Süddeutsche Zeitung

Neues Ehrenamt:"Dass es ein Jude ist, allein das ist eine Ansage"

Marian Offman wird interreligiöser Beauftragter in München. Der frühere Stadtrat wollte eigentlich eine andere Position besetzen. Die CSU kritisiert die schlechte Vorbereitung des Amtes und der Personalie.

Von Heiner Effern

München ist bunt, auch in der Frage der Religion oder der Weltanschauung. Um ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben zu erhalten und zu fördern, hat die Stadt einen eigenen interreligiösen Beauftragten ernannt. Der frühere Stadtrat Marian Offman wird diese neue Funktion ausfüllen, erstmals trat er in seinem Amt am Donnerstagabend beim Friedensgebet am Jakobsplatz offiziell auf. "Das Miteinander der Religionen auf allen Ebenen ist ein Beitrag für den inneren Frieden einer Stadt", sagte er wenige Stunden zuvor im Gespräch.

Der 73 Jahre alte Offman ist bestens vernetzt in der Stadtgesellschaft. 18 Jahre saß er im Stadtrat, zuerst für die CSU, später wechselte er zur SPD. Dazu gehört er dem Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern an und hat sich mit viel Einsatz als Kämpfer gegen Antisemitismus und Diskriminierung von Minderheiten einen Ruf über die Landeshauptstadt hinaus erworben. Schon seit Längerem pflegt er auch Kontakte zu Muslimen in München. Die will er beibehalten und vertiefen und mit weiteren Religionen und Weltanschauungsgruppen schnell Kontakt aufnehmen. Alleine seine Ernennung durch den Sozialausschuss sei ein politisches und gesellschaftliches Zeichen, sagt Offman. "Dass es ein Jude ist, allein das ist eine Ansage. Eine sehr gute Ansage." Gerade in der früheren "Hauptstadt der Bewegung" der Nationalsozialisten, Ausgangspunkt der Reichspogromnacht.

Offman freut sich auf seine neue Aufgabe, auch wenn es kein Geheimnis ist, dass er ursprünglich eine andere Position besetzen wollte: das Amt des Antisemitismusbeauftragten. Doch die Grünen und die Fachstelle für Demokratie hatten dafür andere Vorstellungen. "Wir wollen zuerst einen Aktionsplan entwickeln, die Stelle des Antisemitismus-Beauftragten soll dann ein Teil davon sein", sagte Dominik Krause, der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, vor etwa einem Jahr.

Die SPD wollte die Kompetenz ihres früheren Stadtrats, der den Wiedereinzug im März 2020 knapp verpasst hatte, jedoch nicht verlieren. Herausgekommen ist die neue Funktion des interreligiösen Beauftragten. Mit dem habe er sich gleich anfreunden können, sagt Offman. "Das geht noch über das Amt des Antisemitismusbeauftragten hinaus." Wer ihn kennt, der weiß, dass er bei Protesten gegen Nazis weiter in der ersten Reihe stehen wird. Mit den Grünen hat er sich ausgesprochen, bei antisemitischen Übergriffen wird er sich mit der Fachstelle für Demokratie absprechen.

Ausständig ist noch eine Aussprache mit seiner früheren Partei, der CSU. Die Stimmung ist mehr als frostig, seit er 2019 zur SPD gewechselt ist. Seine früheren Stadtratskollegen stimmten im September gegen den Beschluss, der ihn zum interreligiösen Beauftragten gemacht hat. In der Folge legte die CSU eine scharfe Anfrage an das zuständige Sozialreferat nach, wie der neue Posten besetzt wurde, wie er ausgestattet ist und welche konkreten Pflichten und Befugnisse damit verbunden sind. "Ich finde das traurig", sagte Offman. "Das ist kein Zeichen menschlicher Größe." Die CSU wiederum betont, dass ihre Ablehnung nichts mit der Person Offman zu tun habe, sondern mit der schlechten Vorbereitung des Amtes und der Personalie durch das Sozialreferat. "Das ist kein seriöses Verwaltungshandeln", sagte Fraktionschef Manuel Pretzl. Offman sei als Persönlichkeit anerkannt, "und er kann das auch".

Die SPD ist sehr zufrieden, die Kompetenz und das Netzwerk von Offman der Stadt erhalten und den Religionsgemeinschaften einen offiziellen Betreuer zur Seite gestellt zu haben. "Wir sind sicher, dass er ein guter Ansprechpartner für den regelmäßigen Austausch sein und deren Themen und Anliegen bei Stadtspitze, im Stadtrat und in der Stadtverwaltung einbringen wird." Dass er die Verwaltung unnötig aufblähe, die Sorge kann Offman der CSU nehmen. Er bekleide ein reines Ehrenamt, sagt er, das im Sozialreferat verankert sei. "Ich habe kein eigenes Büro, erhalte keinen Cent dafür", sagt er. "Das läuft über meinen Computer in meinem Büro."

Die konkreten Aufgaben müssten sich auch noch entwickeln, dabei will er die Religionsgemeinschaften miteinbeziehen. Er wird sie nun besuchen und versuchen, ein regelmäßiges Treffen zu institutionalisieren. Der Rat der Religionen in München begrüßt, dass er künftig als Partner zur Verfügung steht. Er freue sich "auf die Zusammenarbeit und wünscht für die anstehenden Aufgaben alles Gute", gratulierte der Geschäftsführer Dietmar Frey unmittelbar nach dem Beschluss in den sozialen Medien.

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SZ vom 11.10.2021
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