Süddeutsche Zeitung

Teilöffnungen:"Das Angebot wird stärker genutzt, als wir erwartet haben"

Das Haus der Kunst zählt bereits in den ersten beiden Stunden mehr als 50 Besucher. Im Einzelhandel hält sich der Ansturm in Grenzen und vor den Gehegen im Zoo ist die Sehnsucht nach den Tieren groß.

Von Stefan Galler, Catherine Hoffmann, René Hofmann, Evelyn Vogel, Sabine Wejsada

Die Verwirrung am Montagmorgen in der Innenstadt war groß. Dürfen wir, oder dürfen wir nicht? Ladentüren aufschließen? Einkaufen bei einem Inzidenzwert über 50? Die Überraschung war dann ebenso groß - in den Geschäften, den Museen und selbst im Zoo war meist schnell ein Platz frei.

Geschäfte in der Stadt

Fabian war überrascht, dass es am Montagmorgen noch freie Termine für denselben Tag gab. Kurz vor 13 Uhr steht er vor dem Sporthaus Schuster und wartet, bis sein Zeitfenster fürs Einkaufen beginnt. "Ich kaufe vieles im Internet, weil's halt günstiger ist", erzählt er. "Aber bei Laufschuhen lohnt sich eine Videoanalyse." Reichlich Auswahl dürfte es geben.

"Wir haben unser Haus in einem Kraftakt von Winter auf Sommer umgestellt", sagt Rainer Angstl, Geschäftsführer des Sporthaus Schuster. Er staunt noch immer darüber, dass es sein Team geschafft hat, 3000 Paar Skischuhe und ganze Berge von Skianoraks einzulagern. Für Schuster geht es - wie für viele - ums Überleben. Die Überbrückungshilfe III wird gerade vom Sporthaus beantragt, allerdings ist noch immer nicht klar, wie die Winterware bewertet werden soll.

München hat am Wochenende den Inzidenzwert von 50 überschritten. Das heißt: Geschäfte müssen nach dem Prinzip Click& Meet Termine fürs Einkaufen vergeben. Die Einzelhändler trifft das hart. Sie hatten bis zuletzt gehofft, vielleicht doch regulär öffnen zu dürfen. Nun ist alles komplizierter. Bei Inzidenzwerten zwischen 50 und 100 müssen jedem Kunden im Laden mindestens 40 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Die Kontaktdaten der Kunden müssen erfasst werden. Click & Meet heißt aber nicht, dass spontanes Shoppen nicht möglich wäre. Derzeit sind noch viele Termine frei. Wer direkt vor einem Geschäft steht, findet meist einen QR-Code an der Tür zur sofortigen Anmeldung.

Doch an diesem Montagmorgen ist bei sonnigem, aber kalten Wetter in der Innenstadt nicht viel los. Nur vor wenigen Kaufhäusern sieht man Schlangen - und es begegnen einem nur vereinzelt Menschen mit Einkaufstüten. Robert ist einer von ihnen. "Es geht auf meine Hochzeit hin - irgendwann braucht man mal die passenden Klamotten dafür, die wollte ich nicht im Internet kaufen." Als er gehört hat, dass es losgeht, hat er sich gleich einen Termin im Hirmer-Haus besorgt. "Unsere Kunden nehmen Click & Meet gut an", sagt Frank Troch, Geschäftsführer bei Hirmer. "Bei uns geht Einkaufen nicht nur mit Vorab-Termin, es geht auch à la minute." Das Kaufhaus hat gut 9000 Quadratmeter Verkaufsfläche, es dürfen also gut 200 Kunden zur gleichen Zeit rein.

Geschäfte im Landkreis

Anders als in der Stadt darf der Einzelhandel im Landkreis München am Montag normal öffnen, weil die Sieben-Tage-Inzidenz dort immer noch knapp unter 50 liegt. Bei Ikea in Brunnthal ist man deshalb auf einen gewaltigen Ansturm vorbereitet: Auf der B 471 wurde eigens eine Abbiegespur nur für Kunden des schwedischen Möbelhauses eingerichtet, inklusive LED-Anzeige mit Stauwarnung. Tatsächlich herrscht auf den Parkplätzen und in der Kassenhalle mittags Leere und der Zähler am Eingang zeigt an, dass noch 925 Kunden Einlass erhalten könnten, bevor die Obergrenze von 1126 erreicht worden wäre.

