Humanitäre Hilfsaktion:Erstmals Geflüchtete von Lesbos angekommen

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Nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria bot die Stadt an, bis zu 260 Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Nun werden die ersten acht in München betreut. Kapazitäten gäbe es für deutlich mehr.

Von Thomas Anlauf

Erstmals sind in München Geflüchtete im Rahmen des humanitären Aufnahmeprogramms von den griechischen Inseln angekommen. Am Montagnachmittag wurden zwei Brüder mit jeweils einem Kind vom Grenzdurchgangslager Friedland mit einem Bus nach München gebracht, wo sie nun im Jungen Quartier Obersendling leben können. Bereits am Freitag kam eine vierköpfige afghanische Familie in München an, auch sie lebt nun in Obersendling und wird dort in einem Wohnprojekt intensiv durch Sozialpädagogen und Erzieher betreut. Zusätzlich werden die Angekommenen durch eine Beratungsstelle der Initiativgruppe sowie durch Save Me betreut und beraten.

Die acht Geflüchteten waren zunächst in Hannover gelandet und verbrachten dann die ersten Tage in Quarantäne im niedersächsischen Friedland. Sie müssen kein Asylaufnahmeverfahren mehr durchmachen, da sie bereits in Griechenland einen internationalen Schutzstatus erhalten haben. Sie sind Teil des humanitären Aufnahmeprogramms, das der Bund nach der Brandkatastrophe in Moria auf Lesbos beschlossen hatte.

Geflüchtete aus Griechenland
:"Wo ist denn das humanitäre Signal?"

München will helfen. Bis zu 360 Plätze hat die Stadt in Aussicht gestellt - allerdings werden nun in ganz Bayern nur 100 Menschen aufgenommen. Im Rathaus findet man das "beschämend".

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Insgesamt sollen so 1553 anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland aufgenommen werden, davon kommen 100 Menschen nach Bayern, voraussichtlich 20 werden künftig in München leben. Dies teilte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann auf eine Anfrage der Grünen Landtagsabgeordneten Gülseren Demirel mit. "Die Besonderheit bei diesem für die Schutzsuchenden aus Griechenland aufgelegten Aufnahmeverfahren ist, dass die auf Bayern entfallenden Personen allesamt von aufnahmebereiten bayerischen Kommunen untergebracht werden", so Herrmann. Eine staatliche Aufnahme in Übergangswohnheimen gibt es demnach nicht. Das bedeutet, dass die Menschen in München direkt vom städtischen Sozialreferat betreut werden.

In den ersten Tagen werden Betreuer der afghanischen Familie und den beiden palästinensischen Brüdern mit ihren Kindern die nötige Hilfe zur ersten Orientierung geben, "damit die Betroffenen gut betreut über die Feiertage kommen", sagt Hedwig Thomalla vom Sozialreferat. Alle weiteren Schritte zur Integration der Familien hingen dann von der individuellen sozialpädagogischen und medizinischen Einschätzung ab, so die Sprecherin des Sozialreferats.

Im Jungen Quartier in Obersendling gibt es Raum für 260 Menschen mit Fluchthintergrund. Die Bewohner können sich dort "aktiv an der Gestaltung ihres neuen Zuhauses beteiligen - eine Möglichkeit, die es bisher so nie gegeben hat", sagt Gerhard Mayer, Leiter des Amts für Wohnen und Migration. "Damit wollen wir Integration in unserer Stadt vorantreiben und dazu beitragen, dass sich die jungen Menschen mit ihrem neuen Wohnumfeld identifizieren können und sich dort auch wohlfühlen." Das Quartier in Obersendling ist ein modernes Gemeinschaftsprojekt der Stadt mit der German Estate Group GEG, dort leben Menschen mit Fluchthintergrund nicht nur, sondern erhalten auch Bildung und Ausbildung.

Die Münchner Kampagne Save Me und der Münchner Flüchtlingsrat kümmern sich in der ersten Zeit um die afghanische Familie und die zwei Brüder mit ihren Kindern. "Wir besorgen eine Erstausstattung an Lebensmitteln und MVV-Karten für die erste Woche", sagt Nina Klofac, Projektleiterin von Save Me. Außerdem kümmern sich die Helfer um Krankenversicherungen für die Angekommenen. Klofac kritisiert, dass es in Bayern nach wie vor kein Aufnahmekonzept für Geflüchtete gibt: "Wenn es in einer Stadt keine Organisationen wie uns gibt, kann es passieren, dass die Menschen ein halbes Jahr lang überhaupt keine Leistungen bekommen." Nina Klofac begrüßt zwar, dass nun wenigstens acht Menschen von den griechischen Inseln nach München kommen, allerdings hält sie die Zahl für viel zu niedrig. Schließlich hatte die Stadt angeboten, viel mehr Geflüchtete von dort aufzunehmen. Nach dem Brand im Lager Moria auf Lesbos im September beschloss der Stadtrat, 260 Geflüchtete aufzunehmen, inoffiziell war sogar die Rede von fast 400 Menschen.

Doch für die Verteilung ist das Bundesinnenministerium zuständig. Insgesamt nimmt Deutschland 1553 Menschen von den griechischen Inseln über das Humanitäre Programm auf. Laut Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) soll München insgesamt 20 Menschen aufnehmen, es sollen ausnahmslos geflüchtete Familien sein, die bereits einen Schutzstatus haben. In Regensburg sollen 22 Menschen unterkommen, in Augsburg fünf und in Würzburg lediglich zwei. Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy hatte bereits Ende Oktober kritisiert, dass so wenige Menschen in Bayern aufgenommen werden. Sie nannte es ein "Armutszeugnis" der staatlichen Politik. Trotz des angespannten Wohnungsmarktes hätte München ohne größere Probleme mehrere Hundert Menschen über das Humanitäre Programm aufnehmen können.

Voraussichtlich im Januar sollen weitere Menschen aus Griechenland nach München kommen. Insgesamt zwölf Flüge sind geplant, um 1553 Menschen in Deutschland aufzunehmen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums erhalten die Menschen zunächst eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. Die Verteilung der Menschen soll "unter Berücksichtigung der besonderen Aufnahmebereitschaft der Länder" vorgenommen werden, heißt es in einer Anordnung des Bundesinnenministeriums zur Aufnahme der Menschen aus Griechenland.

© SZ vom 22.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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