Erneuerbare Energien:Woher der Ökostrom für München kommt

Naturschutzgebiet Fröttmaninger Heide, 2013

Eine Ausnahme: das Windrad in Fröttmaning. Die größeren Windkraftanlagen, an denen die Stadtwerke beteiligt sind, stehen nicht in der Nähe von München.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bis 2025 wollen die Stadtwerke den kompletten Münchner Energiebedarf mit Ökostrom decken können. Leicht wird das nicht, denn die lokalen Möglichkeiten sind stark begrenzt.

Von Andreas Schubert

Werden sich die Stadtwerke München (SWM) an einem neuen Windpark in Großbritannien beteiligen? Diese Möglichkeit hat SWM-Chef Florian Bieberbach am Donnerstag in Aussicht gestellt. Noch sei allerdings nichts spruchreif, erklärte er. Fest steht laut Bieberbach: Um das Ziel zu erreichen, bis 2025 so viel Ökostrom zu erzeugen, damit ganz München versorgt wäre, braucht es noch einige Großprojekte. "Das wird kein Spaziergang", sagte er. Denn die Möglichkeiten, in München selbst und in der Region zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, sind arg begrenzt.

Trotzdem spielt München in Sachen Ökostrom in einer eigenen Liga, wie Christian Maaß vom Hamburg Institut sagt. Das Beratungs- und Forschungsunternehmen mit Schwerpunkt im Energie- und Umweltsektor hat für die SWM eine Studie erstellt, in der es die "Ausbauoffensive Erneuerbare Energien" der SWM analysiert. Bis nächstes Jahr will der Energieversorger 80 Prozent seines Energie-Ziels erreicht haben. Das ist seit Beginn der Ausbauoffensive ein schneller Fortschritt. 2008 lag der Anteil der erneuerbaren Energien gerade mal bei 350 Millionen Kilowattstunden (kWh) pro Jahr, was einem Anteil von fünf Prozent des Münchner Bedarfs entsprach. 2015 lag der Anteil mit 2,5 Milliarden kWh pro Jahr bereits bei 35 Prozent des Bedarfs und reichte für alle Münchner Haushalte und den öffentlichen Nahverkehr. 2019 rissen die SWM die 60-Prozent-Marke mit 4,33 Milliarden kWh per anno, bis nächstes Jahr sollen sechs Milliarden kWh erreicht werden.

Die effektivsten Energielieferanten sind die Windkraftanlagen, die die SWM betreiben oder an denen sie beteiligt sind. Mit großem Abstand folgen Wasserkraft, Solarenergie, Geothermie und Biomasse.

Aktuelle Schwerpunkte sind die Windparks in Norwegen und Polen. Wenn beide komplett laufen, soll der in beiden Anlagen produzierte Ökostrom für 246 000 Haushalte reichen - was zum Beispiel in Norwegen heftige Kritik von Umweltverbänden auslöste. Tenor: Vor der eigenen Haustür wollen die Deutschen keine Windanlagen, dann bauen sie sie eben im Ausland. In der Tat sind neue Windanlagen in der Region wegen der aktuellen Gesetzeslage praktisch nicht zu verwirklichen. Sie dürfen in Bayern nur dann errichtet werden, wenn ihr Abstand zur nächsten Siedlung mindestens das Zehnfache der Höhe der Anlagen beträgt.

So kommt auch das Hamburg Institut zum Schluss, dass Regionalität und kleine Projekte für die Energiewende eine untergeordnete Rolle spielen. "Für das Klima ist der Ort der Emissionsminderung von Treibhausgasen irrelevant", sagt Christian Maaß. Sehr wichtig dagegen sei, die Emissionen so schnell wie möglich zu reduzieren.

Große Projekte hätten tendenziell eine bessere Effektivität, ermöglichten hohe Einsparungen an Treibhausgas und seien inzwischen so wirtschaftlich, dass sie finanzielle Spielräume für neue Projekte schafften. Das gilt auch für die SWM: Bis Ende 2019 haben die SWM rund 3,4 Milliarden Euro in den Ausbau der Erneuerbaren investiert. Inzwischen finanziert sich das Wachstum wegen der Rückflüsse aus dem Betrieb der laufenden Projekte selbst. Um den Anteil des Ökostroms auf regionaler Ebene trotzdem weiter zu steigern, spricht sich Maaß für eine geänderte Gesetzeslage auf Landes- und Bundesebene aus. Beispiele, die den Ausbau hemmen, gibt es einige.

So gilt etwa für die Photovoltaik, dass dieses Jahr die bundesweite Grenze von 52 Gigawatt Photovoltaik-Kapazität erreicht wird. Das Gesetz soll zwar noch heuer fallen, doch aktuell gilt noch, dass es bei Überschreiten dieses sogenannten 52-GW-Deckels keine Förderung mehr für kleine Solaranlagen gibt. Außerdem rentiere sich eine Solaranlage auf dem Dach nur für Hausbesitzer, die selbst in dem Gebäude wohnen. Denn die Regelungen für sogenannten Mieterstrom machen Solaranlagen auf Mietshäusern für Hausbesitzer unattraktiv. Gleichwohl sieht das Hamburg Institut in München durchaus technisches Potenzial für Photovoltaik. Laut verschiedenen Studien könnten so zwischen 1,8 und fünf Milliarden kWh erzeugt werden. Doch Maaß sieht das tatsächliche Potenzial deutlich geringer. Bauherren und Architekten seien skeptisch, weshalb Maaß sich dafür ausspricht, dass Neubauten in Bayern verpflichtend mit Solaranlagen ausgestattet werden, wie es zum Beispiel bereits in Hamburg üblich ist.

In Münchens Bevölkerung besteht durchaus Interesse daran, den Ausbau der Photovoltaik voranzutreiben. So habe man etwa bei einem Projekt in Perlach, wo Anleger "Sonnenbausteine" erwerben konnten, die Anteile binnen 56 Stunden verkauft, berichtet Bieberbach. Für ihn ist dies ein schöner Erfolg, gleichwohl nur ein relativ kleiner Beitrag zur Energiewende, der Strom reicht gerade einmal für 1300 Haushalte.

Insgesamt werden in München pro Jahr 7,2 Milliarden kWh Strom verbraucht. Mit der Zunahme der Elektromobilität und der Umstellung von Ölheizungen auf Wärmepumpen wird der Bedarf bis 2025 nach Schätzung der SWM auf 7,7 Milliarden kWh steigen. Auch wenn mehr regionale Quellen erschlossen werden, wird München deshalb dauerhaft von überregional erzeugtem Ökostrom abhängig sein.

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