Ähnlich ist die Situation bei XXXLutz in Aschheim, wo am Montag gut 200 Beschäftigte aus der Kurzarbeit zurückgekehrt sind. Dort sind mittags nur etwa zehn Prozent der erlaubten 900 Kunden im Markt. Einige davon sind aus München gekommen, so wie Urscha und Felix Hain, die sich mit Frühlingsdeko eindecken wollen, nachdem sie zuvor bereits in einem anderen Geschäft Kleidung gekauft haben: "Online geht das bei Kleidung nicht, die muss man sehen."

Museen

"Wir sind froh, wieder Besucher im Haus zu haben", freut sich der kaufmännische Direktor vom Haus der Kunst, Wolfgang Orthmayr. "Das Angebot wird stärker genutzt, als wir erwartet haben." In den ersten beiden Stunden wurden mehr als 50 Besucher gezählt. Vier Ausstellungen sind derzeit zu sehen und von Mittwoch an wird auch die neue große Schau von Phillida Barlow zugänglich sein. Die meisten Besucher hätten sich entweder telefonisch angemeldet und mussten dann vor Ort ihre Kontaktdaten hinterlegen oder gleich das Buchungssystem Xing benutzt. Aber auch per Mail seien Kartenwünsche eingegangen, erzählt Orthmayr. Am meisten aber freue er sich über eines: Überall spüre man so ein "Endlich-Gefühl".

Auch Roger Diederen, Direktor der Kunsthalle München, ist mehr als zufrieden: "Es läuft super!" Bis Mittag hatten bereits mehr als 100 Besucher Einlass in die Schau "Thierry Mugler: Couturissime" gefunden. Die Terminvergabe über den Onlineshop - der am Sonntagabend freigeschaltet wurde - laufe prima. Auch auf die Ankündigungen über den Newsletter und die sozialen Medien habe es eine große Resonanz gegeben. Jeweils bis zu 40 Personen werden im Stundentakt eingelassen. Wer direkt an die Kasse kommt, muss erst einmal seine Daten erfassen lassen und wird bislang problemlos zwischen die Online-Buchungen geschoben.

Tierpark

Der Tierpark ist beliebt an diesem Montag, so beliebt, dass sich am Nachmittag ansehnliche Schlangen vor den Kassenhäuschen bilden. Online-Tickets, Maskenpflicht auf dem gesamten Gelände (FFP2-Masken ab 15 Jahre, Kinder ab sechs Jahre einfacher Mund-Nase-Schutz): Weder der Aufwand noch die Einschränkungen schrecken ab. Wie groß die Sehnsucht nach den Wochen der Komplettschließung ist, lässt sich an vielen verschmierten Scheiben erkennen. Weil die Innenbereiche geschlossen sind, wird jede Gelegenheit gesucht, um einen Blick zu erhaschen, was irgendwo vielleicht klettert oder kriecht.

Oft gibt es stattdessen aber nur Werkzeug zu sehen. Der Lockdown wurde vielerorts für Auffrischungsarbeiten genutzt, die noch nicht allerorten abgeschlossen sind. Der Tierpark schließt bis 26. März schon um 17 Uhr, aber die Frühlingssonne lässt ihn zur Attraktion werden - zumindest für diejenigen, die rechtzeitig reserviert haben und deren Jahreskarten noch gültig sind. Eine Verlängerung ist am Eingang nicht möglich.

Wer es hineinschafft, darf sich auf die bekannten Attraktionen in den Außengehegen freuen. Elefantennachwuchs Otto zeigt sich aber nur an der frischen Luft, wenn es ihn dorthin zieht. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es zumindest die Videoaufnahmen zu bestaunen, die auf einem in einem Baumstumpf eingelassenen Mammutscreen laufen. Eine Löwenlänge Abstand heißt es dann, woran überall Schilder erinnern. Wer vergessen hat, wie groß eine solche ausfällt, muss allerdings improvisieren: Trotz Frühlingssonne drängt es die Löwen am ersten Nachmittag nicht zu einem Wiedersehen ins Freigehege.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2021/syn, van
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