Obdachlose in München:Neuer Schutz für die Ärmsten der Stadt

Obdachlosenhilfe, Essenausgabe St. Bonifaz, Karlstraße 34

Anstehen für eine warme Mahlzeit, das ist für viele arme Menschen Routine, wie hier vor der Benediktinerabtei Sankt Bonifaz.

(Foto: Florian Peljak)

In Freimann entstehen 800 Übernachtungsplätze für Obdachlose. Auch Ärzte und Sozialpädagogen sollen Räume in dem Neubau bekommen. Die Zeit drängt.

Von Thomas Anlauf

Dutzende Menschen stehen jeden Vormittag in der Kälte auf dem Gehweg in der Karlstraße und warten darauf, dass sie ein kostenloses Essenspaket abholen können. Extrem arme Menschen in München sind gerade im Winter besonders sichtbar. Es gibt nur wenige warme Orte, an denen sich Obdachlose tagsüber aufhalten können. Auch Dezider Durasko steht täglich in der Schlange vor Sankt Bonifaz, weil er kein Geld und keine Wohnung hat.

Der 58-Jährige lebt seit fünf Jahren in München auf der Straße, im Winter schläft er im städtischen Übernachtungsschutz in der ehemaligen Bayernkaserne, wo etwa 800 Menschen kostenlos bleiben können - während der Corona-Krise sogar ganztägig. Das bundesweit einzigartige Angebot wird nun sogar an anderer Stelle ausgebaut. In der Lotte-Branz-Straße ganz in der Nähe des bisherigen Standorts in Freimann soll bis zum Jahr 2023 ein Neubau für den Übernachtungsschutz für Obdachlose sowie eine medizinische Einrichtung für die Asylerstuntersuchung entstehen.

Die Vollversammlung des Münchner Stadtrats hat vor wenigen Tagen den Neubau beschlossen. Die Projektkosten liegen insgesamt im zweistelligen Millionenbereich. "Die bisherigen Einrichtungen, die zum Teil in Containern untergebracht waren, werden durch den Neubau eine feste Größe in München", sagt Kommunalreferentin Kristina Frank. "Ich freue mich über den Beschluss, denn wir müssen jetzt schnell starten, damit es bei diesen wichtigen Angeboten keine Lücke gibt, wenn wir die derzeitigen Räumlichkeiten in der Bayernkaserne Ende 2023 abreißen." Die Zeit drängt, denn seit Monaten wird auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne ein Haus nach dem anderen abgerissen. Hier entsteht in den kommenden Jahren das neue Stadtquartier "Heidemannpark".

Der Übernachtungsschutz am neuen Standort bietet ebenfalls rund 800 Bettplätze, allerdings kommen die Obdachlosen künftig in Vier-Bett-Zimmern unter. Bislang schlafen die Menschen in Acht- bis Zwölf-Bett-Zimmern, allerdings sind diese derzeit wegen der Pandemie nur maximal zur Hälfte belegt. Auch Dezider Durasko teilt sich ein Zwölf-Bett-Zimmer derzeit mit fünf weiteren Menschen. "Die Reduzierung auf Vier-Bett-Zimmer stellt eine wesentliche Standardverbesserung dar", teilt die Stadt in einer Erklärung mit.

Etwa 3000 Menschen schliefen im vergangenen Jahr im Übernachtungsschutz

In dem Neubau an der Lotte-Branz-Straße wird es dringend benötigte Kranken- und Krisenzimmer, Zimmer für mobilitätseingeschränkte Personen geben, Zimmer für vulnerable Gruppen und auch Übernachtungsmöglichkeiten für obdachlose Männer und Frauen mit Hunden. Eingeplant werden außerdem Beratungsräume für die sozialpädagogische Beratung und ein Behandlungszimmer für die ehrenamtlich tätigen Ärzte von open.med. Vorsorglich werden zudem Küchenanschlüsse eingeplant.

Auch auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne gibt es seit dem vergangenen Jahr für die Obdachlosen in einem eigenen Gebäude Kochmöglichkeiten, wo die Menschen zum Beispiel ihre Suppen, die sie in Sankt Bonifaz abgeholt haben, aufwärmen können. Auf Wunsch des Stadtrats wird nun auch geprüft, ob in dem Neubau auch ein Tagestreff der Nutzer realisiert werden kann. 85 Prozent der Übernachtungsgäste in der ehemaligen Kaserne waren im vergangen Jahr Männer, allerdings wächst die Zahl der Frauen, die auf einen Schlafplatz angewiesen sind, teilt das Evangelische Hilfswerk mit, das den Übernachtungsschutz betreibt.

Etwa 3000 Menschen schliefen im vergangenen Jahr im Übernachtungsschutz, fast 80 Prozent der Obdachlosen waren zwischen 18 und 50 Jahre alt, jeder fünfte 51 Jahre oder älter. Etwa jeder dritte bleibt einen Monat oder länger, fast die Hälfte lediglich zwischen einer und neun Nächte.

"Wir sind froh, dass wir das bundesweit einzigartige Angebot des Übernachtungsschutzes in gleichem Umfang und besseren Standards als im bisherigen Provisorium ohne Unterbrechung fortsetzen können", sagt Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Das sei "ein humanitäres Signal für eine soziale Stadt".

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