Null Acht Neun:Es gibt keinen Grund zur Sorge

Null Acht Neun: Der Münchner Rathausbalkon sieht beinahe so aus, als müsste man den bayerischen Bienen ein letztes Refugium bieten.

Der Münchner Rathausbalkon sieht beinahe so aus, als müsste man den bayerischen Bienen ein letztes Refugium bieten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Fast könnte man meinen, die Klimakatastrophe gäbe es wirklich. Aber das müssen alles Fake News sein, sagt der Elektriker. Und selbst wenn - die FDP kann der Verwüstung des Planeten auch Positives abgewinnen.

Glosse von Wolfgang Görl

Sonnenschein von morgens bis abends, sternklar die Nächte, und die Grashalme im Park wiegt ein lauer Wind. Nein, da gibt es nichts zu meckern: Die ersten Junitage waren so, wie sie sein sollen.

Der zartgrüne Frühling ist vorüber, das noch traumumnebelte Erwachen nach der Winterstarre, wenn die Vögel im schüchtern sprießenden Laub tirilierend Gebietsansprüche anmelden. Inzwischen sind die Blätter nachgedunkelt, die Tulpen verblüht, und in den Gärten öffnen Rosen ihre ersten Knospen. Noch sirrt die Luft nicht vor Hitze, noch muss man nicht in den Schatten flüchten; aber den Anorak braucht es nicht mehr.

Sommererwartungsland. War es nicht immer eine Lust, darin zu leben? Bald würden die großen Ferien beginnen, die endlosen Tage am Isarstrand, die glückliche Zeit mit Steckerleis und Sonnenbrand am Mittelmeer. Der Juni war ein einziges großes Versprechen: Der Sommer wird groß.

Ja, so war das mal. Aber ist es noch so? Mischt sich in die Sehnsucht nach dem Sommer nicht die Sorge, er könnte zu heiß werden - wie so oft in den vergangenen Jahren? Statt Sommer-Sonne-Isar-Glück verdorrte Felder, zu Rinnsalen verkümmerte Flüsse, vertrockneter Wald. Und in den südlichen Sehnsuchtsländern verwüsten Unwetter die Landschaft, Sturzbäche überfluten Städte, und das Meer frisst den Strand.

Fast könnte man meinen, die Klimakatastrophe gäbe es wirklich, obwohl unser Elektriker sagt, das sind alles Fake News. Und der muss es wissen. Er hat zwei Videos im Netz studiert, und seitdem versteht er das Klima besser als jeder Wissenschaftler. Er weiß sogar, dass den Treibhauseffekt der Habeck erfunden hat, in Komplizenschaft mit der mächtigen Radlerlobby.

Und in mindestens einer Berliner Regierungspartei denkt man auch in diese Richtung: "Wird es dennoch ein wenig wärmer, dann freue ich mich über die besseren Ernteerträge, die milderen Winter und den besseren Wein." Frank Schäffler hat das geschrieben. Er ist Politiker und sitzt für die FDP im Bundestag. Endlich mal einer, der die Verwüstung des Planeten als etwas Positives betrachtet, als Glücksfall für Freunde eines guten Tropfens. Wer weiß, vielleicht sehen Söder und seine Leute das insgeheim auch so. Und Aiwangers Dorfpopulisten erst recht. Ach was, das ist jetzt ungerecht, tschuldigung. Sie machen ja Klimapolitik. Ernsthaft sogar. Und am ehrgeizigsten, wenn es gilt, Klimaschutz zu verhindern.

Im Münchner Rathaus ist man offenbar noch nicht so weit. Auf dem Balkon über dem Marienplatz haben sie Löwenmäulchen, Prachtkerzen und andere Blumen gepflanzt, damit die Bienen was zu naschen haben. Das sieht beinahe so aus, als müsste man den bayerischen Bienen ein letztes Refugium bieten, wo doch die Staatsregierung alles dafür tut, das Land mit Straßen und großzügig dimensionierten Gewerbegebieten bewohnbar zu machen - auch für Insekten, sofern sie Pestizide in wohldosierten Mengen verkraften. So gesehen muss man sich keine Sorgen machen. Wir sind in guten Händen. Und es muss auch niemand befürchten, dass er beim Kauf einer Tube Sekundenkleber im Baumarkt von der Polizei verhaftet wird. Jedenfalls nicht immer.

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