Flanieren statt fahren:Streit um "Sommerstraßen" im Münchner Süden

Flanieren statt fahren: Das Konzept der Sommerstraßen kommt nicht überall gleich gut an.

Das Konzept der Sommerstraßen kommt nicht überall gleich gut an.

(Foto: Florian Peljak)

Warum die Constanze-Hallgarten-Straße in Obersendling für zweieinhalb Monate zur Flanier- und Spielzone werden soll, obwohl ein erster Versuch misslang - und welche Lokalpolitiker das für falsch halten.

Von Jürgen Wolfram

Die Premiere sei ein Flop gewesen, das räumen selbst Befürworter der temporär verkehrsberuhigten Treffpunkte ein. Als 2021 der Versuch mit einer "Sommerstraße" auf dem Franziska-Reindl-Platz in Thalkirchen gestartet wurde, habe man die Anwohner nicht hinreichend informiert und mitgenommen, sagt selbstkritisch Henriette Holtz, Fraktionssprecherin der Grünen im Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln. Doch die Lokalpolitiker wollen es mehrheitlich erneut versuchen, diesmal in der Constanze-Hallgarten-Straße. Nicht zuletzt auf Wunsch von Jungbürgern aus dem Quartier "Am Südpark" soll sich diese Obersendlinger Straße im Sommer für zweieinhalb Monate in eine Zone zum Flanieren, Spielen und Erholen verwandeln. Der BA-Beschluss fiel allerdings knapp aus und war heftig umstritten.

Die stärksten Vorbehalte gegen das "Experiment" auf einer Verkehrsfläche, die wegen ihrer kaum beachteten Einbahnregelung als tückisch gilt, artikulierte Richard Panzer (FW). "Wir gewinnen höchstens ein paar Blumenkübel auf dem Asphalt, aber trotz Riesenaufwands nichts Nachhaltiges", kritisierte er. Auch der Vorsitzende des BA-Unterausschusses Mobilität, Reinhold Wirthl (CSU), wandte sich entschieden gegen die Sommerstraße in der Hallgartenstraße. In deren Bereich lägen zwei große Tiefgaragen-Zufahrten, ein Verkehrschaos sei folglich programmiert. Die grünen Innenhöfe der Wohnanlage für sommerliche Freuden zu nutzen, das halten Wirthl, der BA-Vorsitzende Ludwig Weidinger und andere CSU-Vertreter für die weitaus bessere Idee.

Auf der anderen Seite rief Michael Kollatz (SPD) in Erinnerung, dass es immerhin der Münchner Stadtrat sei, der temporäre, begegnungsfördernde Sommerstraßen propagiere. "Wenn die Stadt uns jetzt aufruft, Vorschläge dafür einzureichen, dann sollten wir das machen. Und wenn Bürger von sich aus das Angebot nutzen und ihre Straße bespielen wollen, dann sollten wir dem zustimmen", sagte Kollatz. Nebenbei würde für etwa zehn Wochen der Verkehr gebremst, was ebenfalls wünschenswert sei.

Kollatz lag mit seiner Meinung auf einer Linie mit den Grünen, die den Bewohnern gleichfalls "die Chance" auf eine ruhigere Nutzung des öffentlichen Raums und neue Spielmöglichkeiten für Kinder geben wollen. Man könne die temporäre Teilsperrung der Constanze-Hallgarten-Straße zugleich als Versuch für eine längerfristige Verkehrsberuhigung werten, empfahlen Henni Holtz und Conrad Lausberg (ÖDP). "Mal sehen, wie das bei den Anwohnern ankommt."

Straßen, die sommerlich-entspannte Stimmungen verstärken statt hektischen Verkehr zu schleusen, gehen auf einen Einfall zurück, mit dem die Stadt Barcelona Schlagzeilen gemacht hat. Die grün-rote Rathauskoalition zeigte sich davon so angetan, dass sie das Mobilitätsreferat mit der Prüfung beauftragte, wo dergleichen in München möglich sei. Zunächst war dieser Beschluss auf das Lehel und das Gärtnerplatzviertel gemünzt. Seit 2020 hat die Stadt dann mehr als 30 sogenannte Sommerstraßen ausgewiesen. Laut einer Erhebung des Referats kam die Neuerung bei zwei Dritteln der Befragten gut an. Das andere Drittel sah darin eher eine Verkehrsbehinderung.

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