Gedenken an OEZ-Anschlag:Kleiner Raum, großes Symbol

Gedenken an OEZ-Anschlag: Der neue Gedenkort an der Dienerstraße im Erdgeschoss des Rathauses.

Der neue Gedenkort an der Dienerstraße im Erdgeschoss des Rathauses.

(Foto: Catherina Hess)

Die Initiative "München erinnern" eröffnet einen Laden in der Dienerstraße, um der Opfer des Attentats am Olympia-Einkaufszentrum zu gedenken. Und um aufzuklären: Es war kein Amoklauf, es war eine rechtsextreme Terrortat.

Von Bernd Kastner

Es ist nur ein Raum, keine 40 Quadratmeter, unscheinbar. Und doch ist dieser kleine Raum ein großes Symbol. Die Erinnerung an den rechtsextremen Anschlag vom Olympia-Einkaufszentrum 2016 wird sichtbar, in der Mitte der Stadt, an der Dienerstraße im Erdgeschoss des Rathauses. Die Stadt hat den Angehörigen der neun Ermordeten diesen Raum vorübergehend kostenlos zur Verfügung gestellt, um sich dort zu treffen, Interessierte zu informieren und sich zu erinnern. An Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabina S., Selçuk Kılıç und Sevda Dağ.

Angehörige und Unterstützende haben sich zur Initiative "München erinnern" zusammengeschlossen. Sie haben renoviert, Wände gestrichen, neuen Boden verlegt. Sie haben gezeichnete Portraits der Ermordeten aufgehängt, im Schaufenster einen Monitor installiert, auf dem der Film einer Erinnerungsdemo läuft, und sie haben Plakate drapiert: "Kein Amok sondern rechter Terror." "Kein Einzelfall: rechter Terror hat Struktur." "Wir sind alle gleich." Bald wollen sie den Laden regelmäßig öffnen, für Passanten, für die Öffentlichkeit, Ende Juli müssen sie wieder raus.

Jetzt stehen vier Angehörige um ein Tischchen und freuen sich über die Eröffnung des Raumes. "Das haben wir uns seit Jahren gewünscht", sagt Hasan Leyla. Sie alle eint der Wunsch, von der Stadtgesellschaft wahrgenommen zu werden als Angehörige von Opfern eines rechtsextremistischen Attentäters. Es war eben kein Amoklauf, wie es in den ersten Jahren hieß. Die Angehörigen am kleinen Tisch, Eltern, Oma, Schwester von Ermordeten, fühlen sich noch immer nicht richtig aufgefangen von der Gesellschaft. Immerhin, inzwischen gebe es um die 20 Unterstützer, die bei "München erinnern" mitmachen. Sie danken dem Rathaus für den Raum und hoffen, dass die Stadt bald eine dauerhafte Bleibe für die Gruppe auftut, in Moosach, nahe dem OEZ.

Der Hass der rechtsextremen Szene, er gehe alle Menschen an

Margareta Zabërgja sagt, man dürfe nicht vergessen, dass der Täter vernetzt war in der rechtsextremen Szene, und dass der Hass dieser Gleichgesinnten alle angehe. Sie wünscht sich, dass im Unterricht die Beschäftigung mit Rechtsextremismus nicht mit dem Jahr 1945 ende, dass auch die rechte Tradition in der Bundesrepublik thematisiert werde.

Die Angehörigen fordern, dass München in einer Reihe genannt wird mit Halle und Hanau, wo in den vergangenen Jahren ebenfalls Rechtsextremisten Menschen töteten. Eine Form der Anerkennung wäre für sie die Aufnahme in diese traurige Liste. Sie wünschen, dass die Gräber als Ehrengräber dauerhaft erhalten bleiben, dass die Namen der Ermordeten sichtbar werden, indem zum Beispiel Straßen nach ihnen benannt werden. Dass der McDonald's beim OEZ schließt und dafür ein würdiger Gedenkort entsteht.

Der Laden im Rathaus ist mehr als ein temporärer Erinnerungsort. Er soll das Bewusstsein schärfen. Dort verkaufen sie T-Shirts mit den Portraits der Ermordeten und auch Stofftaschen. In einem Schaukasten an der Fassade wird in einem längeren Text erklärt, wie verlassen sich die Angehörigen nach der Tat fühlten. Diese "unerträgliche Stille" in der Stadt, auch Jahre danach noch.

Gisela Kollmann tritt ans Mikro vor dem Laden. "Jedes Mal freue ich mich, wenn Menschen hier am Fenster stehen bleiben, sich interessieren und informieren." Sie kämpft mit den Tränen. Sibel Leyla spricht Worte ins Mikro, die ihr Erleben in den vergangenen Jahren skizzieren: Trauer, Sehnsucht, Wut, Groll, Erinnerungen, Hoffnungslosigkeit. Und jetzt, mit dem Raum, der Blick nach vorne: Sie hoffe, dass auch Schulklassen kommen, um sich zu informieren, wohin Rassismus führt. Dann ruft die zur Eröffnung gekommene Menge auf der Dienerstraße die Namen der Hauptpersonen: "Armela erinnern! Can erinnern! Dijamant erinnern! Guiliano erinnern! Hüseyin erinnern! Roberto erinnern! Sabina erinnern! Selçuk erinnern! Sevda erinnern! München erinnern."

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