Münchens Süden bekommt ein neues großes Stadtquartier mit drei 80-Meter-Hochhäusern: Der Planungsausschuss des Stadtrats hat in seiner jüngsten Sitzung den Weg frei gemacht für ein privates Bauprojekt auf einem Grundstück an der Ecke Boschetsrieder Straße/Machtlfinger Straße, direkt an der gleichnamigen U-Bahnstation. Das Münchner Immobilienunternehmen Salvis plant auf dem Gelände, das früher von Siemens und einem Betonwerk genutzt wurde und das derzeit Heimat des Zwischennutzungsprojekts "Sugar Mountain" ist, ein Quartier mit 5000 Arbeitsplätzen, 220 Wohnungen, einem Hotel, Geschäften sowie Raum für kulturelle Nutzungen und Grünflächen.
Insgesamt soll bei dem Projekt eine Geschossfläche von etwa 170 000 Quadratmetern entstehen. Zum Vergleich: Münchens höchstes Gebäude, das 146 Meter hohe "Uptown" (auch bekannt als "O2-Tower"), verfügt über 50 000 Quadratmeter. Der öffentlichkeitsscheue Salvis-Chef Ulrich Fischer will sich selbst zu seinem Projekt nicht äußern, lässt aber über einen Sprecher ausrichten, er habe den Wunsch, "ein kleines Werksviertel in Obersendling" zu schaffen.
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Welche Nutzer das Quartier einmal haben wird, ist noch unbekannt. Anfang des Jahres hieß es, dass die Bayerische Landesbank ihre Unternehmenszentrale aus der Innenstadt dorthin verlegen wolle. Einige Wochen später aber ließ sie den unterschriftsreifen Mietvertrag platzen.
In der Stadtratsdebatte stieß das Vorhaben mehrheitlich auf Wohlwollen, allerdings begleitet von kritischen Anmerkungen, vor allem zu den Hochhäusern, zur geringen Zahl von Wohnungen und zur geplanten riesigen Tiefgarage. Letztlich verabschiedete der Planungsausschuss mit breiter Mehrheit, gegen die Stimmen von ÖDP/München-Liste und Die Linke/Die Partei, den Billigungsbeschluss und vorbehaltlichen Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan - und traf damit die Vorentscheidung, dem Investor das Baurecht für sein Projekt zu gewähren.
Der städtebauliche Entwurf ist in einem eher ungewöhnlichen Workshop-Verfahren entstanden. Aus zunächst sieben Konzepten wählte eine Jury zwei Entwürfe aus. Die Architekturbüros KCAP (Rotterdam) und Cobe sowie die Landschaftsarchitekten von SLA (beide Kopenhagen), von denen diese zwei Entwürfe stammten, wurden zusammengespannt und entwickelten gemeinsam einen Masterplan für die Bebauung und das Freiflächenkonzept. Wie genau die Gebäude aussehen werden, soll sich in weiteren sogenannten Realisierungswettbewerben herausstellen.
In ursprünglichen Entwürfen waren unterschiedlich große Hochhäuser mit bis zu 120 Metern vorgesehen, das aber erwies sich als politisch nicht durchsetzbar. Hochhäuser im Süden der Stadt gelten als besonders sensibles Thema, weil sie - so meinen Kritiker - den Alpenblick stören, zumal Obersendling 30 bis 40 Meter höher liegt als die Münchner Innenstadt. Letztlich einigten sich die Stadt und der Investor auf die dreimal 80 Meter. Paul Bickelbacher, der die Position der größten Stadtratsfraktion Die Grünen/Rosa Liste vertrat, räumte ein, dass auch diese Gebäude "den Alpenblick tangieren". Es handele sich aber immer "um eine Abwägungssache". Mit dem, was die Stadt durch das Projekt neu hinzubekomme, "nehme ich das in Kauf". Heike Kainz (CSU) nannte die Hochhäuser "so vertretbar". Jörg Hoffmann (FDP) fand es "schade, dass man sie gekürzt hat". Anders sah das Brigitte Wolf (Linke), die das Projekt ablehnt: "Ein wichtiges Argument bei Hochhäusern ist die Geländehöhe. Deshalb haben sie im Süden eine ganz andere Wirkung."
Der zweite sensible Punkt sind die Wohnungen. Micky Wenngatz (SPD) nannte es zwar positiv, dass Obersendling einen zusätzlichen Kultur-Standort bekomme und das Viertel von zusätzlichen gastronomischen Angeboten profitieren werde, "aber eigentlich bräuchten wir noch mehr Wohnungsbau". Das Planungsreferat verweist allerdings darauf, dass das Bauprojekt im Gewerbeband Obersendling liege und der Standort auch aus Lärmschutzgründen problematisch für Wohnungen sei. Dennoch bat Wenngatz das Referat, es auszunutzen, wenn sich noch Spielraum für mehr Wohnungen ergebe. Dirk Höpner (München-Liste) war weniger versöhnlich: "Mit der Anzahl von Wohnungen sind wir nicht einverstanden. Es wird schwer, so ein lebendiges Quartier zu schaffen."
Eine zentrale Frage bei jedem Bauprojekt ist, wie die Auswirkungen auf Klima und Umwelt sind. Der Investor hat sich in einer Nachhaltigkeits-Charta verpflichtet, möglichst viele recycelte Baumaterialien zu verwenden und energiesparende Gebäude zu bauen. Zudem soll ein ehemaliges Bahngleis zu einem öffentlichen Erholungsgebiet werden. Allerdings ist unter dem kompletten Baugebiet eine durchgehende Tiefgarage geplant, der dafür nötige Beton bringt einen großen CO₂-Ausstoß mit sich. "Kritisch" sieht das Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher. Brigitte Wolf von der Linken bat den Investor, zumindest Teile des Grundstücks nicht zu unterbauen, "damit man auch einen richtigen Baum pflanzen kann, der 100 Jahre wachsen kann". Um den ökologischen Fußabdruck des Quartiers zu verbessern, brachte die grün-rote Koalition einen - dann einstimmig angenommenen - Änderungsantrag ein, der den Bauherrn verpflichtet, möglichst viele Photovoltaik-Anlagen zu bauen, bis zu 60 Prozent der Dachflächen sollen dafür genutzt werden.