Je tiefer die Sonne am Sonntagnachmittag hinter der Feldherrnhalle versank, desto enger rückten davor die Menschen auf den verschwindenden Sonnenstellen zusammen. Die Teilnehmer der Demonstration gegen den Rechtsruck unter dem Motto „Jetzt erst recht!“ sehnten sich nicht nur im übertragenen Sinn nach Wärme, sondern auch im tatsächlichen: Auf den zunehmend verschatteten Flächen des Odeonsplatzes wurde es allmählich kalt.
Da traf es sich gut, dass das Bündnis „Gemeinsam gegen Rechts“, das zu dieser Demonstration aufgerufen hatte, neben einigen Rednern auch ein paar Rapper eingeladen hatte. Das Duo Bruneau, Mondmann brachte die Leute mit seinen Liedern zum Tanzen, gegen Kälte hilft ja auch Bewegung. Viele der zwischen 2500 (Polizeiangabe) und 5000 Teilnehmer (Schätzung der Veranstalter) wanderten allerdings auch vorzeitig ab und der Sonne hinterher, bevor die Versammlung beendet war.
Ursprünglich hatten sich auch die Omas gegen Rechts nach ihren anstrengenden Aktivitäten während des Bundestagswahlkampfs erholen und gar nicht erst kommen wollen, sagte eine Sprecherin der Gruppe auf der Bühne. Aber nach dem Erstarken der in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD bei der Wahl und der „Kleinen Anfrage“ der Union zu den Organisatoren der Demos gegen rechts an die Bundesregierung, rafften sie sich doch noch einmal auf und beteiligten sich an der Demo.
Auch die Omas wollten ein Zeichen setzen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen. „Dürfen Bürgerinnen und Bürger die Politik kritisieren? Dürfen sie demonstrieren, ohne deswegen abgestraft zu werden?“, fragten die Omas auf der Bühne im Chor – und gaben gleich selbst die Antwort: „Ja, das ist Demokratie.“


Die Unionsparteien CDU und CSU hatten vor der Bundestagswahl bei einer Abstimmung über verschärfte Maßnahmen gegen ungewollte Migration die Unterstützung der AfD in Kauf genommen. Das hatten viele zivilgesellschaftliche Gruppen kritisiert, bundesweit waren Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen das Verhalten der Union und ihres Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zu protestieren. Dass sich die CDU/CSU nun mit einem ganzen Fragenkatalog zu ihren Kritikern noch schnell an die abgewählte Regierung wandte, werteten viele als Angriff auf ihr zivilgesellschaftliches Engagement. Luc Ouali, einer der Demo-Organisatoren, verglich die Kleine Anfrage mit Methoden der AfD und anderer rechter Kreise, um die Zivilgesellschaft einzuschüchtern. In seiner Auftaktrede wandte sich Ouali gegen die zunehmenden Spaltungsversuche: „Wir müssen zusammenhalten!“

Anschließend äußerten verschiedene Sprecher und Sprecherinnen ihre Sorgen über den Rechtsruck in Deutschland. Daniela Maier, die ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt München, wies darauf hin, dass auch ihre Community für die Vielfalt stehe, die von rechts bedroht werde. Für die durch die jüngsten Entwicklungen wohl am meisten gefährdete Gruppe der Geflüchteten gab Masume Jafari einen Einblick in ihre Gefühlswelt.
Die junge Frau, eine in Iran geborene Tochter afghanischer Eltern, berichtete von einer jahrelangen Flucht der Familie durch verschiedene Länder, ehe sie vor vier Jahren nach Deutschland kam: „Hier hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, über grundlegende menschliche Rechte zu verfügen“, erzählte sie. Angesichts dieses kurzen Glücksgefühls seien die letzten Wochen nicht nur für sie, sondern für alle Asylsuchenden „beängstigend“ gewesen.
Wegen all der schlechten Nachrichten und der vielen globalen Krisen hatte die Versammlungsleiterin Catrin Kost schon zu Beginn der Versammlung klargemacht: „Hoffnung ist wichtiger denn je!“ Sie warnte davor, „in Problemtrance“ zu verfallen, und mahnte, ins Handeln zu kommen: „Lasst uns aufhören, uns nur empört an den Kopf zu fassen. Wir müssen unsere Hände benutzen, um anzupacken.“ Ihr Appell an die Anwesenden: „Bitte geht heute nicht nach Hause und denkt, dass wir genug getan haben. Wir müssen auch morgen am Start sein. Und übermorgen. Und nächste Woche.“