Die Grünen attackieren Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) scharf, weil er aus ihrer Sicht ein für München unvorteilhaftes politisches Geschäft mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) abgeschlossen hat. Der "Söder-Reiter-Deal", wie es der Stadtverband nennt, lief ihrer Ansicht nach so: Söder hebt die Altersgrenze von 67 Jahren für Bürgermeister auf und ermöglicht damit Reiter eine gewünschte dritte Amtszeit. Dafür hält sich der Oberbürgermeister im Landtagswahlkampf mit Kritik an Söder und seiner CSU zurück.
Die Grünen sehen die Vorteile indes nur bei Söder. Der hatte die Aufhebung der Altersgrenze im Januar nur angekündigt, vollzogen hat sie der Landtag noch nicht. Deshalb müsse Reiter liefern, weil es sich sonst Söder noch einmal anders überlegen könnte. "Dieter Reiter hat sich in eine fatale Abhängigkeit begeben, seine politische Zukunft hängt jetzt vom Wohlwollen des Ministerpräsidenten ab - und der wird ihn bis mindestens nach der Landtagswahl zappeln lassen", erklärte die Stadtvorsitzende Svenja Jarchow.
OB Reiter und die SPD zeigten sich irritiert von der Attacke des Koalitionspartners im Rathaus. "Ich gehe davon aus, dass die Absender darauf keine ernsthafte Antwort erwarten. Das kann sich doch nur um einen Faschingsscherz handeln", wies Reiter alle Vorwürfe zurück. Mit seiner nun wieder möglichen Kandidatur hatte er die Grünen und ihre potenzielle Spitzenkandidatin für 2026, Katrin Habenschaden, kalt erwischt. Sie rutschte aus der Position der Favoritin zurück auf die Rolle der Herausforderin, die einen Amtsinhaber besiegen muss.
Habenschaden und auch die Fraktion der Grünen im Rathaus wollten sich zur Attacke ihres Stadtverbands nicht äußern. Der Koalitionspartner im Rathaus schon. "Heute ist ja der Unsinnige Donnerstag", nahm Stadtrat und SPD-Stadtchef Christian Köning den Gedanken Reiters auf. Statt "solcher Spielchen" sollten die Grünen ihre Energie in die sozial-ökologische Wende der Stadt stecken und ihre beiden zuständigen Referenten mal fragen, warum die so langsam vorankommen.
Die Grünen wiederum denken, dass das "neue Team Söder-Reiter" München schaden werde. "Kann Herr Reiter seine Verantwortung für München in Verhandlungen mit der Staatsregierung noch 100 Prozent wahrnehmen, wenn er gleichzeitig vom guten Willen des Ministerpräsidenten abhängig ist?", fragte der Co-Stadtvorsitzende Joel Keilhauer. Die Antwort gab er gleich selbst. "Das ist ein offenkundiger Interessenkonflikt."
Reiter attestierten die Grünen, dass er seinen Teil des vermuteten Deals bereits einhalte. Der Oberbürgermeister habe "jede kritische Kommentierung Richtung Staatsregierung eingestellt". Nicht einmal auf die "jüngsten Enthüllungen", wonach Söder die Milliarden-Mehrkosten und Verzögerungen auch Reiter gegenüber bewusst verschwiegen habe, habe er reagiert. Und das, obwohl er "ansonsten nie um eine Kommentierung weit weniger wichtiger Themen verlegen" sei.