sich die Corona-Pandemie weiter entwickelt", sagt Reiter.

"Ich würde mich sehr freuen, wenn das Oktoberfest 2021 stattfinden kann." Aber das sei natürlich nur möglich, wenn die Corona-Lage weltweit es erlaube. Rund sechs Millionen Besucher aus aller Welt kommen sonst zum größten Volksfest der Welt und feiern teils dicht gedrängt in den Zelten - beste Bedingungen für die Verbreitung eines Virus. Schon in normalen Jahren haben Erkältungsviren in der Enge der Zelte bei den bierseligen Massen leichtes Spiel. Alljährlich um die Wiesnzeit grassiert die sogenannte Wiesngrippe, Arztpraxen in München und Umgebung berichten von steigenden Patientenzahlen.

Er favorisiere eine späte Entscheidung im Juni, um alle Chancen auszuschöpfen, sagt der Wiesnchef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU). Was bis dahin sein werde, "da können wir alle nur orakeln". "Ich glaube, dass die Wiesn wichtig ist für die Stimmung in der Stadt; sie ist im Stadtkalender ein emotionaler Fixpunkt - mal ganz abgesehen von den Arbeitsplätzen." Auch für den Stadtsäckel sei die Wirtschaftskraft gut, die von der Wiesn ausgehe. "Ich hoffe auf die Wiesn 2021", sagt Baumgärtner. "Die Wiesn macht glücklich."

Wirte, Marktkaufleute und Schausteller geben sich optimistisch. "Ich bin zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr eine Wiesn haben können", sagt der Sprecher der Wiesnwirte, Peter Inselkammer. Er hoffe auf die Impfung und darauf, dass zum Sommer hin wieder größere Veranstaltungen möglich sind. "Bei uns laufen die Planungen - wie die Jahre vorher auch." Inselkammer und seine Kollegen müssen wie andere Beschicker bis Jahresende ihre Bewerbungen bei der Stadt einreichen.

Wenn die Zelte noch ein Jahr in den Containern bleiben, summieren sich nicht nur die Lagerkosten - durchaus eine niedrige sechsstellige Summe. Es drohen auch Schäden. "Wir rechnen mit Sanierungskosten, weil die Sachen so lange gelagert waren", sagt Inselkammer. Grills könnten rosten, Dekorierungsstoffe unbrauchbar werden. Auch Sebastian Kuffler vom Weinzelt bleibt vorsichtig optimistisch: "Ich gehe davon aus, dass die Impfstrategie aufgeht." Er rechne "zu 70 Prozent" damit, dass die Wiesn stattfinden könne. Denn auch wenn alles gut läuft: Bei Millionen Gästen aus aller Welt sei ein umfassendes Hygienekonzept schwer umsetzbar.

Mediziner rechnen damitd, dass die Pandemie auch im nächsten Jahr noch nicht ganz besiegt sein wird und äußern sich zu einem möglichen Oktoberfest zurückhaltend. Es seien noch zu viele Faktoren unklar. Offen sei unter anderem, ob es bis dahin eine effektive Therapie oder Prophylaxe gebe, eine anhaltend wirksame Impfung, genügend Impfstoff - und ob sich genügend Menschen impfen lassen, heißt es. Die Wirte hatten 2020 versucht, mit einer "Wirthauswiesn" in Gaststätten und Biergärten ein wenig Wiesnstimmung zu schaffen. Einige Schausteller und Marktkaufleute konnten Fahrgeschäfte und Buden beim "Sommer in der Stadt" an verschiedenen Plätzen in München aufstellen. Ähnliche Projekte gab es auch in anderen Städten.

Damit hätten einige gerade so die laufenden Ausgaben decken können, sagt Yvonne Heckl von der Veranstaltungsgesellschaft der Münchner Schausteller. "Die Umsätze sind nicht mit den Einnahmen einer normalen Volksfestsaison zu vergleichen und kein Ersatz für die ausgefallenen Veranstaltungen." Auf der Theresienwiese als originärem Ort des Volksfestes, mit trockenen Grasbüscheln und Schotter eher eine Steppe als eine Wiese, standen 2020 nur ein paar einsame Buden. Gerade dort wollte man keine Fahrgeschäfte - um keinen Anlass zu geben für unkontrollierte "wilde" Wiesnpartys mit hohem Infektionsrisiko.

Sollte die Wiesn erneut ausfallen, könnte es auch im nächsten Jahr vergleichbare Projekte geben. Aber: "Eine Wiesn "light" ist keine Wiesn", sagt Heckl - und so sehen es die meisten Beteiligten. Bierzelte, Fahrgeschäfte, Stände mit gebrannten Mandeln, modernste Fahrgeschäfte neben nostalgischen Karussellen, die Prachtgespanne der Brauereien und die Umzüge durch die Stadt: "Das größte und schönste Volksfest der Welt ist oft kopiert - und nie erreicht."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5150493
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/sim/kast/van
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.